Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

Drosera rotundifolia. Cap. 3.
sammenballt und auf diese Weise einen Sack bildet. Kleine Kugeln er-
scheinen manchmal innerhalb dieses Sackes, und das Ganze theilt sich
gewöhnlich bald in zwei oder mehr Kugeln, welche wiederholt verschmel-
zen und sich wieder theilen. Nach einer längeren oder kürzeren Zeit
sind die Körnchen in der farblosen Schicht von Protoplasma, welche
rings um die Wände flieszt, nach den gröszeren Kugeln hingezogen und
mit ihnen vereinigt, oder bilden kleine selbständige Kugeln; diese letz-
teren sind von viel blässerer Farbe und viel zerbrechlicher als die zuerst
zusammengeballten Massen. Nachdem die Körnchen von Protoplasma in
dieser Weise angezogen worden sind, kann die Schicht flieszenden Pro-
toplasmas nicht mehr unterschieden werden, wennschon ein Strom von
durchsichtiger Flüssigkeit noch rund an den Wänden herumflieszt.

Wenn ein Blatt in eine starke, beinahe concentrirte Auflösung von
kohlensaurem Ammoniak getaucht wird, so werden die Drüsen augen-
blicklich schwarz und sondern reichlich ab; aber es erfolgt keine Bewe-
gung der Tentakeln. Zwei so behandelte Blätter wurden nach 1 Stunde
schlaff und schienen getödtet zu sein; alle Zellen in ihren Tentakeln ent-
hielten Kugeln von Protoplasma; aber diese waren klein und misfarbig.
Zwei andere Blätter wurden in eine nicht ganz so starke Lösung gelegt
und in 30 Minuten war eine gut markirte Zusammenballung eingetreten.
Nach 24 Stunden wurden die kuglichen oder häufiger länglichen Massen
von Protoplasma undurchsichtig und körnig anstatt wie gewöhnlich durch-
sichtig zu sein; und in den unteren Zellen waren nur unzählige kleine
kugliche Körnchen vorhanden. Offenbar hatte die Stärke der Auflösung
die Vollendung des Processes gestört, wie dies, wie wir sehen werden,
gleichfalls in Folge groszer Hitze eintritt.

Alle die vorangegangenen Beobachtungen beziehen sich auf die
äuszeren Tentakeln, welche von einer purpurnen Färbung sind; aber auf
die grünen Stiele der kurzen mittleren Tentakeln wirkt das kohlensaure
Salz und ein Aufgusz von rohem Fleisch in genau derselben Weise, mit
dem einzigen Unterschied, dasz die zusammengeballten Massen von einer
grünlichen Färbung sind, so dasz also der Procesz in keiner Weise von
der Farbe der Flüssigkeit innerhalb der Zellen abhängt.

Endlich ist die merkwürdigste Thatsache in Bezug auf dies Salz die
auszerordentlich kleine Menge, welche genügt, Zusammenballung zu ver-
ursachen. Ausführliche Einzelnheiten werden im siebenten Kapitel mit-
getheilt werden; hier mag es genügen, wenn ich noch anführe, dasz bei
einem empfindlichen Blatt die Aufsaugung von eines Grans
(0,000482 Milligr.) durch eine Drüse hinreicht, im Laufe einer Stunde
deutlich bemerkbare Zusammenballung in den Zellen unmittelbar unter der
Drüse zu verursachen.

Die Wirkungen von gewissen andern Salzen und Flüssig-
keiten.
Zwei Blätter wurden in eine Auflösung von einem Theil essig-
sauren Ammoniaks in ungefähr 140 Theilen Wasser gelegt; dies wirkte
ganz so energisch, aber vielleicht nicht ganz so schnell, wie das kohlen-
saure Salz. Nach 10 Minuten waren die Drüsen schwarz und in den
Zellen unter ihnen waren Spuren einer Zusammenballung zu bemerken,
welche nach 15 Minuten deutlich bemerkbar war und sich eine Strecke
weit, so lang wie die Drüsen, die Tentakeln hinab erstreckte. Nach 2

Drosera rotundifolia. Cap. 3.
sammenballt und auf diese Weise einen Sack bildet. Kleine Kugeln er-
scheinen manchmal innerhalb dieses Sackes, und das Ganze theilt sich
gewöhnlich bald in zwei oder mehr Kugeln, welche wiederholt verschmel-
zen und sich wieder theilen. Nach einer längeren oder kürzeren Zeit
sind die Körnchen in der farblosen Schicht von Protoplasma, welche
rings um die Wände flieszt, nach den gröszeren Kugeln hingezogen und
mit ihnen vereinigt, oder bilden kleine selbständige Kugeln; diese letz-
teren sind von viel blässerer Farbe und viel zerbrechlicher als die zuerst
zusammengeballten Massen. Nachdem die Körnchen von Protoplasma in
dieser Weise angezogen worden sind, kann die Schicht flieszenden Pro-
toplasmas nicht mehr unterschieden werden, wennschon ein Strom von
durchsichtiger Flüssigkeit noch rund an den Wänden herumflieszt.

Wenn ein Blatt in eine starke, beinahe concentrirte Auflösung von
kohlensaurem Ammoniak getaucht wird, so werden die Drüsen augen-
blicklich schwarz und sondern reichlich ab; aber es erfolgt keine Bewe-
gung der Tentakeln. Zwei so behandelte Blätter wurden nach 1 Stunde
schlaff und schienen getödtet zu sein; alle Zellen in ihren Tentakeln ent-
hielten Kugeln von Protoplasma; aber diese waren klein und misfarbig.
Zwei andere Blätter wurden in eine nicht ganz so starke Lösung gelegt
und in 30 Minuten war eine gut markirte Zusammenballung eingetreten.
Nach 24 Stunden wurden die kuglichen oder häufiger länglichen Massen
von Protoplasma undurchsichtig und körnig anstatt wie gewöhnlich durch-
sichtig zu sein; und in den unteren Zellen waren nur unzählige kleine
kugliche Körnchen vorhanden. Offenbar hatte die Stärke der Auflösung
die Vollendung des Processes gestört, wie dies, wie wir sehen werden,
gleichfalls in Folge groszer Hitze eintritt.

Alle die vorangegangenen Beobachtungen beziehen sich auf die
äuszeren Tentakeln, welche von einer purpurnen Färbung sind; aber auf
die grünen Stiele der kurzen mittleren Tentakeln wirkt das kohlensaure
Salz und ein Aufgusz von rohem Fleisch in genau derselben Weise, mit
dem einzigen Unterschied, dasz die zusammengeballten Massen von einer
grünlichen Färbung sind, so dasz also der Procesz in keiner Weise von
der Farbe der Flüssigkeit innerhalb der Zellen abhängt.

Endlich ist die merkwürdigste Thatsache in Bezug auf dies Salz die
auszerordentlich kleine Menge, welche genügt, Zusammenballung zu ver-
ursachen. Ausführliche Einzelnheiten werden im siebenten Kapitel mit-
getheilt werden; hier mag es genügen, wenn ich noch anführe, dasz bei
einem empfindlichen Blatt die Aufsaugung von eines Grans
(0,000482 Milligr.) durch eine Drüse hinreicht, im Laufe einer Stunde
deutlich bemerkbare Zusammenballung in den Zellen unmittelbar unter der
Drüse zu verursachen.

Die Wirkungen von gewissen andern Salzen und Flüssig-
keiten.
Zwei Blätter wurden in eine Auflösung von einem Theil essig-
sauren Ammoniaks in ungefähr 140 Theilen Wasser gelegt; dies wirkte
ganz so energisch, aber vielleicht nicht ganz so schnell, wie das kohlen-
saure Salz. Nach 10 Minuten waren die Drüsen schwarz und in den
Zellen unter ihnen waren Spuren einer Zusammenballung zu bemerken,
welche nach 15 Minuten deutlich bemerkbar war und sich eine Strecke
weit, so lang wie die Drüsen, die Tentakeln hinab erstreckte. Nach 2

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0056" n="42"/><fw place="top" type="header">Drosera rotundifolia. Cap. 3.</fw><lb/>
sammenballt und auf diese Weise einen Sack bildet. Kleine Kugeln er-<lb/>
scheinen manchmal innerhalb dieses Sackes, und das Ganze theilt sich<lb/>
gewöhnlich bald in zwei oder mehr Kugeln, welche wiederholt verschmel-<lb/>
zen und sich wieder theilen. Nach einer längeren oder kürzeren Zeit<lb/>
sind die Körnchen in der farblosen Schicht von Protoplasma, welche<lb/>
rings um die Wände flieszt, nach den gröszeren Kugeln hingezogen und<lb/>
mit ihnen vereinigt, oder bilden kleine selbständige Kugeln; diese letz-<lb/>
teren sind von viel blässerer Farbe und viel zerbrechlicher als die zuerst<lb/>
zusammengeballten Massen. Nachdem die Körnchen von Protoplasma in<lb/>
dieser Weise angezogen worden sind, kann die Schicht flieszenden Pro-<lb/>
toplasmas nicht mehr unterschieden werden, wennschon ein Strom von<lb/>
durchsichtiger Flüssigkeit noch rund an den Wänden herumflieszt.</p><lb/>
        <p>Wenn ein Blatt in eine starke, beinahe concentrirte Auflösung von<lb/>
kohlensaurem Ammoniak getaucht wird, so werden die Drüsen augen-<lb/>
blicklich schwarz und sondern reichlich ab; aber es erfolgt keine Bewe-<lb/>
gung der Tentakeln. Zwei so behandelte Blätter wurden nach 1 Stunde<lb/>
schlaff und schienen getödtet zu sein; alle Zellen in ihren Tentakeln ent-<lb/>
hielten Kugeln von Protoplasma; aber diese waren klein und misfarbig.<lb/>
Zwei andere Blätter wurden in eine nicht ganz so starke Lösung gelegt<lb/>
und in 30 Minuten war eine gut markirte Zusammenballung eingetreten.<lb/>
Nach 24 Stunden wurden die kuglichen oder häufiger länglichen Massen<lb/>
von Protoplasma undurchsichtig und körnig anstatt wie gewöhnlich durch-<lb/>
sichtig zu sein; und in den unteren Zellen waren nur unzählige kleine<lb/>
kugliche Körnchen vorhanden. Offenbar hatte die Stärke der Auflösung<lb/>
die Vollendung des Processes gestört, wie dies, wie wir sehen werden,<lb/>
gleichfalls in Folge groszer Hitze eintritt.</p><lb/>
        <p>Alle die vorangegangenen Beobachtungen beziehen sich auf die<lb/>
äuszeren Tentakeln, welche von einer purpurnen Färbung sind; aber auf<lb/>
die grünen Stiele der kurzen mittleren Tentakeln wirkt das kohlensaure<lb/>
Salz und ein Aufgusz von rohem Fleisch in genau derselben Weise, mit<lb/>
dem einzigen Unterschied, dasz die zusammengeballten Massen von einer<lb/>
grünlichen Färbung sind, so dasz also der Procesz in keiner Weise von<lb/>
der Farbe der Flüssigkeit innerhalb der Zellen abhängt.</p><lb/>
        <p>Endlich ist die merkwürdigste Thatsache in Bezug auf dies Salz die<lb/>
auszerordentlich kleine Menge, welche genügt, Zusammenballung zu ver-<lb/>
ursachen. Ausführliche Einzelnheiten werden im siebenten Kapitel mit-<lb/>
getheilt werden; hier mag es genügen, wenn ich noch anführe, dasz bei<lb/>
einem empfindlichen Blatt die Aufsaugung von <formula notation="TeX">\frac {1}{134400}</formula> eines Grans<lb/>
(0,000482 Milligr.) durch eine Drüse hinreicht, im Laufe einer Stunde<lb/>
deutlich bemerkbare Zusammenballung in den Zellen unmittelbar unter der<lb/>
Drüse zu verursachen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#g">Die Wirkungen von gewissen andern Salzen und Flüssig-<lb/>
keiten.</hi> Zwei Blätter wurden in eine Auflösung von einem Theil essig-<lb/>
sauren Ammoniaks in ungefähr 140 Theilen Wasser gelegt; dies wirkte<lb/>
ganz so energisch, aber vielleicht nicht ganz so schnell, wie das kohlen-<lb/>
saure Salz. Nach 10 Minuten waren die Drüsen schwarz und in den<lb/>
Zellen unter ihnen waren Spuren einer Zusammenballung zu bemerken,<lb/>
welche nach 15 Minuten deutlich bemerkbar war und sich eine Strecke<lb/>
weit, so lang wie die Drüsen, die Tentakeln hinab erstreckte. Nach 2<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0056] Drosera rotundifolia. Cap. 3. sammenballt und auf diese Weise einen Sack bildet. Kleine Kugeln er- scheinen manchmal innerhalb dieses Sackes, und das Ganze theilt sich gewöhnlich bald in zwei oder mehr Kugeln, welche wiederholt verschmel- zen und sich wieder theilen. Nach einer längeren oder kürzeren Zeit sind die Körnchen in der farblosen Schicht von Protoplasma, welche rings um die Wände flieszt, nach den gröszeren Kugeln hingezogen und mit ihnen vereinigt, oder bilden kleine selbständige Kugeln; diese letz- teren sind von viel blässerer Farbe und viel zerbrechlicher als die zuerst zusammengeballten Massen. Nachdem die Körnchen von Protoplasma in dieser Weise angezogen worden sind, kann die Schicht flieszenden Pro- toplasmas nicht mehr unterschieden werden, wennschon ein Strom von durchsichtiger Flüssigkeit noch rund an den Wänden herumflieszt. Wenn ein Blatt in eine starke, beinahe concentrirte Auflösung von kohlensaurem Ammoniak getaucht wird, so werden die Drüsen augen- blicklich schwarz und sondern reichlich ab; aber es erfolgt keine Bewe- gung der Tentakeln. Zwei so behandelte Blätter wurden nach 1 Stunde schlaff und schienen getödtet zu sein; alle Zellen in ihren Tentakeln ent- hielten Kugeln von Protoplasma; aber diese waren klein und misfarbig. Zwei andere Blätter wurden in eine nicht ganz so starke Lösung gelegt und in 30 Minuten war eine gut markirte Zusammenballung eingetreten. Nach 24 Stunden wurden die kuglichen oder häufiger länglichen Massen von Protoplasma undurchsichtig und körnig anstatt wie gewöhnlich durch- sichtig zu sein; und in den unteren Zellen waren nur unzählige kleine kugliche Körnchen vorhanden. Offenbar hatte die Stärke der Auflösung die Vollendung des Processes gestört, wie dies, wie wir sehen werden, gleichfalls in Folge groszer Hitze eintritt. Alle die vorangegangenen Beobachtungen beziehen sich auf die äuszeren Tentakeln, welche von einer purpurnen Färbung sind; aber auf die grünen Stiele der kurzen mittleren Tentakeln wirkt das kohlensaure Salz und ein Aufgusz von rohem Fleisch in genau derselben Weise, mit dem einzigen Unterschied, dasz die zusammengeballten Massen von einer grünlichen Färbung sind, so dasz also der Procesz in keiner Weise von der Farbe der Flüssigkeit innerhalb der Zellen abhängt. Endlich ist die merkwürdigste Thatsache in Bezug auf dies Salz die auszerordentlich kleine Menge, welche genügt, Zusammenballung zu ver- ursachen. Ausführliche Einzelnheiten werden im siebenten Kapitel mit- getheilt werden; hier mag es genügen, wenn ich noch anführe, dasz bei einem empfindlichen Blatt die Aufsaugung von [FORMEL] eines Grans (0,000482 Milligr.) durch eine Drüse hinreicht, im Laufe einer Stunde deutlich bemerkbare Zusammenballung in den Zellen unmittelbar unter der Drüse zu verursachen. Die Wirkungen von gewissen andern Salzen und Flüssig- keiten. Zwei Blätter wurden in eine Auflösung von einem Theil essig- sauren Ammoniaks in ungefähr 140 Theilen Wasser gelegt; dies wirkte ganz so energisch, aber vielleicht nicht ganz so schnell, wie das kohlen- saure Salz. Nach 10 Minuten waren die Drüsen schwarz und in den Zellen unter ihnen waren Spuren einer Zusammenballung zu bemerken, welche nach 15 Minuten deutlich bemerkbar war und sich eine Strecke weit, so lang wie die Drüsen, die Tentakeln hinab erstreckte. Nach 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/56
Zitationshilfe: Darwin, Charles: Insectenfressende Pflanzen. Übers. v. Julius Victor Carus. Stuttgart, 1876, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/darwin_pflanzen_1876/56>, abgerufen am 27.11.2024.