Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Utricularia montana. Cap. 18.
waren. Diese Pflanze, welche nur zehn Knollen trug, würde ohne
Zweifel der Trockenheit noch eine viel längere Zeit widerstanden
haben, wenn ich nicht vorher drei von den Knollen entfernt und
mehrere lange Rhizome abgeschnitten hätte. Als am fünfunddreiszig-
sten Tage die Erde aus dem Topfe geschüttet wurde, war sie so
trocken, wie der Staub auf der Landstrasze. Alle Knollen hatten
sehr gerunzelte Oberflächen anstatt platt und straff zu sein. Sie waren
alle eingeschrumpft, aber ich kann nicht genau angeben, um wie viel;
denn da sie anfangs symmetrisch oval waren, masz ich nur ihre
Länge und Dicke; sie zogen sich aber der Quere nach viel mehr in
einer Richtung als in einer andern zusammen, so dasz sie bedeutend
abgeplattet wurden. Einer der zwei Knollen, welche gemessen wor-
den waren, hatte nun nur drei Viertel seiner ursprünglichen Länge,
und zwei Drittel seiner ursprünglichen Dicke in der Richtung, in
welcher er gemessen worden war; aber in einer andern Richtung nur
ein Drittel seiner früheren Dicke. Der andere Knollen war ein Viertel
kürzer und ein Achtel weniger dick in der Richtung, in welcher er
gemessen worden war, und nur halb so dick in einer andern Richtung.

Ein Scheibchen wurde von einem dieser zusammengeschrumpften
Knollen ausgeschnitten und untersucht. Die Zellen enthielten noch
viel Wasser und keine Luft, aber sie waren abgerundeter und weniger
eckig als vorher; auch waren ihre Wände nicht so gerade; es war
daher klar, dasz sich die Zellen zusammengezogen hatten. Die Knollen
haben, so lange sie lebendig bleiben, eine starke Anziehungskraft für
Wasser; der zusammengeschrumpfte, von welchem eine Scheibe ab-
geschnitten worden war, wurde 22 Stunden 30 Minuten lang in Wasser
gelassen, und seine Oberfläche wurde so glatt und so straff wie sie
ursprünglich gewesen war. Auf der andern Seite schwoll ein ge-
schrumpfter Knollen, welcher durch Zufall von seinem Rhizome ge-
trennt worden wor, und abgestorben schien, nicht im Geringsten an,
obgleich er mehrere Tage in Wasser gelassen wurde.

Bei vielen Arten Pflanzen dienen ohne Zweifel die Knollen, Zwie-
beln u. s. w. theilweise als Behälter für Wasser; aber ich weisz von
keinem Fall, auszer dem vorliegenden, wo solche Organe allein zu
diesem Zweck entwickelt worden wären. Prof. Oliver theilt mir mit,
dasz zwei oder drei andere Arten von Utricularia mit diesen An-
hängen versehen sind; und die Gruppe, welche diese umfaszt, hat in
Folge davon den Namen orchidioides erhalten. Alle die andern Arten

Utricularia montana. Cap. 18.
waren. Diese Pflanze, welche nur zehn Knollen trug, würde ohne
Zweifel der Trockenheit noch eine viel längere Zeit widerstanden
haben, wenn ich nicht vorher drei von den Knollen entfernt und
mehrere lange Rhizome abgeschnitten hätte. Als am fünfunddreiszig-
sten Tage die Erde aus dem Topfe geschüttet wurde, war sie so
trocken, wie der Staub auf der Landstrasze. Alle Knollen hatten
sehr gerunzelte Oberflächen anstatt platt und straff zu sein. Sie waren
alle eingeschrumpft, aber ich kann nicht genau angeben, um wie viel;
denn da sie anfangs symmetrisch oval waren, masz ich nur ihre
Länge und Dicke; sie zogen sich aber der Quere nach viel mehr in
einer Richtung als in einer andern zusammen, so dasz sie bedeutend
abgeplattet wurden. Einer der zwei Knollen, welche gemessen wor-
den waren, hatte nun nur drei Viertel seiner ursprünglichen Länge,
und zwei Drittel seiner ursprünglichen Dicke in der Richtung, in
welcher er gemessen worden war; aber in einer andern Richtung nur
ein Drittel seiner früheren Dicke. Der andere Knollen war ein Viertel
kürzer und ein Achtel weniger dick in der Richtung, in welcher er
gemessen worden war, und nur halb so dick in einer andern Richtung.

Ein Scheibchen wurde von einem dieser zusammengeschrumpften
Knollen ausgeschnitten und untersucht. Die Zellen enthielten noch
viel Wasser und keine Luft, aber sie waren abgerundeter und weniger
eckig als vorher; auch waren ihre Wände nicht so gerade; es war
daher klar, dasz sich die Zellen zusammengezogen hatten. Die Knollen
haben, so lange sie lebendig bleiben, eine starke Anziehungskraft für
Wasser; der zusammengeschrumpfte, von welchem eine Scheibe ab-
geschnitten worden war, wurde 22 Stunden 30 Minuten lang in Wasser
gelassen, und seine Oberfläche wurde so glatt und so straff wie sie
ursprünglich gewesen war. Auf der andern Seite schwoll ein ge-
schrumpfter Knollen, welcher durch Zufall von seinem Rhizome ge-
trennt worden wor, und abgestorben schien, nicht im Geringsten an,
obgleich er mehrere Tage in Wasser gelassen wurde.

Bei vielen Arten Pflanzen dienen ohne Zweifel die Knollen, Zwie-
beln u. s. w. theilweise als Behälter für Wasser; aber ich weisz von
keinem Fall, auszer dem vorliegenden, wo solche Organe allein zu
diesem Zweck entwickelt worden wären. Prof. Oliver theilt mir mit,
dasz zwei oder drei andere Arten von Utricularia mit diesen An-
hängen versehen sind; und die Gruppe, welche diese umfaszt, hat in
Folge davon den Namen orchidioides erhalten. Alle die andern Arten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0410" n="396"/><fw place="top" type="header">Utricularia montana. Cap. 18.</fw><lb/>
waren. Diese Pflanze, welche nur zehn Knollen trug, würde ohne<lb/>
Zweifel der Trockenheit noch eine viel längere Zeit widerstanden<lb/>
haben, wenn ich nicht vorher drei von den Knollen entfernt und<lb/>
mehrere lange Rhizome abgeschnitten hätte. Als am fünfunddreiszig-<lb/>
sten Tage die Erde aus dem Topfe geschüttet wurde, war sie so<lb/>
trocken, wie der Staub auf der Landstrasze. Alle Knollen hatten<lb/>
sehr gerunzelte Oberflächen anstatt platt und straff zu sein. Sie waren<lb/>
alle eingeschrumpft, aber ich kann nicht genau angeben, um wie viel;<lb/>
denn da sie anfangs symmetrisch oval waren, masz ich nur ihre<lb/>
Länge und Dicke; sie zogen sich aber der Quere nach viel mehr in<lb/>
einer Richtung als in einer andern zusammen, so dasz sie bedeutend<lb/>
abgeplattet wurden. Einer der zwei Knollen, welche gemessen wor-<lb/>
den waren, hatte nun nur drei Viertel seiner ursprünglichen Länge,<lb/>
und zwei Drittel seiner ursprünglichen Dicke in der Richtung, in<lb/>
welcher er gemessen worden war; aber in einer andern Richtung nur<lb/>
ein Drittel seiner früheren Dicke. Der andere Knollen war ein Viertel<lb/>
kürzer und ein Achtel weniger dick in der Richtung, in welcher er<lb/>
gemessen worden war, und nur halb so dick in einer andern Richtung.</p><lb/>
        <p>Ein Scheibchen wurde von einem dieser zusammengeschrumpften<lb/>
Knollen ausgeschnitten und untersucht. Die Zellen enthielten noch<lb/>
viel Wasser und keine Luft, aber sie waren abgerundeter und weniger<lb/>
eckig als vorher; auch waren ihre Wände nicht so gerade; es war<lb/>
daher klar, dasz sich die Zellen zusammengezogen hatten. Die Knollen<lb/>
haben, so lange sie lebendig bleiben, eine starke Anziehungskraft für<lb/>
Wasser; der zusammengeschrumpfte, von welchem eine Scheibe ab-<lb/>
geschnitten worden war, wurde 22 Stunden 30 Minuten lang in Wasser<lb/>
gelassen, und seine Oberfläche wurde so glatt und so straff wie sie<lb/>
ursprünglich gewesen war. Auf der andern Seite schwoll ein ge-<lb/>
schrumpfter Knollen, welcher durch Zufall von seinem Rhizome ge-<lb/>
trennt worden wor, und abgestorben schien, nicht im Geringsten an,<lb/>
obgleich er mehrere Tage in Wasser gelassen wurde.</p><lb/>
        <p>Bei vielen Arten Pflanzen dienen ohne Zweifel die Knollen, Zwie-<lb/>
beln u. s. w. theilweise als Behälter für Wasser; aber ich weisz von<lb/>
keinem Fall, auszer dem vorliegenden, wo solche Organe allein zu<lb/>
diesem Zweck entwickelt worden wären. Prof. <hi rendition="#k">Oliver</hi> theilt mir mit,<lb/>
dasz zwei oder drei andere Arten von <hi rendition="#i">Utricularia</hi> mit diesen An-<lb/>
hängen versehen sind; und die Gruppe, welche diese umfaszt, hat in<lb/>
Folge davon den Namen <hi rendition="#i">orchidioides</hi> erhalten. Alle die andern Arten<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[396/0410] Utricularia montana. Cap. 18. waren. Diese Pflanze, welche nur zehn Knollen trug, würde ohne Zweifel der Trockenheit noch eine viel längere Zeit widerstanden haben, wenn ich nicht vorher drei von den Knollen entfernt und mehrere lange Rhizome abgeschnitten hätte. Als am fünfunddreiszig- sten Tage die Erde aus dem Topfe geschüttet wurde, war sie so trocken, wie der Staub auf der Landstrasze. Alle Knollen hatten sehr gerunzelte Oberflächen anstatt platt und straff zu sein. Sie waren alle eingeschrumpft, aber ich kann nicht genau angeben, um wie viel; denn da sie anfangs symmetrisch oval waren, masz ich nur ihre Länge und Dicke; sie zogen sich aber der Quere nach viel mehr in einer Richtung als in einer andern zusammen, so dasz sie bedeutend abgeplattet wurden. Einer der zwei Knollen, welche gemessen wor- den waren, hatte nun nur drei Viertel seiner ursprünglichen Länge, und zwei Drittel seiner ursprünglichen Dicke in der Richtung, in welcher er gemessen worden war; aber in einer andern Richtung nur ein Drittel seiner früheren Dicke. Der andere Knollen war ein Viertel kürzer und ein Achtel weniger dick in der Richtung, in welcher er gemessen worden war, und nur halb so dick in einer andern Richtung. Ein Scheibchen wurde von einem dieser zusammengeschrumpften Knollen ausgeschnitten und untersucht. Die Zellen enthielten noch viel Wasser und keine Luft, aber sie waren abgerundeter und weniger eckig als vorher; auch waren ihre Wände nicht so gerade; es war daher klar, dasz sich die Zellen zusammengezogen hatten. Die Knollen haben, so lange sie lebendig bleiben, eine starke Anziehungskraft für Wasser; der zusammengeschrumpfte, von welchem eine Scheibe ab- geschnitten worden war, wurde 22 Stunden 30 Minuten lang in Wasser gelassen, und seine Oberfläche wurde so glatt und so straff wie sie ursprünglich gewesen war. Auf der andern Seite schwoll ein ge- schrumpfter Knollen, welcher durch Zufall von seinem Rhizome ge- trennt worden wor, und abgestorben schien, nicht im Geringsten an, obgleich er mehrere Tage in Wasser gelassen wurde. Bei vielen Arten Pflanzen dienen ohne Zweifel die Knollen, Zwie- beln u. s. w. theilweise als Behälter für Wasser; aber ich weisz von keinem Fall, auszer dem vorliegenden, wo solche Organe allein zu diesem Zweck entwickelt worden wären. Prof. Oliver theilt mir mit, dasz zwei oder drei andere Arten von Utricularia mit diesen An- hängen versehen sind; und die Gruppe, welche diese umfaszt, hat in Folge davon den Namen orchidioides erhalten. Alle die andern Arten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/410
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/410>, abgerufen am 28.11.2024.