Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance
ein zehenteyl von der fierung seiten lang, und den dünneren zug
mach eyns driteyls breyt von dem breyten, das merk durch alle
Bustaben durch das gantz abc." Nachdem er das Alphabet nach
dieser Regel in großer Ausführlichkeit (auf 16 Seiten in Folio)
durchgearbeitet hat, bemerkt er, man könne die Buchstaben auch
von neun Teilen der Vierung machen, und solches besser zu ver-
stehen, habe er danach die Buchstaben noch einmal aufgerissen:
es folgen demgemäß die Figuren, doch keine Erläuterung mehr.
Betrachten wir daraufhin weiter Felicianus und Pacioli, so fehlen
bei diesen die einleitenden allgemeinen Grundsätze: sie geben ihr
Rezept für jede Letter einzeln, und zwar konstruiert Felicianus
immer aus (also übereinstimmend mit dem Anonymus), da-
gegen Pacioli, um sich einen Schein von Selbständigkeit zu geben,
aus , jedoch ohne für diese Wahl einen Grund anzugeben. Wir
werden später sehen, daß diese Nichtberücksichtigung der Dezimal-
teilung bei den Fachgenossen Tadel fand. -- Um das oben statuierte
Verhältnis von Quelle und Ableitung anschaulicher zu machen,
will ich Proben der vier Fassungen nebeneinander stellen und wähle
dafür, wegen seiner verhältnismäßig einfach behandelten Kon-
struktion, den Buchstaben C.

[Spaltenumbruch]

Anon. Schedel:

Hujus litterae figura sic deduci
potest. Formato quadro factaque
cruce ab angularibus lineis deducitur
alia linea per centrum, duorum sti-
pitum spatio ab angulis. In qua
ab utroque latere centri duo fi-
genda sunt puncta. Ex quibus
litterae ventriculus formatur: qui
crassitudinis majoris stipitis tumet.
Cetera autem rotunditas ab utroque
latere ventriculi paulatim minuitur
ad tertiam usque partem majoris
stipitis. Cornua autem sive capita
hujus elementi terminantur prope
lineam perpendicularem quadri a
dextera, spatio majoris stipitis. Cum
autem hujus figurae rotunditas ex
[Spaltenumbruch] uno centro circumduci non possit,
frequenter mutandum est centrum.
Ita tamen quod terciam stipitis par-
tem non excedat. Quemadmodum
in figura subscripta cernere licet.

NB. Die erläuternden Buchstaben
sind am Schedelschen Original nicht
vorhanden, sondern von mir ein-
gesetzt.

[Abbildung] Anon. Schedel:
[Abbildung]
[Abbildung] Felicianus:
[Abbildung]

Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance
ein zehenteyl von der fierung seiten lang, und den dünneren zug
mach eyns driteyls breyt von dem breyten, das merk durch alle
Bustaben durch das gantz abc.« Nachdem er das Alphabet nach
dieser Regel in großer Ausführlichkeit (auf 16 Seiten in Folio)
durchgearbeitet hat, bemerkt er, man könne die Buchstaben auch
von neun Teilen der Vierung machen, und solches besser zu ver-
stehen, habe er danach die Buchstaben noch einmal aufgerissen:
es folgen demgemäß die Figuren, doch keine Erläuterung mehr.
Betrachten wir daraufhin weiter Felicianus und Pacioli, so fehlen
bei diesen die einleitenden allgemeinen Grundsätze: sie geben ihr
Rezept für jede Letter einzeln, und zwar konstruiert Felicianus
immer aus ⅒ (also übereinstimmend mit dem Anonymus), da-
gegen Pacioli, um sich einen Schein von Selbständigkeit zu geben,
aus ⅑, jedoch ohne für diese Wahl einen Grund anzugeben. Wir
werden später sehen, daß diese Nichtberücksichtigung der Dezimal-
teilung bei den Fachgenossen Tadel fand. — Um das oben statuierte
Verhältnis von Quelle und Ableitung anschaulicher zu machen,
will ich Proben der vier Fassungen nebeneinander stellen und wähle
dafür, wegen seiner verhältnismäßig einfach behandelten Kon-
struktion, den Buchstaben C.

[Spaltenumbruch]

Anon. Schedel:

Hujus litterae figura sic deduci
potest. Formato quadro factaque
cruce ab angularibus lineis deducitur
alia linea per centrum, duorum sti-
pitum spatio ab angulis. In qua
ab utroque latere centri duo fi-
genda sunt puncta. Ex quibus
litterae ventriculus formatur: qui
crassitudinis majoris stipitis tumet.
Cetera autem rotunditas ab utroque
latere ventriculi paulatim minuitur
ad tertiam usque partem majoris
stipitis. Cornua autem sive capita
hujus elementi terminantur prope
lineam perpendicularem quadri a
dextera, spatio majoris stipitis. Cum
autem hujus figurae rotunditas ex
[Spaltenumbruch] uno centro circumduci non possit,
frequenter mutandum est centrum.
Ita tamen quod terciam stipitis par-
tem non excedat. Quemadmodum
in figura subscripta cernere licet.

NB. Die erläuternden Buchstaben
sind am Schedelschen Original nicht
vorhanden, sondern von mir ein-
gesetzt.

[Abbildung] Anon. Schedel:
[Abbildung]
[Abbildung] Felicianus:
[Abbildung]
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0256" n="204"/><fw place="top" type="header">Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance</fw><lb/>
ein zehenteyl von der fierung seiten lang, und den dünneren zug<lb/>
mach eyns driteyls breyt von dem breyten, das merk durch alle<lb/>
Bustaben durch das gantz abc.« Nachdem er das Alphabet nach<lb/>
dieser Regel in großer Ausführlichkeit (auf 16 Seiten in Folio)<lb/>
durchgearbeitet hat, bemerkt er, man könne die Buchstaben auch<lb/>
von neun Teilen der Vierung machen, und solches besser zu ver-<lb/>
stehen, habe er danach die Buchstaben noch einmal aufgerissen:<lb/>
es folgen demgemäß die Figuren, doch keine Erläuterung mehr.<lb/>
Betrachten wir daraufhin weiter Felicianus und Pacioli, so fehlen<lb/>
bei diesen die einleitenden allgemeinen Grundsätze: sie geben ihr<lb/>
Rezept für jede Letter einzeln, und zwar konstruiert Felicianus<lb/>
immer aus &#x2152; (also übereinstimmend mit dem Anonymus), da-<lb/>
gegen Pacioli, um sich einen Schein von Selbständigkeit zu geben,<lb/>
aus &#x2151;, jedoch ohne für diese Wahl einen Grund anzugeben. Wir<lb/>
werden später sehen, daß diese Nichtberücksichtigung der Dezimal-<lb/>
teilung bei den Fachgenossen Tadel fand. &#x2014; Um das oben statuierte<lb/>
Verhältnis von Quelle und Ableitung anschaulicher zu machen,<lb/>
will ich Proben der vier Fassungen nebeneinander stellen und wähle<lb/>
dafür, wegen seiner verhältnismäßig einfach behandelten Kon-<lb/>
struktion, den Buchstaben C.</p><lb/>
        <cb/>
        <p> <hi rendition="#c"> <hi rendition="#g">Anon. Schedel:</hi> </hi> </p><lb/>
        <p>Hujus litterae figura sic deduci<lb/>
potest. Formato quadro factaque<lb/>
cruce ab angularibus lineis deducitur<lb/>
alia linea per centrum, duorum sti-<lb/>
pitum spatio ab angulis. In qua<lb/>
ab utroque latere centri duo fi-<lb/>
genda sunt puncta. Ex quibus<lb/>
litterae ventriculus formatur: qui<lb/>
crassitudinis majoris stipitis tumet.<lb/>
Cetera autem rotunditas ab utroque<lb/>
latere ventriculi paulatim minuitur<lb/>
ad tertiam usque partem majoris<lb/>
stipitis. Cornua autem sive capita<lb/>
hujus elementi terminantur prope<lb/>
lineam perpendicularem quadri a<lb/>
dextera, spatio majoris stipitis. Cum<lb/>
autem hujus figurae rotunditas ex<lb/><cb/>
uno centro circumduci non possit,<lb/>
frequenter mutandum est centrum.<lb/>
Ita tamen quod terciam stipitis par-<lb/>
tem non excedat. Quemadmodum<lb/>
in figura subscripta cernere licet.</p><lb/>
        <p>NB. Die erläuternden Buchstaben<lb/>
sind am Schedelschen Original nicht<lb/>
vorhanden, sondern von mir ein-<lb/>
gesetzt.</p><lb/>
        <figure>
          <head> <hi rendition="#g">Anon. Schedel:</hi> </head>
        </figure><lb/>
        <figure/>
        <figure>
          <head> <hi rendition="#g">Felicianus:</hi> </head>
        </figure><lb/>
        <figure/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[204/0256] Zur Geschichte der Buchstaben-Reform in der Renaissance ein zehenteyl von der fierung seiten lang, und den dünneren zug mach eyns driteyls breyt von dem breyten, das merk durch alle Bustaben durch das gantz abc.« Nachdem er das Alphabet nach dieser Regel in großer Ausführlichkeit (auf 16 Seiten in Folio) durchgearbeitet hat, bemerkt er, man könne die Buchstaben auch von neun Teilen der Vierung machen, und solches besser zu ver- stehen, habe er danach die Buchstaben noch einmal aufgerissen: es folgen demgemäß die Figuren, doch keine Erläuterung mehr. Betrachten wir daraufhin weiter Felicianus und Pacioli, so fehlen bei diesen die einleitenden allgemeinen Grundsätze: sie geben ihr Rezept für jede Letter einzeln, und zwar konstruiert Felicianus immer aus ⅒ (also übereinstimmend mit dem Anonymus), da- gegen Pacioli, um sich einen Schein von Selbständigkeit zu geben, aus ⅑, jedoch ohne für diese Wahl einen Grund anzugeben. Wir werden später sehen, daß diese Nichtberücksichtigung der Dezimal- teilung bei den Fachgenossen Tadel fand. — Um das oben statuierte Verhältnis von Quelle und Ableitung anschaulicher zu machen, will ich Proben der vier Fassungen nebeneinander stellen und wähle dafür, wegen seiner verhältnismäßig einfach behandelten Kon- struktion, den Buchstaben C. Anon. Schedel: Hujus litterae figura sic deduci potest. Formato quadro factaque cruce ab angularibus lineis deducitur alia linea per centrum, duorum sti- pitum spatio ab angulis. In qua ab utroque latere centri duo fi- genda sunt puncta. Ex quibus litterae ventriculus formatur: qui crassitudinis majoris stipitis tumet. Cetera autem rotunditas ab utroque latere ventriculi paulatim minuitur ad tertiam usque partem majoris stipitis. Cornua autem sive capita hujus elementi terminantur prope lineam perpendicularem quadri a dextera, spatio majoris stipitis. Cum autem hujus figurae rotunditas ex uno centro circumduci non possit, frequenter mutandum est centrum. Ita tamen quod terciam stipitis par- tem non excedat. Quemadmodum in figura subscripta cernere licet. NB. Die erläuternden Buchstaben sind am Schedelschen Original nicht vorhanden, sondern von mir ein- gesetzt. [Abbildung Anon. Schedel:] [Abbildung] [Abbildung Felicianus:] [Abbildung]

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Schulz, Dienstleister (Muttersprachler): Bereitstellung der Texttranskription nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2012-02-21T10:17:23Z)
University of Toronto, Robarts Library of Humanities & Social Sciences: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-02-21T10:17:23Z)
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Akademiebibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate für die Seiten 122 und 123 (2012-02-21T10:17:23Z)

Weitere Informationen:

  • Nach den Richtlinien des Deutschen Textarchivs (DTA) transkribiert und ausgezeichnet.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/256
Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/256>, abgerufen am 24.11.2024.