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Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

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Hand, diese Symbole der Anmuth und Festfreude, die
durch Tanz, Musik und geselligen Lebensgenuß in lieblich-
ster Weise das Dasein erheitern. Dahin gehört auch der
Ausspruch Pindars, Apollon sei den Menschen zum freund-
lichsten Gotte bestimmt
. In dieser Erscheinungsform
ist er namentlich der musikalische Gott und treibt durch den
sanften Zauber der Tonkunst die Menschen zu dem Guten
und Rechten an, das er als Orakelgott verkündet und ge-
beut. Beim Bau der Mauern Ilions werden die Steine
dazu durch sein Saitenspiel zusammengeführt. Schon bei
Homer spielt er beim Schmause der Götter die Phorminx
und unterrichtet Sänger; späterhin wird er Musaget, Mu-
senführer. -- Was den apollinischen Opfercult betrifft, so ist
auch hier eine Umwandlung in's völlige Gegentheil zu be-
merken. Ein ursprünglich so zorniger und furchtbarer Gott
heischte ernste und düstere Culte und Besänftigungsmittel.
Zu Athen wurden an den Thargelien zwei Menschen zum
Opfer geschmückt, feierlichst, wie Opferthiere, vor's Thor
geführt und dann vom Felsen gestürzt, zu welchen Sühn-
opfern, pharmakoi genannt, überwiesene Verbrecher genom-
men wurden. Es gab jedoch in demselben Cultus auch
andere Opfer und Huldigungen, friedlich und zart und
selbst vom Blute der Thiere frei. Auf Delos stand hin-
ter dem Hornaltare der sogenannte "Altar der Frommen",
worauf man nur Weizen- und Gerstenkuchen legte, der
einzige, der Sage nach, auf welchem Pythagoras opferte.
Er war dem Apollon Genetor heilig; da war Apollon
nicht mehr Verderber, Vernichter, Richter, Rächer, Wolf-
gott u. s. w.; da hatte er aufgehört, zu negiren und war
Zeuger und Schöpfer im höheren Sinne des Wortes, crea-
tor spiritus
nach dem Ausdrucke des Christenthums. Da-
selbst war es auch, wo man an Festen Malven und Ähren
in die Tempel trug. Zu Delphi weihete man Kuchen und

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Hand, dieſe Symbole der Anmuth und Feſtfreude, die
durch Tanz, Muſik und geſelligen Lebensgenuß in lieblich-
ſter Weiſe das Daſein erheitern. Dahin gehört auch der
Ausſpruch Pindars, Apollon ſei den Menſchen zum freund-
lichſten Gotte beſtimmt
. In dieſer Erſcheinungsform
iſt er namentlich der muſikaliſche Gott und treibt durch den
ſanften Zauber der Tonkunſt die Menſchen zu dem Guten
und Rechten an, das er als Orakelgott verkündet und ge-
beut. Beim Bau der Mauern Ilions werden die Steine
dazu durch ſein Saitenſpiel zuſammengeführt. Schon bei
Homer ſpielt er beim Schmauſe der Götter die Phorminx
und unterrichtet Sänger; ſpäterhin wird er Muſaget, Mu-
ſenführer. — Was den apolliniſchen Opfercult betrifft, ſo iſt
auch hier eine Umwandlung in’s völlige Gegentheil zu be-
merken. Ein urſprünglich ſo zorniger und furchtbarer Gott
heiſchte ernſte und düſtere Culte und Beſänftigungsmittel.
Zu Athen wurden an den Thargelien zwei Menſchen zum
Opfer geſchmückt, feierlichſt, wie Opferthiere, vor’s Thor
geführt und dann vom Felſen geſtürzt, zu welchen Sühn-
opfern, φαρμακοι genannt, überwieſene Verbrecher genom-
men wurden. Es gab jedoch in demſelben Cultus auch
andere Opfer und Huldigungen, friedlich und zart und
ſelbſt vom Blute der Thiere frei. Auf Delos ſtand hin-
ter dem Hornaltare der ſogenannte „Altar der Frommen“,
worauf man nur Weizen- und Gerſtenkuchen legte, der
einzige, der Sage nach, auf welchem Pythagoras opferte.
Er war dem Apollon Genetor heilig; da war Apollon
nicht mehr Verderber, Vernichter, Richter, Rächer, Wolf-
gott u. ſ. w.; da hatte er aufgehört, zu negiren und war
Zeuger und Schöpfer im höheren Sinne des Wortes, crea-
tor spiritus
nach dem Ausdrucke des Chriſtenthums. Da-
ſelbſt war es auch, wo man an Feſten Malven und Ähren
in die Tempel trug. Zu Delphi weihete man Kuchen und

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[97/0119] Hand, dieſe Symbole der Anmuth und Feſtfreude, die durch Tanz, Muſik und geſelligen Lebensgenuß in lieblich- ſter Weiſe das Daſein erheitern. Dahin gehört auch der Ausſpruch Pindars, Apollon ſei den Menſchen zum freund- lichſten Gotte beſtimmt. In dieſer Erſcheinungsform iſt er namentlich der muſikaliſche Gott und treibt durch den ſanften Zauber der Tonkunſt die Menſchen zu dem Guten und Rechten an, das er als Orakelgott verkündet und ge- beut. Beim Bau der Mauern Ilions werden die Steine dazu durch ſein Saitenſpiel zuſammengeführt. Schon bei Homer ſpielt er beim Schmauſe der Götter die Phorminx und unterrichtet Sänger; ſpäterhin wird er Muſaget, Mu- ſenführer. — Was den apolliniſchen Opfercult betrifft, ſo iſt auch hier eine Umwandlung in’s völlige Gegentheil zu be- merken. Ein urſprünglich ſo zorniger und furchtbarer Gott heiſchte ernſte und düſtere Culte und Beſänftigungsmittel. Zu Athen wurden an den Thargelien zwei Menſchen zum Opfer geſchmückt, feierlichſt, wie Opferthiere, vor’s Thor geführt und dann vom Felſen geſtürzt, zu welchen Sühn- opfern, φαρμακοι genannt, überwieſene Verbrecher genom- men wurden. Es gab jedoch in demſelben Cultus auch andere Opfer und Huldigungen, friedlich und zart und ſelbſt vom Blute der Thiere frei. Auf Delos ſtand hin- ter dem Hornaltare der ſogenannte „Altar der Frommen“, worauf man nur Weizen- und Gerſtenkuchen legte, der einzige, der Sage nach, auf welchem Pythagoras opferte. Er war dem Apollon Genetor heilig; da war Apollon nicht mehr Verderber, Vernichter, Richter, Rächer, Wolf- gott u. ſ. w.; da hatte er aufgehört, zu negiren und war Zeuger und Schöpfer im höheren Sinne des Wortes, crea- tor spiritus nach dem Ausdrucke des Chriſtenthums. Da- ſelbſt war es auch, wo man an Feſten Malven und Ähren in die Tempel trug. Zu Delphi weihete man Kuchen und 7

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Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/119>, abgerufen am 21.11.2024.