Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

durch einen Zauberschlag ist die Scene plötzlich umgewan-
delt, so daß sich das völlige Widerspiel und Gegenbild der
vorausgegangenen barbarischen Zustände zeigt. Der fromme
Sabiner Numa Pompilius tritt auf und verrichtet
ein Wunder der Staatskunst und der Bändigung roher
und wilder Kräfte, wie sonst keines bekannt, indem er sich
rein nur der sanften Mittel der Religion und einer Ehr-
furcht gebietenden Persönlichkeit bedient. Plutarch ver-
gleicht ihn mit Lykurg und hebt dabei dies an ihm als
"einzig groß und wunderbar" hervor, "daß es ihm, dem
vom Auslande her auf den Thron Berufenen, gelungen
sei, Alles durch Ueberredung umzugestalten, und in einer
Stadt, welcher Einigkeit noch fremd war, Herr zu werden
nicht durch Waffen und irgend gewaltsame Mittel, wie
doch Lykurg sich an die Spitze der Edlen gegen das Volk
gestellt, sondern indem er durch Weisheit und Gerechtigkeit
Alles zu schönster Harmonie verband." Livius sagt von
ihm, er habe die zunächst durch Gewalt und Waffen ge-
gründete Stadt durch seine Gesetzgebung und Sittigung
von Neuem gegründet. Und offenbar war diese zweite
Gründung die eigentliche, da die vorhergegangene Ansiede-
lung nur einen rohen Stoff lieferte, aus welchem erst dieser
erhabene Mann ein wahrhaft gesellschaftliches Gebäude schuf.

So tritt uns denn gleich im altergrauen Hintergrunde
der römischen Geschichte eine ehrwürdige priesterliche Ge-
stalt entgegen, in der es wohl erlaubt sein mag, das erste,
entfernte Vorbild der hohen Kirchenfürsten zu erblicken, die
im christlichen Weltalter den römischen Thron einnahmen.
Gleich auf ihn folgt wieder ein kriegliebender und streit-
süchtiger Herrscher, der wilde Tullus Hostilius, der
Zerstörer Alba Longa's, der Mutterstadt Roms, eine Er-
scheinung, die einen nicht nur einfach rohen, natürlich be-
stimmten, sondern oppositionellen und tendenziös outrirten

2

durch einen Zauberſchlag iſt die Scene plötzlich umgewan-
delt, ſo daß ſich das völlige Widerſpiel und Gegenbild der
vorausgegangenen barbariſchen Zuſtände zeigt. Der fromme
Sabiner Numa Pompilius tritt auf und verrichtet
ein Wunder der Staatskunſt und der Bändigung roher
und wilder Kräfte, wie ſonſt keines bekannt, indem er ſich
rein nur der ſanften Mittel der Religion und einer Ehr-
furcht gebietenden Perſönlichkeit bedient. Plutarch ver-
gleicht ihn mit Lykurg und hebt dabei dies an ihm als
„einzig groß und wunderbar“ hervor, „daß es ihm, dem
vom Auslande her auf den Thron Berufenen, gelungen
ſei, Alles durch Ueberredung umzugeſtalten, und in einer
Stadt, welcher Einigkeit noch fremd war, Herr zu werden
nicht durch Waffen und irgend gewaltſame Mittel, wie
doch Lykurg ſich an die Spitze der Edlen gegen das Volk
geſtellt, ſondern indem er durch Weisheit und Gerechtigkeit
Alles zu ſchönſter Harmonie verband.“ Livius ſagt von
ihm, er habe die zunächſt durch Gewalt und Waffen ge-
gründete Stadt durch ſeine Geſetzgebung und Sittigung
von Neuem gegründet. Und offenbar war dieſe zweite
Gründung die eigentliche, da die vorhergegangene Anſiede-
lung nur einen rohen Stoff lieferte, aus welchem erſt dieſer
erhabene Mann ein wahrhaft geſellſchaftliches Gebäude ſchuf.

So tritt uns denn gleich im altergrauen Hintergrunde
der römiſchen Geſchichte eine ehrwürdige prieſterliche Ge-
ſtalt entgegen, in der es wohl erlaubt ſein mag, das erſte,
entfernte Vorbild der hohen Kirchenfürſten zu erblicken, die
im chriſtlichen Weltalter den römiſchen Thron einnahmen.
Gleich auf ihn folgt wieder ein kriegliebender und ſtreit-
ſüchtiger Herrſcher, der wilde Tullus Hoſtilius, der
Zerſtörer Alba Longa’s, der Mutterſtadt Roms, eine Er-
ſcheinung, die einen nicht nur einfach rohen, natürlich be-
ſtimmten, ſondern oppoſitionellen und tendenziös outrirten

2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0039" n="17"/>
durch einen Zauber&#x017F;chlag i&#x017F;t die Scene plötzlich umgewan-<lb/>
delt, &#x017F;o daß &#x017F;ich das völlige Wider&#x017F;piel und Gegenbild der<lb/>
vorausgegangenen barbari&#x017F;chen Zu&#x017F;tände zeigt. Der fromme<lb/>
Sabiner <hi rendition="#g">Numa Pompilius</hi> tritt auf und verrichtet<lb/>
ein Wunder der Staatskun&#x017F;t und der Bändigung roher<lb/>
und wilder Kräfte, wie &#x017F;on&#x017F;t keines bekannt, indem er &#x017F;ich<lb/>
rein nur der &#x017F;anften Mittel der Religion und einer Ehr-<lb/>
furcht gebietenden Per&#x017F;önlichkeit bedient. <hi rendition="#g">Plutarch</hi> ver-<lb/>
gleicht ihn mit <hi rendition="#g">Lykurg</hi> und hebt dabei dies an ihm als<lb/>
&#x201E;einzig groß und wunderbar&#x201C; hervor, &#x201E;daß es ihm, dem<lb/>
vom Auslande her auf den Thron Berufenen, gelungen<lb/>
&#x017F;ei, Alles durch Ueberredung umzuge&#x017F;talten, und in einer<lb/>
Stadt, welcher Einigkeit noch fremd war, Herr zu werden<lb/>
nicht durch Waffen und irgend gewalt&#x017F;ame Mittel, wie<lb/>
doch <hi rendition="#g">Lykurg</hi> &#x017F;ich an die Spitze der Edlen gegen das Volk<lb/>
ge&#x017F;tellt, &#x017F;ondern indem er durch Weisheit und Gerechtigkeit<lb/>
Alles zu &#x017F;chön&#x017F;ter Harmonie verband.&#x201C; <hi rendition="#g">Livius</hi> &#x017F;agt von<lb/>
ihm, er habe die zunäch&#x017F;t durch Gewalt und Waffen ge-<lb/>
gründete Stadt durch &#x017F;eine Ge&#x017F;etzgebung und Sittigung<lb/>
von Neuem gegründet. Und offenbar war die&#x017F;e zweite<lb/>
Gründung die eigentliche, da die vorhergegangene An&#x017F;iede-<lb/>
lung nur einen rohen Stoff lieferte, aus welchem er&#x017F;t die&#x017F;er<lb/>
erhabene Mann ein wahrhaft ge&#x017F;ell&#x017F;chaftliches Gebäude &#x017F;chuf.</p><lb/>
          <p>So tritt uns denn gleich im altergrauen Hintergrunde<lb/>
der römi&#x017F;chen Ge&#x017F;chichte eine ehrwürdige prie&#x017F;terliche Ge-<lb/>
&#x017F;talt entgegen, in der es wohl erlaubt &#x017F;ein mag, das er&#x017F;te,<lb/>
entfernte Vorbild der hohen Kirchenfür&#x017F;ten zu erblicken, die<lb/>
im chri&#x017F;tlichen Weltalter den römi&#x017F;chen Thron einnahmen.<lb/>
Gleich auf ihn folgt wieder ein kriegliebender und &#x017F;treit-<lb/>
&#x017F;üchtiger Herr&#x017F;cher, der wilde <hi rendition="#g">Tullus Ho&#x017F;tilius</hi>, der<lb/>
Zer&#x017F;törer Alba Longa&#x2019;s, der Mutter&#x017F;tadt Roms, eine Er-<lb/>
&#x017F;cheinung, die einen nicht nur einfach rohen, natürlich be-<lb/>
&#x017F;timmten, &#x017F;ondern oppo&#x017F;itionellen und tendenziös outrirten<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">2</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0039] durch einen Zauberſchlag iſt die Scene plötzlich umgewan- delt, ſo daß ſich das völlige Widerſpiel und Gegenbild der vorausgegangenen barbariſchen Zuſtände zeigt. Der fromme Sabiner Numa Pompilius tritt auf und verrichtet ein Wunder der Staatskunſt und der Bändigung roher und wilder Kräfte, wie ſonſt keines bekannt, indem er ſich rein nur der ſanften Mittel der Religion und einer Ehr- furcht gebietenden Perſönlichkeit bedient. Plutarch ver- gleicht ihn mit Lykurg und hebt dabei dies an ihm als „einzig groß und wunderbar“ hervor, „daß es ihm, dem vom Auslande her auf den Thron Berufenen, gelungen ſei, Alles durch Ueberredung umzugeſtalten, und in einer Stadt, welcher Einigkeit noch fremd war, Herr zu werden nicht durch Waffen und irgend gewaltſame Mittel, wie doch Lykurg ſich an die Spitze der Edlen gegen das Volk geſtellt, ſondern indem er durch Weisheit und Gerechtigkeit Alles zu ſchönſter Harmonie verband.“ Livius ſagt von ihm, er habe die zunächſt durch Gewalt und Waffen ge- gründete Stadt durch ſeine Geſetzgebung und Sittigung von Neuem gegründet. Und offenbar war dieſe zweite Gründung die eigentliche, da die vorhergegangene Anſiede- lung nur einen rohen Stoff lieferte, aus welchem erſt dieſer erhabene Mann ein wahrhaft geſellſchaftliches Gebäude ſchuf. So tritt uns denn gleich im altergrauen Hintergrunde der römiſchen Geſchichte eine ehrwürdige prieſterliche Ge- ſtalt entgegen, in der es wohl erlaubt ſein mag, das erſte, entfernte Vorbild der hohen Kirchenfürſten zu erblicken, die im chriſtlichen Weltalter den römiſchen Thron einnahmen. Gleich auf ihn folgt wieder ein kriegliebender und ſtreit- ſüchtiger Herrſcher, der wilde Tullus Hoſtilius, der Zerſtörer Alba Longa’s, der Mutterſtadt Roms, eine Er- ſcheinung, die einen nicht nur einfach rohen, natürlich be- ſtimmten, ſondern oppoſitionellen und tendenziös outrirten 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/39
Zitationshilfe: Daumer, Georg Friedrich: Die dreifache Krone Rom's. Münster, 1859, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/daumer_krone_1859/39>, abgerufen am 23.11.2024.