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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance
allerdings ganz wenigen Exemplaren -- ich kenne das Pariser --
von Lascaris' Ausgabe der griechischen Anthologie, Florentiae
per Laurentium Francisci de Alopa 1494. Die nächste Frage ist:
war es Schedels eigener Einfall, des Lascaris Epistel, besser gesagt
in Epistelform eingekleidete Abhandlung, mit der "ars litteraria",
ihrer inhaltlichen Verwandtschaft wegen, zusammenzustellen?
oder hat er die beiden Stücke in dieser Verbindung schon vor-
gefunden? Wer die Unselbständigkeit der ehrlichen Schreiber-
seele an seinen anderen Produkten beobachtet hat, wird eher das
letztere zu glauben geneigt sein; woraus ich jedoch keineswegs
die Annahme ableiten möchte, daß Lascaris nun auch der Verfasser
des zweiten Stückes sei. Ich wage in diesem Punkt vorerst nicht
einmal eine Vermutung. Immerhin ist ein ideeller Zusammenhang
vorhanden. Denn was der Unbekannte lehrt, ist tatsächlich die
praktische Lösung der von Lascaris theoretisch gestellten und be-
gründeten Forderungen. Hören wir zunächst die letzteren. --
"Nachdem die griechischen Studien," sagt Lascaris, "gleich den la-
teinischen aus dem tiefen Schlafe, in dem sie durch lange Zeit be-
fangen waren, nun erwacht seien und man auf ihre Wiedergeburt
zum alten Glanze und Werte vertrauen dürfe, glaube er etwas seinem
Berufe nicht Fremdes begonnen zu haben, indem er, zumal im Hin-
blick auf die neue den wissenschaftlichen Studien so nützliche
Kunst des Buchdruckes, bei sich beschloß, die Form der grie-
chischen Schriftzeichen von den eingeschlichenen überaus häß-
lichen und unwürdigen Verunstaltungen zu befreien. Auch habe
er bemerkt, daß die bisher üblichen krausen und gewundenen Zeichen
sowohl für das Formen als für das Setzen äußerst unbequem seien,
und habe deshalb die Drucker die von ihm selbst sorgfältig erforsch-
ten alten und echten Charaktere nachzubilden angewiesen." So-
dann wendet er sich persönlich an seinen Gönner Piero de' Medici.
Er ruft ihn an, dafür einzutreten, daß alle künftig unter seinem
Schutze zu edierenden Druckwerke in dieser von der alten Bar-
barei gereinigten Gestalt ans Licht treten möchten. Niemand aber
solle sagen dürfen, daß es sich um eine willkürliche Neuerung handle.
Es habe bei den alten Griechen ursprünglich nur eine Schrift ge-
geben; eben derselben hätten sich im Anfang auch die Römer be-

Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance
allerdings ganz wenigen Exemplaren — ich kenne das Pariser —
von Lascaris' Ausgabe der griechischen Anthologie, Florentiae
per Laurentium Francisci de Alopa 1494. Die nächste Frage ist:
war es Schedels eigener Einfall, des Lascaris Epistel, besser gesagt
in Epistelform eingekleidete Abhandlung, mit der »ars litteraria«,
ihrer inhaltlichen Verwandtschaft wegen, zusammenzustellen?
oder hat er die beiden Stücke in dieser Verbindung schon vor-
gefunden? Wer die Unselbständigkeit der ehrlichen Schreiber-
seele an seinen anderen Produkten beobachtet hat, wird eher das
letztere zu glauben geneigt sein; woraus ich jedoch keineswegs
die Annahme ableiten möchte, daß Lascaris nun auch der Verfasser
des zweiten Stückes sei. Ich wage in diesem Punkt vorerst nicht
einmal eine Vermutung. Immerhin ist ein ideeller Zusammenhang
vorhanden. Denn was der Unbekannte lehrt, ist tatsächlich die
praktische Lösung der von Lascaris theoretisch gestellten und be-
gründeten Forderungen. Hören wir zunächst die letzteren. —
»Nachdem die griechischen Studien,« sagt Lascaris, »gleich den la-
teinischen aus dem tiefen Schlafe, in dem sie durch lange Zeit be-
fangen waren, nun erwacht seien und man auf ihre Wiedergeburt
zum alten Glanze und Werte vertrauen dürfe, glaube er etwas seinem
Berufe nicht Fremdes begonnen zu haben, indem er, zumal im Hin-
blick auf die neue den wissenschaftlichen Studien so nützliche
Kunst des Buchdruckes, bei sich beschloß, die Form der grie-
chischen Schriftzeichen von den eingeschlichenen überaus häß-
lichen und unwürdigen Verunstaltungen zu befreien. Auch habe
er bemerkt, daß die bisher üblichen krausen und gewundenen Zeichen
sowohl für das Formen als für das Setzen äußerst unbequem seien,
und habe deshalb die Drucker die von ihm selbst sorgfältig erforsch-
ten alten und echten Charaktere nachzubilden angewiesen.« So-
dann wendet er sich persönlich an seinen Gönner Piero de' Medici.
Er ruft ihn an, dafür einzutreten, daß alle künftig unter seinem
Schutze zu edierenden Druckwerke in dieser von der alten Bar-
barei gereinigten Gestalt ans Licht treten möchten. Niemand aber
solle sagen dürfen, daß es sich um eine willkürliche Neuerung handle.
Es habe bei den alten Griechen ursprünglich nur eine Schrift ge-
geben; eben derselben hätten sich im Anfang auch die Römer be-

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[201/0253] Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance allerdings ganz wenigen Exemplaren — ich kenne das Pariser — von Lascaris' Ausgabe der griechischen Anthologie, Florentiae per Laurentium Francisci de Alopa 1494. Die nächste Frage ist: war es Schedels eigener Einfall, des Lascaris Epistel, besser gesagt in Epistelform eingekleidete Abhandlung, mit der »ars litteraria«, ihrer inhaltlichen Verwandtschaft wegen, zusammenzustellen? oder hat er die beiden Stücke in dieser Verbindung schon vor- gefunden? Wer die Unselbständigkeit der ehrlichen Schreiber- seele an seinen anderen Produkten beobachtet hat, wird eher das letztere zu glauben geneigt sein; woraus ich jedoch keineswegs die Annahme ableiten möchte, daß Lascaris nun auch der Verfasser des zweiten Stückes sei. Ich wage in diesem Punkt vorerst nicht einmal eine Vermutung. Immerhin ist ein ideeller Zusammenhang vorhanden. Denn was der Unbekannte lehrt, ist tatsächlich die praktische Lösung der von Lascaris theoretisch gestellten und be- gründeten Forderungen. Hören wir zunächst die letzteren. — »Nachdem die griechischen Studien,« sagt Lascaris, »gleich den la- teinischen aus dem tiefen Schlafe, in dem sie durch lange Zeit be- fangen waren, nun erwacht seien und man auf ihre Wiedergeburt zum alten Glanze und Werte vertrauen dürfe, glaube er etwas seinem Berufe nicht Fremdes begonnen zu haben, indem er, zumal im Hin- blick auf die neue den wissenschaftlichen Studien so nützliche Kunst des Buchdruckes, bei sich beschloß, die Form der grie- chischen Schriftzeichen von den eingeschlichenen überaus häß- lichen und unwürdigen Verunstaltungen zu befreien. Auch habe er bemerkt, daß die bisher üblichen krausen und gewundenen Zeichen sowohl für das Formen als für das Setzen äußerst unbequem seien, und habe deshalb die Drucker die von ihm selbst sorgfältig erforsch- ten alten und echten Charaktere nachzubilden angewiesen.« So- dann wendet er sich persönlich an seinen Gönner Piero de' Medici. Er ruft ihn an, dafür einzutreten, daß alle künftig unter seinem Schutze zu edierenden Druckwerke in dieser von der alten Bar- barei gereinigten Gestalt ans Licht treten möchten. Niemand aber solle sagen dürfen, daß es sich um eine willkürliche Neuerung handle. Es habe bei den alten Griechen ursprünglich nur eine Schrift ge- geben; eben derselben hätten sich im Anfang auch die Römer be-

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/253>, abgerufen am 24.11.2024.