Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

Beziehung zum Christenthume gesetzt wird. Möhler lobt
auch die Quäker ihrer universelleren Ansicht über das Hei-
denthum wegen, wiewohl er ihnen den Vorwurf macht,
daß sie den charakteristischen Unterschied zwischen den christ-
lichen und unchristlichen Zeiten verwischten. "Die Art",
sagt er, "wie die Quäker die besseren vorchristlichen Er-
scheinungen auf dem Gebiete der Sittlichkeit und Religion
betrachten, verräth ein sehr zartes Gefühl." Und ebenso
weiterhin: "Die Ansicht der Quäker von dem Verhältnisse
der Heiden zu Gott ist allerdings weit zarter, als die lu-
therische und reformirte; es liegt ihr eine unbefangenere
und reinere Wahrnehmung der Erscheinungen in der nicht-
christlichen Welt zu Grunde." Ferner wird berichtet: "Die
Quäker lassen auf eine sehr merkwürdige Weise gleich nach
Adams Fall die erlösende Thätigkeit eintreten. Gott ver-
heißt nicht bloß einen künftigen Erretter, er lenkt nicht
nur die allgemeinen und besonderen Schicksale der Völker
und Menschen, um sie auf den großen Tag des menschge-
wordenen Gottes vorzubereiten; er begnügt sich auch nicht,
unter allen Völkern weise Männer, Lehrer ihrer Zeitge-
nossen in Wort und That, große Gesetzgeber und Regen-
ten zu erwecken. Von dem Logos, der in der Mitte der
Geschichte persönlich erscheint, geht durch alle Zeiten hin-
durch ein schöpferisches Lebensprincip, wie vom Mittelpunkt
eines Kreises nach allen Theilen der Peripherie Strahlen
ausgesandt werden. Der Geisteshauch Christi geht vor-
und rückwärts und läßt Nichts unberührt. Von dem "in-
neren Lichte", der Quäker, diesem von Christus ausgehen-
den, durch alle Dimensionen des Raumes und der Zeit
waltenden Lebensprincip, um welches sich Alles dreht, was
sie sinnen und denken, und auf welches Alles fromm und
ehrfurchtsvoll bezogen wird, zeugen, wie sie annehmen,
auch die alten Philosophen und Lehrer der Völker; es zeu-

Beziehung zum Chriſtenthume geſetzt wird. Möhler lobt
auch die Quäker ihrer univerſelleren Anſicht über das Hei-
denthum wegen, wiewohl er ihnen den Vorwurf macht,
daß ſie den charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen den chriſt-
lichen und unchriſtlichen Zeiten verwiſchten. „Die Art“,
ſagt er, „wie die Quäker die beſſeren vorchriſtlichen Er-
ſcheinungen auf dem Gebiete der Sittlichkeit und Religion
betrachten, verräth ein ſehr zartes Gefühl.“ Und ebenſo
weiterhin: „Die Anſicht der Quäker von dem Verhältniſſe
der Heiden zu Gott iſt allerdings weit zarter, als die lu-
theriſche und reformirte; es liegt ihr eine unbefangenere
und reinere Wahrnehmung der Erſcheinungen in der nicht-
chriſtlichen Welt zu Grunde.“ Ferner wird berichtet: „Die
Quäker laſſen auf eine ſehr merkwürdige Weiſe gleich nach
Adams Fall die erlöſende Thätigkeit eintreten. Gott ver-
heißt nicht bloß einen künftigen Erretter, er lenkt nicht
nur die allgemeinen und beſonderen Schickſale der Völker
und Menſchen, um ſie auf den großen Tag des menſchge-
wordenen Gottes vorzubereiten; er begnügt ſich auch nicht,
unter allen Völkern weiſe Männer, Lehrer ihrer Zeitge-
noſſen in Wort und That, große Geſetzgeber und Regen-
ten zu erwecken. Von dem Logos, der in der Mitte der
Geſchichte perſönlich erſcheint, geht durch alle Zeiten hin-
durch ein ſchöpferiſches Lebensprincip, wie vom Mittelpunkt
eines Kreiſes nach allen Theilen der Peripherie Strahlen
ausgeſandt werden. Der Geiſteshauch Chriſti geht vor-
und rückwärts und läßt Nichts unberührt. Von dem „in-
neren Lichte“, der Quäker, dieſem von Chriſtus ausgehen-
den, durch alle Dimenſionen des Raumes und der Zeit
waltenden Lebensprincip, um welches ſich Alles dreht, was
ſie ſinnen und denken, und auf welches Alles fromm und
ehrfurchtsvoll bezogen wird, zeugen, wie ſie annehmen,
auch die alten Philoſophen und Lehrer der Völker; es zeu-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="111"/>
Beziehung zum Chri&#x017F;tenthume ge&#x017F;etzt wird. <hi rendition="#g">Möhler</hi> lobt<lb/>
auch die Quäker ihrer univer&#x017F;elleren An&#x017F;icht über das Hei-<lb/>
denthum wegen, wiewohl er ihnen den Vorwurf macht,<lb/>
daß &#x017F;ie den charakteri&#x017F;ti&#x017F;chen Unter&#x017F;chied zwi&#x017F;chen den chri&#x017F;t-<lb/>
lichen und unchri&#x017F;tlichen Zeiten verwi&#x017F;chten. &#x201E;Die Art&#x201C;,<lb/>
&#x017F;agt er, &#x201E;wie die Quäker die be&#x017F;&#x017F;eren vorchri&#x017F;tlichen Er-<lb/>
&#x017F;cheinungen auf dem Gebiete der Sittlichkeit und Religion<lb/>
betrachten, verräth ein &#x017F;ehr zartes Gefühl.&#x201C; Und eben&#x017F;o<lb/>
weiterhin: &#x201E;Die An&#x017F;icht der Quäker von dem Verhältni&#x017F;&#x017F;e<lb/>
der Heiden zu Gott i&#x017F;t allerdings weit zarter, als die lu-<lb/>
theri&#x017F;che und reformirte; es liegt ihr eine unbefangenere<lb/>
und reinere Wahrnehmung der Er&#x017F;cheinungen in der nicht-<lb/>
chri&#x017F;tlichen Welt zu Grunde.&#x201C; Ferner wird berichtet: &#x201E;Die<lb/>
Quäker la&#x017F;&#x017F;en auf eine &#x017F;ehr merkwürdige Wei&#x017F;e gleich nach<lb/>
Adams Fall die erlö&#x017F;ende Thätigkeit eintreten. Gott ver-<lb/>
heißt nicht bloß einen künftigen Erretter, er lenkt nicht<lb/>
nur die allgemeinen und be&#x017F;onderen Schick&#x017F;ale der Völker<lb/>
und Men&#x017F;chen, um &#x017F;ie auf den großen Tag des men&#x017F;chge-<lb/>
wordenen Gottes vorzubereiten; er begnügt &#x017F;ich auch nicht,<lb/>
unter allen Völkern wei&#x017F;e Männer, Lehrer ihrer Zeitge-<lb/>
no&#x017F;&#x017F;en in Wort und That, große Ge&#x017F;etzgeber und Regen-<lb/>
ten zu erwecken. Von dem Logos, der in der Mitte der<lb/>
Ge&#x017F;chichte per&#x017F;önlich er&#x017F;cheint, geht durch alle Zeiten hin-<lb/>
durch ein &#x017F;chöpferi&#x017F;ches Lebensprincip, wie vom Mittelpunkt<lb/>
eines Krei&#x017F;es nach allen Theilen der Peripherie Strahlen<lb/>
ausge&#x017F;andt werden. Der Gei&#x017F;teshauch Chri&#x017F;ti geht vor-<lb/>
und rückwärts und läßt Nichts unberührt. Von dem &#x201E;in-<lb/>
neren Lichte&#x201C;, der Quäker, die&#x017F;em von Chri&#x017F;tus ausgehen-<lb/>
den, durch alle Dimen&#x017F;ionen des Raumes und der Zeit<lb/>
waltenden Lebensprincip, um welches &#x017F;ich Alles dreht, was<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;innen und denken, und auf welches Alles fromm und<lb/>
ehrfurchtsvoll bezogen wird, zeugen, wie &#x017F;ie annehmen,<lb/>
auch die alten Philo&#x017F;ophen und Lehrer der Völker; es zeu-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[111/0133] Beziehung zum Chriſtenthume geſetzt wird. Möhler lobt auch die Quäker ihrer univerſelleren Anſicht über das Hei- denthum wegen, wiewohl er ihnen den Vorwurf macht, daß ſie den charakteriſtiſchen Unterſchied zwiſchen den chriſt- lichen und unchriſtlichen Zeiten verwiſchten. „Die Art“, ſagt er, „wie die Quäker die beſſeren vorchriſtlichen Er- ſcheinungen auf dem Gebiete der Sittlichkeit und Religion betrachten, verräth ein ſehr zartes Gefühl.“ Und ebenſo weiterhin: „Die Anſicht der Quäker von dem Verhältniſſe der Heiden zu Gott iſt allerdings weit zarter, als die lu- theriſche und reformirte; es liegt ihr eine unbefangenere und reinere Wahrnehmung der Erſcheinungen in der nicht- chriſtlichen Welt zu Grunde.“ Ferner wird berichtet: „Die Quäker laſſen auf eine ſehr merkwürdige Weiſe gleich nach Adams Fall die erlöſende Thätigkeit eintreten. Gott ver- heißt nicht bloß einen künftigen Erretter, er lenkt nicht nur die allgemeinen und beſonderen Schickſale der Völker und Menſchen, um ſie auf den großen Tag des menſchge- wordenen Gottes vorzubereiten; er begnügt ſich auch nicht, unter allen Völkern weiſe Männer, Lehrer ihrer Zeitge- noſſen in Wort und That, große Geſetzgeber und Regen- ten zu erwecken. Von dem Logos, der in der Mitte der Geſchichte perſönlich erſcheint, geht durch alle Zeiten hin- durch ein ſchöpferiſches Lebensprincip, wie vom Mittelpunkt eines Kreiſes nach allen Theilen der Peripherie Strahlen ausgeſandt werden. Der Geiſteshauch Chriſti geht vor- und rückwärts und läßt Nichts unberührt. Von dem „in- neren Lichte“, der Quäker, dieſem von Chriſtus ausgehen- den, durch alle Dimenſionen des Raumes und der Zeit waltenden Lebensprincip, um welches ſich Alles dreht, was ſie ſinnen und denken, und auf welches Alles fromm und ehrfurchtsvoll bezogen wird, zeugen, wie ſie annehmen, auch die alten Philoſophen und Lehrer der Völker; es zeu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/133
Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/133>, abgerufen am 21.11.2024.