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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Salimbene legt Kaiser Friedrich II. das Wort in den
Mund: "Der liebe Gott hätte sein Land der Ver-
heißung wohl nicht so hoch angepriesen, wenn er
meine Provinzen Apulien, Kalabrien und Kam-
panien gekannt hätte." Dies geflügelte Wort wird
gleich so vielen anderen vermutlich nie gesprochen worden sein;
aber wir finden darin bestätigt, daß der Süden Italiens damals
für den reichsten und beneidenswertesten Teil der Halbinsel galt.
Wie hat sich das seither geändert! Gleich nach der Katastrophe
des schwäbischen Hauses begann schon der Niedergang. An der
Wiedergeburt des italienischen Volkes seit dem Ende des 13. Jahr-
hunderts, an all den Geistestaten von Dante und Giotto ab hat
der Süden keinen Anteil mehr gehabt. Sein Ausscheiden aus
der nationalen Kulturbewegung ist ein Verhängnis, an dem
Italien noch heute schwer zu tragen hat. Jahrhundertelang blieb
der Süden nicht nur tot, sondern auch vergessen. Für die Re-
naissance haben die Tempel von Pästum nicht existiert. Vasari
wußte nichts von der glänzenden Baukunst Apuliens im 12. und
13. Jahrhundert. Erst das 19. Jahrhundert hat sie langsam
wiederentdeckt.

Wir Deutschen glaubten zu der Kunst Unteritaliens in der
staufischen Epoche noch in einem besonderen Verhältnis, einem
Gemütsverhältnis, zu stehen: Friedrich II. blieb uns einer der
unseren, wenn wir auch nach und nach erkennen mußten, daß er
selbst sich kaum als Deutschen gefühlt hat, jedenfalls nach Er-
ziehung, Sprache und Denkweise es nicht war. So ist die erste
systematische Erforschung und Darstellung der mittelalterlichen
Kunst dieser Gebiete von einem Deutschen in Angriff genommen,
von dem durch den Kronprinzen von Sachsen, nachmaligen König
Johann, unterstützten Architekten H. W. Schulz. Seine Arbeit
blieb unvollendet und wurde erst etliche Jahre nach seinem Tode
herausgegeben (1860). Sie blieb die längste Zeit, neben einer durch
den Herzog de Luynes veranlaßten Publikation, unsere fast einzige
Quelle. Ein vor etwa 15 Jahren angekündigtes Buch eines jün-
geren deutschen Gelehrten, das ganz neue Ansichten über "stau-
fische Kunst" zu eröffnen verhieß, ist nicht erschienen. Erst die

Salimbene legt Kaiser Friedrich II. das Wort in den
Mund: »Der liebe Gott hätte sein Land der Ver-
heißung wohl nicht so hoch angepriesen, wenn er
meine Provinzen Apulien, Kalabrien und Kam-
panien gekannt hätte.« Dies geflügelte Wort wird
gleich so vielen anderen vermutlich nie gesprochen worden sein;
aber wir finden darin bestätigt, daß der Süden Italiens damals
für den reichsten und beneidenswertesten Teil der Halbinsel galt.
Wie hat sich das seither geändert! Gleich nach der Katastrophe
des schwäbischen Hauses begann schon der Niedergang. An der
Wiedergeburt des italienischen Volkes seit dem Ende des 13. Jahr-
hunderts, an all den Geistestaten von Dante und Giotto ab hat
der Süden keinen Anteil mehr gehabt. Sein Ausscheiden aus
der nationalen Kulturbewegung ist ein Verhängnis, an dem
Italien noch heute schwer zu tragen hat. Jahrhundertelang blieb
der Süden nicht nur tot, sondern auch vergessen. Für die Re-
naissance haben die Tempel von Pästum nicht existiert. Vasari
wußte nichts von der glänzenden Baukunst Apuliens im 12. und
13. Jahrhundert. Erst das 19. Jahrhundert hat sie langsam
wiederentdeckt.

Wir Deutschen glaubten zu der Kunst Unteritaliens in der
staufischen Epoche noch in einem besonderen Verhältnis, einem
Gemütsverhältnis, zu stehen: Friedrich II. blieb uns einer der
unseren, wenn wir auch nach und nach erkennen mußten, daß er
selbst sich kaum als Deutschen gefühlt hat, jedenfalls nach Er-
ziehung, Sprache und Denkweise es nicht war. So ist die erste
systematische Erforschung und Darstellung der mittelalterlichen
Kunst dieser Gebiete von einem Deutschen in Angriff genommen,
von dem durch den Kronprinzen von Sachsen, nachmaligen König
Johann, unterstützten Architekten H. W. Schulz. Seine Arbeit
blieb unvollendet und wurde erst etliche Jahre nach seinem Tode
herausgegeben (1860). Sie blieb die längste Zeit, neben einer durch
den Herzog de Luynes veranlaßten Publikation, unsere fast einzige
Quelle. Ein vor etwa 15 Jahren angekündigtes Buch eines jün-
geren deutschen Gelehrten, das ganz neue Ansichten über »stau-
fische Kunst« zu eröffnen verhieß, ist nicht erschienen. Erst die

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[[103]/0121] Salimbene legt Kaiser Friedrich II. das Wort in den Mund: »Der liebe Gott hätte sein Land der Ver- heißung wohl nicht so hoch angepriesen, wenn er meine Provinzen Apulien, Kalabrien und Kam- panien gekannt hätte.« Dies geflügelte Wort wird gleich so vielen anderen vermutlich nie gesprochen worden sein; aber wir finden darin bestätigt, daß der Süden Italiens damals für den reichsten und beneidenswertesten Teil der Halbinsel galt. Wie hat sich das seither geändert! Gleich nach der Katastrophe des schwäbischen Hauses begann schon der Niedergang. An der Wiedergeburt des italienischen Volkes seit dem Ende des 13. Jahr- hunderts, an all den Geistestaten von Dante und Giotto ab hat der Süden keinen Anteil mehr gehabt. Sein Ausscheiden aus der nationalen Kulturbewegung ist ein Verhängnis, an dem Italien noch heute schwer zu tragen hat. Jahrhundertelang blieb der Süden nicht nur tot, sondern auch vergessen. Für die Re- naissance haben die Tempel von Pästum nicht existiert. Vasari wußte nichts von der glänzenden Baukunst Apuliens im 12. und 13. Jahrhundert. Erst das 19. Jahrhundert hat sie langsam wiederentdeckt. Wir Deutschen glaubten zu der Kunst Unteritaliens in der staufischen Epoche noch in einem besonderen Verhältnis, einem Gemütsverhältnis, zu stehen: Friedrich II. blieb uns einer der unseren, wenn wir auch nach und nach erkennen mußten, daß er selbst sich kaum als Deutschen gefühlt hat, jedenfalls nach Er- ziehung, Sprache und Denkweise es nicht war. So ist die erste systematische Erforschung und Darstellung der mittelalterlichen Kunst dieser Gebiete von einem Deutschen in Angriff genommen, von dem durch den Kronprinzen von Sachsen, nachmaligen König Johann, unterstützten Architekten H. W. Schulz. Seine Arbeit blieb unvollendet und wurde erst etliche Jahre nach seinem Tode herausgegeben (1860). Sie blieb die längste Zeit, neben einer durch den Herzog de Luynes veranlaßten Publikation, unsere fast einzige Quelle. Ein vor etwa 15 Jahren angekündigtes Buch eines jün- geren deutschen Gelehrten, das ganz neue Ansichten über »stau- fische Kunst« zu eröffnen verhieß, ist nicht erschienen. Erst die

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. [103]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/121>, abgerufen am 25.11.2024.