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Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

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Cap. 16. Pinguicula lusitanica.
doch die langen Borsten es verhindert haben, dasz das Eiweisz mit ihnen
in Berührung käme. Auf beiden Blättern wurden nun die Stückchen bis
dicht an den einen Rand geschoben, und in 3 Stunden 30 Minuten wurde
dieser so bedeutend eingebogen, dasz die äuszere Oberfläche die Blatt-
scheibe berührte; dabei war der gegenüberliegende Rand nicht im min-
desten afficirt. Nach drei Tagen waren die Ränder beider Blätter mit
dem Eiweisz noch immer so stark eingerollt wie je, und auch die Drüsen
sonderten noch reichlich ab. Bei Pinguicula vulgaris habe ich die Ein-
biegung niemals so lange andauern sehn.
4. Zwei Kohlsamen wurden, nachdem sie 1 Stunde lang in Wasser
eingeweicht waren, in die Nähe des Randes eines Blattes gelegt und ver-
ursachten in 3 Stunden 20 Minuten verstärkte Absonderung und Ein-
wärtskrümmung. Nach 24 Stunden war das Blatt theilweise entfaltet,
die Drüsen sonderten aber noch immer reichlich ab. Dieselben fiengen in
48 Stunden an abzutrocknen und waren in 72 Stunden beinahe trocken.
Die beiden Samen wurden dann auf feuchten Sand gelegt unter dem
Wachsthum günstigen Bedingungen; sie keimten aber niemals und nach
einiger Zeit fand sich, dasz sie gefault waren. Sie waren ohne Zweifel
durch das Secret getödtet worden.
5. Kleine Stückchen eines Spinatblattes verursachten in 1 Stunde
20 Minuten vermehrte Absonderung und nach 3 Stunden 20 Minuten
deutliche Einwärtskrümmung des Randes. Der Rand war nach 9 Stun-
den 15 Minuten ordentlich eingebogen, hatte sich aber nach 24 Stunden
beinahe vollständig wieder ausgebreitet. Die mit dem Spinat in Berüh-
rung stehenden Drüsen wurden in 72 Stunden trocken. Stücke Eiweisz
waren am Tage vorher auf den entgegengesetzten Rand des nämlichen
Blattes gelegt worden, ebenso wie auf den Rand eines Blattes mit Kohl-
samen; und diese Ränder blieben 72 Stunden lang dicht eingebogen, was
bewies, um wie viel andauernder die Wirkung des Eiweiszes ist als die
der Spinatblätter oder der Kohlsamen.
6. Eine Reihe kleiner Glasstückchen wurde dem Rande eines
Blattes entlang gelegt; in 2 Stunden 10 Minuten war keine Wirkung
hervorgebracht, aber nach 3 Stunden 25 Minuten schien eine Spur von
Einbiegung da zu sein, und diese war nach 6 Stunden deutlich, wenn
schon nicht scharf ausgesprochen. Die Drüsen in Berührung mit den
Glasstückchen sonderten jetzt reichlicher ab als früher; so dasz sie augen-
scheinlich durch den Druck anorganischer Gegenstände leichter gereizt zu
werden scheinen als die Drüsen der Pinguicula vulgaris. Die erwähnte
unbedeutende Einbiegung hatte nach 24 Stunden nicht zugenommen; auch
fiengen die Drüsen jetzt an trocken zu werden. Die Oberfläche eines
Blattes wurde in der Nähe der Mittelrippe und nach der Basis zu einige
Zeit lang gerieben und gekrazt, es erfolgte aber keine. Bewegung. Die
langen Haare, welche hier stehen, wurden in derselben Weise behandelt,
aber ohne Wirkung. Der letzte Versuch wurde deshalb angestellt, weil
ich glaubte, dasz die Haare vielleicht gegen eine Berührung empfindlich
sein könnten, wie die Filamente der Dionaea.
7. Die Blüthenstiele, Kelch- und Kronenblätter tragen Drüsen, welche
dem allgemeinen Ansehen nach denen auf den Blättern gleich sind. Es
wurde deshalb ein Stück eines Blüthenstiels 1 Stunde lang in einer Lö-
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Cap. 16. Pinguicula lusitanica.
doch die langen Borsten es verhindert haben, dasz das Eiweisz mit ihnen
in Berührung käme. Auf beiden Blättern wurden nun die Stückchen bis
dicht an den einen Rand geschoben, und in 3 Stunden 30 Minuten wurde
dieser so bedeutend eingebogen, dasz die äuszere Oberfläche die Blatt-
scheibe berührte; dabei war der gegenüberliegende Rand nicht im min-
desten afficirt. Nach drei Tagen waren die Ränder beider Blätter mit
dem Eiweisz noch immer so stark eingerollt wie je, und auch die Drüsen
sonderten noch reichlich ab. Bei Pinguicula vulgaris habe ich die Ein-
biegung niemals so lange andauern sehn.
4. Zwei Kohlsamen wurden, nachdem sie 1 Stunde lang in Wasser
eingeweicht waren, in die Nähe des Randes eines Blattes gelegt und ver-
ursachten in 3 Stunden 20 Minuten verstärkte Absonderung und Ein-
wärtskrümmung. Nach 24 Stunden war das Blatt theilweise entfaltet,
die Drüsen sonderten aber noch immer reichlich ab. Dieselben fiengen in
48 Stunden an abzutrocknen und waren in 72 Stunden beinahe trocken.
Die beiden Samen wurden dann auf feuchten Sand gelegt unter dem
Wachsthum günstigen Bedingungen; sie keimten aber niemals und nach
einiger Zeit fand sich, dasz sie gefault waren. Sie waren ohne Zweifel
durch das Secret getödtet worden.
5. Kleine Stückchen eines Spinatblattes verursachten in 1 Stunde
20 Minuten vermehrte Absonderung und nach 3 Stunden 20 Minuten
deutliche Einwärtskrümmung des Randes. Der Rand war nach 9 Stun-
den 15 Minuten ordentlich eingebogen, hatte sich aber nach 24 Stunden
beinahe vollständig wieder ausgebreitet. Die mit dem Spinat in Berüh-
rung stehenden Drüsen wurden in 72 Stunden trocken. Stücke Eiweisz
waren am Tage vorher auf den entgegengesetzten Rand des nämlichen
Blattes gelegt worden, ebenso wie auf den Rand eines Blattes mit Kohl-
samen; und diese Ränder blieben 72 Stunden lang dicht eingebogen, was
bewies, um wie viel andauernder die Wirkung des Eiweiszes ist als die
der Spinatblätter oder der Kohlsamen.
6. Eine Reihe kleiner Glasstückchen wurde dem Rande eines
Blattes entlang gelegt; in 2 Stunden 10 Minuten war keine Wirkung
hervorgebracht, aber nach 3 Stunden 25 Minuten schien eine Spur von
Einbiegung da zu sein, und diese war nach 6 Stunden deutlich, wenn
schon nicht scharf ausgesprochen. Die Drüsen in Berührung mit den
Glasstückchen sonderten jetzt reichlicher ab als früher; so dasz sie augen-
scheinlich durch den Druck anorganischer Gegenstände leichter gereizt zu
werden scheinen als die Drüsen der Pinguicula vulgaris. Die erwähnte
unbedeutende Einbiegung hatte nach 24 Stunden nicht zugenommen; auch
fiengen die Drüsen jetzt an trocken zu werden. Die Oberfläche eines
Blattes wurde in der Nähe der Mittelrippe und nach der Basis zu einige
Zeit lang gerieben und gekrazt, es erfolgte aber keine. Bewegung. Die
langen Haare, welche hier stehen, wurden in derselben Weise behandelt,
aber ohne Wirkung. Der letzte Versuch wurde deshalb angestellt, weil
ich glaubte, dasz die Haare vielleicht gegen eine Berührung empfindlich
sein könnten, wie die Filamente der Dionaea.
7. Die Blüthenstiele, Kelch- und Kronenblätter tragen Drüsen, welche
dem allgemeinen Ansehen nach denen auf den Blättern gleich sind. Es
wurde deshalb ein Stück eines Blüthenstiels 1 Stunde lang in einer Lö-
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[355/0369] Cap. 16. Pinguicula lusitanica. doch die langen Borsten es verhindert haben, dasz das Eiweisz mit ihnen in Berührung käme. Auf beiden Blättern wurden nun die Stückchen bis dicht an den einen Rand geschoben, und in 3 Stunden 30 Minuten wurde dieser so bedeutend eingebogen, dasz die äuszere Oberfläche die Blatt- scheibe berührte; dabei war der gegenüberliegende Rand nicht im min- desten afficirt. Nach drei Tagen waren die Ränder beider Blätter mit dem Eiweisz noch immer so stark eingerollt wie je, und auch die Drüsen sonderten noch reichlich ab. Bei Pinguicula vulgaris habe ich die Ein- biegung niemals so lange andauern sehn. 4. Zwei Kohlsamen wurden, nachdem sie 1 Stunde lang in Wasser eingeweicht waren, in die Nähe des Randes eines Blattes gelegt und ver- ursachten in 3 Stunden 20 Minuten verstärkte Absonderung und Ein- wärtskrümmung. Nach 24 Stunden war das Blatt theilweise entfaltet, die Drüsen sonderten aber noch immer reichlich ab. Dieselben fiengen in 48 Stunden an abzutrocknen und waren in 72 Stunden beinahe trocken. Die beiden Samen wurden dann auf feuchten Sand gelegt unter dem Wachsthum günstigen Bedingungen; sie keimten aber niemals und nach einiger Zeit fand sich, dasz sie gefault waren. Sie waren ohne Zweifel durch das Secret getödtet worden. 5. Kleine Stückchen eines Spinatblattes verursachten in 1 Stunde 20 Minuten vermehrte Absonderung und nach 3 Stunden 20 Minuten deutliche Einwärtskrümmung des Randes. Der Rand war nach 9 Stun- den 15 Minuten ordentlich eingebogen, hatte sich aber nach 24 Stunden beinahe vollständig wieder ausgebreitet. Die mit dem Spinat in Berüh- rung stehenden Drüsen wurden in 72 Stunden trocken. Stücke Eiweisz waren am Tage vorher auf den entgegengesetzten Rand des nämlichen Blattes gelegt worden, ebenso wie auf den Rand eines Blattes mit Kohl- samen; und diese Ränder blieben 72 Stunden lang dicht eingebogen, was bewies, um wie viel andauernder die Wirkung des Eiweiszes ist als die der Spinatblätter oder der Kohlsamen. 6. Eine Reihe kleiner Glasstückchen wurde dem Rande eines Blattes entlang gelegt; in 2 Stunden 10 Minuten war keine Wirkung hervorgebracht, aber nach 3 Stunden 25 Minuten schien eine Spur von Einbiegung da zu sein, und diese war nach 6 Stunden deutlich, wenn schon nicht scharf ausgesprochen. Die Drüsen in Berührung mit den Glasstückchen sonderten jetzt reichlicher ab als früher; so dasz sie augen- scheinlich durch den Druck anorganischer Gegenstände leichter gereizt zu werden scheinen als die Drüsen der Pinguicula vulgaris. Die erwähnte unbedeutende Einbiegung hatte nach 24 Stunden nicht zugenommen; auch fiengen die Drüsen jetzt an trocken zu werden. Die Oberfläche eines Blattes wurde in der Nähe der Mittelrippe und nach der Basis zu einige Zeit lang gerieben und gekrazt, es erfolgte aber keine. Bewegung. Die langen Haare, welche hier stehen, wurden in derselben Weise behandelt, aber ohne Wirkung. Der letzte Versuch wurde deshalb angestellt, weil ich glaubte, dasz die Haare vielleicht gegen eine Berührung empfindlich sein könnten, wie die Filamente der Dionaea. 7. Die Blüthenstiele, Kelch- und Kronenblätter tragen Drüsen, welche dem allgemeinen Ansehen nach denen auf den Blättern gleich sind. Es wurde deshalb ein Stück eines Blüthenstiels 1 Stunde lang in einer Lö- 23*

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Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/369>, abgerufen am 20.05.2024.