aus müssen wir noch im Auge behalten, dasz die Spitzen der Tentakeln bei der Drosera, dicht unterhalb der Drüsen, empfind- lich sind.
Die drei merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten, welche die ver- schiedenen Glieder der Familie der Droseraceae darbieten, bestehen darin, dasz die Blätter von einigen derselben die Fähigkeit haben, sich zu bewegen, wenn sie gereizt werden; ferner darin, dasz ihre Drüsen eine Flüssigkeit absondern, welche animale Substanz verdaut, und endlich in der Absorption der verdauten Substanz. Kann irgend welches Licht auf die Schritte geworfen werden, auf denen diese merkwürdigen Fähigkeiten allmählich erlangt wurden?
Da die Zellwände nothwendigerweise für Flüssigkeiten durchgängig sind, um den Drüsen zu gestatten abzusondern, so ist es nicht über- raschend, dasz sie auch den Durchtritt von Flüssigkeiten nach innen leicht gestatten; und dieser nach innen gerichtete Durchtritt würde ein Act der Absorption genannt zu werden verdienen, wenn die Flüssigkeiten sich mit dem Drüseninhalte verbänden. Nach den oben angeführten Thatsachen zu urtheilen, können die absondernden Drüsen vieler anderer Pflanzen Ammoniaksalze absorbiren, von welchen sie aus dem Regenwasser geringe Mengen erhalten müssen. Dies ist der Fall mit zwei Species von Saxifraga; und die Drüsen einer derselben absorbiren augenscheinlich Substanz aus gefangenen Insecten und sicher aus einem Aufgusz von rohem Fleisch. Es liegt daher nichts Abnormes darin, dasz die Droseraceen das Absorptionsvermögen in einem viel höher entwickelten Grade erlangt haben.
Es ist ein bei weitem merkwürdigeres Problem, wie die Glieder dieser Familie, ferner Pinguicula, und, wie Dr. Hooker vor Kurzem gezeigt hat, Nepenthes, alle das Vermögen erlangt haben dürften, eine, animale Substanz auflösende oder verdauende Flüssigkeit abzusondern. Die sechs Gattungen der Droseraceen haben diese Fähigkeit wahr- scheinlich von einem gemeinsamen Urerzeuger ererbt; dies läszt sich aber auf Pinguicula und Nepenthes nicht anwenden; denn diese Pflan- zen sind durchaus nicht nahe mit den Droseraceen verwandt. Die Schwierigkeit ist aber nicht annähernd so grosz, als sie auf den ersten Blick erscheint. Erstens enthalten die Säfte vieler Pflanzen eine Säure und allem Anscheine nach dient jede Säure zur Verdauung. Zweitens sondern, wie Dr. Hooker mit Bezug auf den vorliegenden Gegenstand in seiner Rede in Belfast (1874) bemerkt hat und wie
Schluszbemerkungen. Cap. 15.
aus müssen wir noch im Auge behalten, dasz die Spitzen der Tentakeln bei der Drosera, dicht unterhalb der Drüsen, empfind- lich sind.
Die drei merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten, welche die ver- schiedenen Glieder der Familie der Droseraceae darbieten, bestehen darin, dasz die Blätter von einigen derselben die Fähigkeit haben, sich zu bewegen, wenn sie gereizt werden; ferner darin, dasz ihre Drüsen eine Flüssigkeit absondern, welche animale Substanz verdaut, und endlich in der Absorption der verdauten Substanz. Kann irgend welches Licht auf die Schritte geworfen werden, auf denen diese merkwürdigen Fähigkeiten allmählich erlangt wurden?
Da die Zellwände nothwendigerweise für Flüssigkeiten durchgängig sind, um den Drüsen zu gestatten abzusondern, so ist es nicht über- raschend, dasz sie auch den Durchtritt von Flüssigkeiten nach innen leicht gestatten; und dieser nach innen gerichtete Durchtritt würde ein Act der Absorption genannt zu werden verdienen, wenn die Flüssigkeiten sich mit dem Drüseninhalte verbänden. Nach den oben angeführten Thatsachen zu urtheilen, können die absondernden Drüsen vieler anderer Pflanzen Ammoniaksalze absorbiren, von welchen sie aus dem Regenwasser geringe Mengen erhalten müssen. Dies ist der Fall mit zwei Species von Saxifraga; und die Drüsen einer derselben absorbiren augenscheinlich Substanz aus gefangenen Insecten und sicher aus einem Aufgusz von rohem Fleisch. Es liegt daher nichts Abnormes darin, dasz die Droseraceen das Absorptionsvermögen in einem viel höher entwickelten Grade erlangt haben.
Es ist ein bei weitem merkwürdigeres Problem, wie die Glieder dieser Familie, ferner Pinguicula, und, wie Dr. Hooker vor Kurzem gezeigt hat, Nepenthes, alle das Vermögen erlangt haben dürften, eine, animale Substanz auflösende oder verdauende Flüssigkeit abzusondern. Die sechs Gattungen der Droseraceen haben diese Fähigkeit wahr- scheinlich von einem gemeinsamen Urerzeuger ererbt; dies läszt sich aber auf Pinguicula und Nepenthes nicht anwenden; denn diese Pflan- zen sind durchaus nicht nahe mit den Droseraceen verwandt. Die Schwierigkeit ist aber nicht annähernd so grosz, als sie auf den ersten Blick erscheint. Erstens enthalten die Säfte vieler Pflanzen eine Säure und allem Anscheine nach dient jede Säure zur Verdauung. Zweitens sondern, wie Dr. Hooker mit Bezug auf den vorliegenden Gegenstand in seiner Rede in Belfast (1874) bemerkt hat und wie
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Schluszbemerkungen. Cap. 15.
aus müssen wir noch im Auge behalten, dasz die Spitzen der
Tentakeln bei der Drosera, dicht unterhalb der Drüsen, empfind-
lich sind.
Die drei merkwürdigsten Eigenthümlichkeiten, welche die ver-
schiedenen Glieder der Familie der Droseraceae darbieten, bestehen
darin, dasz die Blätter von einigen derselben die Fähigkeit haben,
sich zu bewegen, wenn sie gereizt werden; ferner darin, dasz ihre
Drüsen eine Flüssigkeit absondern, welche animale Substanz verdaut,
und endlich in der Absorption der verdauten Substanz. Kann irgend
welches Licht auf die Schritte geworfen werden, auf denen diese
merkwürdigen Fähigkeiten allmählich erlangt wurden?
Da die Zellwände nothwendigerweise für Flüssigkeiten durchgängig
sind, um den Drüsen zu gestatten abzusondern, so ist es nicht über-
raschend, dasz sie auch den Durchtritt von Flüssigkeiten nach innen
leicht gestatten; und dieser nach innen gerichtete Durchtritt würde
ein Act der Absorption genannt zu werden verdienen, wenn die
Flüssigkeiten sich mit dem Drüseninhalte verbänden. Nach den oben
angeführten Thatsachen zu urtheilen, können die absondernden Drüsen
vieler anderer Pflanzen Ammoniaksalze absorbiren, von welchen sie
aus dem Regenwasser geringe Mengen erhalten müssen. Dies ist der
Fall mit zwei Species von Saxifraga; und die Drüsen einer derselben
absorbiren augenscheinlich Substanz aus gefangenen Insecten und
sicher aus einem Aufgusz von rohem Fleisch. Es liegt daher nichts
Abnormes darin, dasz die Droseraceen das Absorptionsvermögen in
einem viel höher entwickelten Grade erlangt haben.
Es ist ein bei weitem merkwürdigeres Problem, wie die Glieder
dieser Familie, ferner Pinguicula, und, wie Dr. Hooker vor Kurzem
gezeigt hat, Nepenthes, alle das Vermögen erlangt haben dürften, eine,
animale Substanz auflösende oder verdauende Flüssigkeit abzusondern.
Die sechs Gattungen der Droseraceen haben diese Fähigkeit wahr-
scheinlich von einem gemeinsamen Urerzeuger ererbt; dies läszt sich
aber auf Pinguicula und Nepenthes nicht anwenden; denn diese Pflan-
zen sind durchaus nicht nahe mit den Droseraceen verwandt. Die
Schwierigkeit ist aber nicht annähernd so grosz, als sie auf den ersten
Blick erscheint. Erstens enthalten die Säfte vieler Pflanzen eine
Säure und allem Anscheine nach dient jede Säure zur Verdauung.
Zweitens sondern, wie Dr. Hooker mit Bezug auf den vorliegenden
Gegenstand in seiner Rede in Belfast (1874) bemerkt hat und wie
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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/340>, abgerufen am 27.11.2024.
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