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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
und Castell Sant' Angelo. Von diesem laufen (kaum parallel, wie
Manetti insgemein verstanden wird, sondern eher radial diver-
gierend) drei mit Hallen eingefaßte Straßen auf einen zweiten,
den am Fuße des vatikanischen Hügels sich ausbreitenden Haupt-
platz. -- Schlagen wir nun die von den Straßen handelnden Kapitel
Albertis auf: Die zum Haupttempel führenden sollen unter allen
die am reichsten geschmückten sein; als Beispiel wird der (in
der Zeit Theodosius des Großen angelegte) Portikus genannt, der
einst von der Brücke zur Petersbasilika geführt hatte, mit Marmor-
säulen und Bleibedachung köstlich ausgestattet; eine derartige
Ausschmückung, fügt der Autor hinzu, empfehle sich höchlichst
für alle Straßen ähnlicher Bestimmung (VIII, c. 6). Kein Zweifel,
daß diese Reminiszenz für die neue Anlage mitbestimmend ge-
worden ist.

Der Hauptplatz, in den die drei Straßen ausmünden und
den rechts der Eingang zum päpstlichen Palast, links die Wohnungen
der Geistlichen und Regularen begrenzen, sollte eine Länge von
200, eine Breite von 100 Ellen erhalten. Dies die Angabe Manettis
(S. 934). Die Griechen, so lehrt hinwieder der Theoretiker, hätten
ihr Fora quadratisch, die alten Italer um ein Drittel länger als
breit angelegt; er selbst aber rate zu einer im Vergleich mit der
Breite doppelten Länge (VIII, c. 6). Wie man sogleich erkennt,
befinden sich also die für den Petersplatz gewählten Proportionen
in genauer Übereinstimmung mit einer ganz persönlichen, von dem,
was man für die Regel der Alten hielt, abweichenden Ansicht
Leon Battistas.

Vom Ende des Platzes sodann -- so fährt Manetti in seiner
Schilderung fort --, wo die Steigung des Terrains beginnt, schreitet
man breite Stufen hinan zu einer Plattform; rechts und links
Glockentürme, in der Tiefe eine Doppelhalle mit je fünf Portalen,
von denen die drei mittleren (wahrscheinlich zu einer engeren
Gruppe zusammengefaßt) der von der Engelsbrücke herkom-
menden Hauptstraße, die beiden andern den seitlichen entsprechen;
auf diese triumphbogenartige Halle folgt ein von Säulengängen
eingefaßter Vorhof mit einem Brunnen und endlich die Kirche
selbst. Hiermit vergleiche man die Vorschriften des Lehrbuches:

Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti
und Castell Sant' Angelo. Von diesem laufen (kaum parallel, wie
Manetti insgemein verstanden wird, sondern eher radial diver-
gierend) drei mit Hallen eingefaßte Straßen auf einen zweiten,
den am Fuße des vatikanischen Hügels sich ausbreitenden Haupt-
platz. — Schlagen wir nun die von den Straßen handelnden Kapitel
Albertis auf: Die zum Haupttempel führenden sollen unter allen
die am reichsten geschmückten sein; als Beispiel wird der (in
der Zeit Theodosius des Großen angelegte) Portikus genannt, der
einst von der Brücke zur Petersbasilika geführt hatte, mit Marmor-
säulen und Bleibedachung köstlich ausgestattet; eine derartige
Ausschmückung, fügt der Autor hinzu, empfehle sich höchlichst
für alle Straßen ähnlicher Bestimmung (VIII, c. 6). Kein Zweifel,
daß diese Reminiszenz für die neue Anlage mitbestimmend ge-
worden ist.

Der Hauptplatz, in den die drei Straßen ausmünden und
den rechts der Eingang zum päpstlichen Palast, links die Wohnungen
der Geistlichen und Regularen begrenzen, sollte eine Länge von
200, eine Breite von 100 Ellen erhalten. Dies die Angabe Manettis
(S. 934). Die Griechen, so lehrt hinwieder der Theoretiker, hätten
ihr Fora quadratisch, die alten Italer um ein Drittel länger als
breit angelegt; er selbst aber rate zu einer im Vergleich mit der
Breite doppelten Länge (VIII, c. 6). Wie man sogleich erkennt,
befinden sich also die für den Petersplatz gewählten Proportionen
in genauer Übereinstimmung mit einer ganz persönlichen, von dem,
was man für die Regel der Alten hielt, abweichenden Ansicht
Leon Battistas.

Vom Ende des Platzes sodann — so fährt Manetti in seiner
Schilderung fort —, wo die Steigung des Terrains beginnt, schreitet
man breite Stufen hinan zu einer Plattform; rechts und links
Glockentürme, in der Tiefe eine Doppelhalle mit je fünf Portalen,
von denen die drei mittleren (wahrscheinlich zu einer engeren
Gruppe zusammengefaßt) der von der Engelsbrücke herkom-
menden Hauptstraße, die beiden andern den seitlichen entsprechen;
auf diese triumphbogenartige Halle folgt ein von Säulengängen
eingefaßter Vorhof mit einem Brunnen und endlich die Kirche
selbst. Hiermit vergleiche man die Vorschriften des Lehrbuches:

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[173/0215] Die Bauprojekte Nikolaus V. und L. B. Alberti und Castell Sant' Angelo. Von diesem laufen (kaum parallel, wie Manetti insgemein verstanden wird, sondern eher radial diver- gierend) drei mit Hallen eingefaßte Straßen auf einen zweiten, den am Fuße des vatikanischen Hügels sich ausbreitenden Haupt- platz. — Schlagen wir nun die von den Straßen handelnden Kapitel Albertis auf: Die zum Haupttempel führenden sollen unter allen die am reichsten geschmückten sein; als Beispiel wird der (in der Zeit Theodosius des Großen angelegte) Portikus genannt, der einst von der Brücke zur Petersbasilika geführt hatte, mit Marmor- säulen und Bleibedachung köstlich ausgestattet; eine derartige Ausschmückung, fügt der Autor hinzu, empfehle sich höchlichst für alle Straßen ähnlicher Bestimmung (VIII, c. 6). Kein Zweifel, daß diese Reminiszenz für die neue Anlage mitbestimmend ge- worden ist. Der Hauptplatz, in den die drei Straßen ausmünden und den rechts der Eingang zum päpstlichen Palast, links die Wohnungen der Geistlichen und Regularen begrenzen, sollte eine Länge von 200, eine Breite von 100 Ellen erhalten. Dies die Angabe Manettis (S. 934). Die Griechen, so lehrt hinwieder der Theoretiker, hätten ihr Fora quadratisch, die alten Italer um ein Drittel länger als breit angelegt; er selbst aber rate zu einer im Vergleich mit der Breite doppelten Länge (VIII, c. 6). Wie man sogleich erkennt, befinden sich also die für den Petersplatz gewählten Proportionen in genauer Übereinstimmung mit einer ganz persönlichen, von dem, was man für die Regel der Alten hielt, abweichenden Ansicht Leon Battistas. Vom Ende des Platzes sodann — so fährt Manetti in seiner Schilderung fort —, wo die Steigung des Terrains beginnt, schreitet man breite Stufen hinan zu einer Plattform; rechts und links Glockentürme, in der Tiefe eine Doppelhalle mit je fünf Portalen, von denen die drei mittleren (wahrscheinlich zu einer engeren Gruppe zusammengefaßt) der von der Engelsbrücke herkom- menden Hauptstraße, die beiden andern den seitlichen entsprechen; auf diese triumphbogenartige Halle folgt ein von Säulengängen eingefaßter Vorhof mit einem Brunnen und endlich die Kirche selbst. Hiermit vergleiche man die Vorschriften des Lehrbuches:

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 173. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/215>, abgerufen am 04.12.2024.