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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 15. über die Droseraceen.
nehmbare Wirkung hervorgebracht wird. Zu Gunsten dieser Meinung
haben wir einige Belege; denn wir wissen, dasz eine einmalige Be-
rührung der Drüsen der Drosera keine Einbiegung erregt; und doch
musz sie eine Wirkung hervorbringen, denn wenn die Drüsen in einer
Campherlösung eingetaucht gewesen waren, so erfolgt die Einbiegung
innerhalb einer kürzeren Zeit als sie der Einwirkung des Camphers
allein gefolgt sein würde. So können ferner bei Dionaea die Blatt-
scheiben in ihrem gewöhnlichen Zustande derb berührt werden, ohne
dasz sie sich schlieszen; und doch musz hierdurch eine Wirkung her-
vorgebracht und quer über das ganze Blatt fortgeleitet werden, denn
wenn die Drüsen vor Kurzem animale Substanz absorbirt hatten, ver-
anlaszt selbst eine zarte Berührung, dasz sie sich augenblicklich
schlieszen. Im Ganzen können wir schlieszen, dasz das Erlangen eines
hohen Grades von Empfindlichkeit und das Bewegungsvermögen bei
gewissen Gattungen der Droseraceen keine gröszere Schwierigkeit dar-
bietet, als ähnliche aber schwächere Fähigkeiten bei einer Menge an-
derer Pflanzen darbieten.

Die specialisirte Beschaffenheit und Art der Empfindlichkeit,
welche Drosera und Dionaea und gewisse andere Pflanzen besitzen,
verdient wohl Beachtung. Eine Drüse der Drosera kann einmal, zwei-
oder selbst dreimal kräftig geschlagen werden, ohne dasz irgend eine
Wirkung hervorgebracht wird, während der fortdauernde Druck eines
äuszerst minutiösen Theilchens Bewegung erregt. Andererseits kann
ein vielmal schwereres Theilchen leise auf eines der Filamente der
Dionaea gelegt werden, ohne eine Wirkung; wird es aber nur einmal
durch die langsame Bewegung eines zarten Haares berührt, so schlieszen
sich die Blattlappen; und dieser Unterschied in der Natur der Empfind-
lichkeit dieser beiden Pflanzen steht in offenbarem Anpassungsver-
hältnis zu der Art und Weise, wie sie Insecten fangen. Dasselbe gilt
für die Thatsache, dasz, wenn die centralen Drüsen der Drosera
stickstoffhaltige Substanz absorbiren, sie einen motorischen Impuls
viel schneller nach den äuszeren Tentakeln hinsenden, als wenn sie
mechanisch gereizt werden; während bei Dionaea die Absorption stick-
stoffhaltiger Substanz es verursacht, dasz die Blattlappen sich mit
äuszerster Langsamkeit gegen einander drücken, wogegen eine Be-
rührung rapide Bewegung erregt. Etwas analoge Thatsachen kann
man, wie ich in einem andern Werke gezeigt habe, bei den Ranken
verschiedener Pflanzen beobachten; einige werden durch die Berührung

Cap. 15. über die Droseraceen.
nehmbare Wirkung hervorgebracht wird. Zu Gunsten dieser Meinung
haben wir einige Belege; denn wir wissen, dasz eine einmalige Be-
rührung der Drüsen der Drosera keine Einbiegung erregt; und doch
musz sie eine Wirkung hervorbringen, denn wenn die Drüsen in einer
Campherlösung eingetaucht gewesen waren, so erfolgt die Einbiegung
innerhalb einer kürzeren Zeit als sie der Einwirkung des Camphers
allein gefolgt sein würde. So können ferner bei Dionaea die Blatt-
scheiben in ihrem gewöhnlichen Zustande derb berührt werden, ohne
dasz sie sich schlieszen; und doch musz hierdurch eine Wirkung her-
vorgebracht und quer über das ganze Blatt fortgeleitet werden, denn
wenn die Drüsen vor Kurzem animale Substanz absorbirt hatten, ver-
anlaszt selbst eine zarte Berührung, dasz sie sich augenblicklich
schlieszen. Im Ganzen können wir schlieszen, dasz das Erlangen eines
hohen Grades von Empfindlichkeit und das Bewegungsvermögen bei
gewissen Gattungen der Droseraceen keine gröszere Schwierigkeit dar-
bietet, als ähnliche aber schwächere Fähigkeiten bei einer Menge an-
derer Pflanzen darbieten.

Die specialisirte Beschaffenheit und Art der Empfindlichkeit,
welche Drosera und Dionaea und gewisse andere Pflanzen besitzen,
verdient wohl Beachtung. Eine Drüse der Drosera kann einmal, zwei-
oder selbst dreimal kräftig geschlagen werden, ohne dasz irgend eine
Wirkung hervorgebracht wird, während der fortdauernde Druck eines
äuszerst minutiösen Theilchens Bewegung erregt. Andererseits kann
ein vielmal schwereres Theilchen leise auf eines der Filamente der
Dionaea gelegt werden, ohne eine Wirkung; wird es aber nur einmal
durch die langsame Bewegung eines zarten Haares berührt, so schlieszen
sich die Blattlappen; und dieser Unterschied in der Natur der Empfind-
lichkeit dieser beiden Pflanzen steht in offenbarem Anpassungsver-
hältnis zu der Art und Weise, wie sie Insecten fangen. Dasselbe gilt
für die Thatsache, dasz, wenn die centralen Drüsen der Drosera
stickstoffhaltige Substanz absorbiren, sie einen motorischen Impuls
viel schneller nach den äuszeren Tentakeln hinsenden, als wenn sie
mechanisch gereizt werden; während bei Dionaea die Absorption stick-
stoffhaltiger Substanz es verursacht, dasz die Blattlappen sich mit
äuszerster Langsamkeit gegen einander drücken, wogegen eine Be-
rührung rapide Bewegung erregt. Etwas analoge Thatsachen kann
man, wie ich in einem andern Werke gezeigt habe, bei den Ranken
verschiedener Pflanzen beobachten; einige werden durch die Berührung

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[329/0343] Cap. 15. über die Droseraceen. nehmbare Wirkung hervorgebracht wird. Zu Gunsten dieser Meinung haben wir einige Belege; denn wir wissen, dasz eine einmalige Be- rührung der Drüsen der Drosera keine Einbiegung erregt; und doch musz sie eine Wirkung hervorbringen, denn wenn die Drüsen in einer Campherlösung eingetaucht gewesen waren, so erfolgt die Einbiegung innerhalb einer kürzeren Zeit als sie der Einwirkung des Camphers allein gefolgt sein würde. So können ferner bei Dionaea die Blatt- scheiben in ihrem gewöhnlichen Zustande derb berührt werden, ohne dasz sie sich schlieszen; und doch musz hierdurch eine Wirkung her- vorgebracht und quer über das ganze Blatt fortgeleitet werden, denn wenn die Drüsen vor Kurzem animale Substanz absorbirt hatten, ver- anlaszt selbst eine zarte Berührung, dasz sie sich augenblicklich schlieszen. Im Ganzen können wir schlieszen, dasz das Erlangen eines hohen Grades von Empfindlichkeit und das Bewegungsvermögen bei gewissen Gattungen der Droseraceen keine gröszere Schwierigkeit dar- bietet, als ähnliche aber schwächere Fähigkeiten bei einer Menge an- derer Pflanzen darbieten. Die specialisirte Beschaffenheit und Art der Empfindlichkeit, welche Drosera und Dionaea und gewisse andere Pflanzen besitzen, verdient wohl Beachtung. Eine Drüse der Drosera kann einmal, zwei- oder selbst dreimal kräftig geschlagen werden, ohne dasz irgend eine Wirkung hervorgebracht wird, während der fortdauernde Druck eines äuszerst minutiösen Theilchens Bewegung erregt. Andererseits kann ein vielmal schwereres Theilchen leise auf eines der Filamente der Dionaea gelegt werden, ohne eine Wirkung; wird es aber nur einmal durch die langsame Bewegung eines zarten Haares berührt, so schlieszen sich die Blattlappen; und dieser Unterschied in der Natur der Empfind- lichkeit dieser beiden Pflanzen steht in offenbarem Anpassungsver- hältnis zu der Art und Weise, wie sie Insecten fangen. Dasselbe gilt für die Thatsache, dasz, wenn die centralen Drüsen der Drosera stickstoffhaltige Substanz absorbiren, sie einen motorischen Impuls viel schneller nach den äuszeren Tentakeln hinsenden, als wenn sie mechanisch gereizt werden; während bei Dionaea die Absorption stick- stoffhaltiger Substanz es verursacht, dasz die Blattlappen sich mit äuszerster Langsamkeit gegen einander drücken, wogegen eine Be- rührung rapide Bewegung erregt. Etwas analoge Thatsachen kann man, wie ich in einem andern Werke gezeigt habe, bei den Ranken verschiedener Pflanzen beobachten; einige werden durch die Berührung

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/343>, abgerufen am 27.11.2024.