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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Die Kunst des Mittelalters
gotischen Stils: aber es wurden keine weiteren Folgerungen daraus
gezogen. Das Äußere ist Backsteinrohbau, sehr massig, in den
Gliederungsmotiven unorganisch. Aus der lombardischen Archi-
tektur spricht trotzige, schwere Größe, sehr selten Anmut. Man hat
ihre Hauptwerke -- aus dem 12. Jahrhundert -- lange für weit
älter gehalten als sie sind.

Im Vergleich mit Frankreich und Italien zeigt Deutsch-
land
im romanischen Stil ein einheitliches Bild; ein einheit-
licheres als nachmals im gotischen; die Entwicklung der beiden
Länder bewegte sich in dieser Hinsicht entgegengesetzt. Und
die deutsche Baukunst hatte, um nicht in primitiver Roheit
stecken zu bleiben, die Einheit auch viel nötiger. Ein doch nicht
ganz geringes Verdienst um sie möchten wir den Königen zu-
schreiben, teils durch die zahlreichen bedeutenden Kirchenbauten,
die sie unmittelbar beförderten, vielleicht noch mehr durch ihre
engen Beziehungen zur hohen Geistlichkeit. Großenteils aus dem
Hofklerus gingen die Bischöfe, das will sagen, die großen Bauherren,
hervor; im Dienste des Königs waren sie weit gereist, hatten sie
viel gesehen; auf der damaligen Entwicklungsstufe konnte der
wandernde Hof mehr für die Zirkulation der künstlerischen Ge-
danken und Kräfte tun, als es einer festen Hauptstadt möglich
gewesen wäre. Die größten Bauunternehmungen liegen in der
Zeit vor dem Investiturstreit; was in Mainz, Worms, Speyer,
Straßburg, Limburg, Hersfeld, Würzburg, Bamberg, Regensburg,
Magdeburg, Hildesheim, Bremen damals geschah, durchweg
durch Männer, die zum Hofe in naher Verbindung standen, ist in
der Größe der Intention im 12. Jahrhundert nicht wieder erreicht
worden. Einen gewissen Erfolg in anderer Form brachte die mit
Cluny zusammenhängende Hirsauer Schule, die vor allem für
Süddeutschland wichtig wurde, aber auch bis nach Thüringen
und Sachsen ihren Einfluß erstreckte. Im ganzen liegt doch die
beste Kraft des deutschen Bauwesens im sächsischen und frän-
kischen Stamm. Gegen das Ausland ist Deutschland in dieser
Zeit abgeschlossen, die Verbindung mit dem Westfrankenreich war
abgebrochen; mehr, doch auch nicht tiefgreifende Beziehungen
bestanden zu Italien. Die lombardischen Wanderarbeiter waren als

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Die Kunst des Mittelalters
gotischen Stils: aber es wurden keine weiteren Folgerungen daraus
gezogen. Das Äußere ist Backsteinrohbau, sehr massig, in den
Gliederungsmotiven unorganisch. Aus der lombardischen Archi-
tektur spricht trotzige, schwere Größe, sehr selten Anmut. Man hat
ihre Hauptwerke — aus dem 12. Jahrhundert — lange für weit
älter gehalten als sie sind.

Im Vergleich mit Frankreich und Italien zeigt Deutsch-
land
im romanischen Stil ein einheitliches Bild; ein einheit-
licheres als nachmals im gotischen; die Entwicklung der beiden
Länder bewegte sich in dieser Hinsicht entgegengesetzt. Und
die deutsche Baukunst hatte, um nicht in primitiver Roheit
stecken zu bleiben, die Einheit auch viel nötiger. Ein doch nicht
ganz geringes Verdienst um sie möchten wir den Königen zu-
schreiben, teils durch die zahlreichen bedeutenden Kirchenbauten,
die sie unmittelbar beförderten, vielleicht noch mehr durch ihre
engen Beziehungen zur hohen Geistlichkeit. Großenteils aus dem
Hofklerus gingen die Bischöfe, das will sagen, die großen Bauherren,
hervor; im Dienste des Königs waren sie weit gereist, hatten sie
viel gesehen; auf der damaligen Entwicklungsstufe konnte der
wandernde Hof mehr für die Zirkulation der künstlerischen Ge-
danken und Kräfte tun, als es einer festen Hauptstadt möglich
gewesen wäre. Die größten Bauunternehmungen liegen in der
Zeit vor dem Investiturstreit; was in Mainz, Worms, Speyer,
Straßburg, Limburg, Hersfeld, Würzburg, Bamberg, Regensburg,
Magdeburg, Hildesheim, Bremen damals geschah, durchweg
durch Männer, die zum Hofe in naher Verbindung standen, ist in
der Größe der Intention im 12. Jahrhundert nicht wieder erreicht
worden. Einen gewissen Erfolg in anderer Form brachte die mit
Cluny zusammenhängende Hirsauer Schule, die vor allem für
Süddeutschland wichtig wurde, aber auch bis nach Thüringen
und Sachsen ihren Einfluß erstreckte. Im ganzen liegt doch die
beste Kraft des deutschen Bauwesens im sächsischen und frän-
kischen Stamm. Gegen das Ausland ist Deutschland in dieser
Zeit abgeschlossen, die Verbindung mit dem Westfrankenreich war
abgebrochen; mehr, doch auch nicht tiefgreifende Beziehungen
bestanden zu Italien. Die lombardischen Wanderarbeiter waren als

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[19/0033] Die Kunst des Mittelalters gotischen Stils: aber es wurden keine weiteren Folgerungen daraus gezogen. Das Äußere ist Backsteinrohbau, sehr massig, in den Gliederungsmotiven unorganisch. Aus der lombardischen Archi- tektur spricht trotzige, schwere Größe, sehr selten Anmut. Man hat ihre Hauptwerke — aus dem 12. Jahrhundert — lange für weit älter gehalten als sie sind. Im Vergleich mit Frankreich und Italien zeigt Deutsch- land im romanischen Stil ein einheitliches Bild; ein einheit- licheres als nachmals im gotischen; die Entwicklung der beiden Länder bewegte sich in dieser Hinsicht entgegengesetzt. Und die deutsche Baukunst hatte, um nicht in primitiver Roheit stecken zu bleiben, die Einheit auch viel nötiger. Ein doch nicht ganz geringes Verdienst um sie möchten wir den Königen zu- schreiben, teils durch die zahlreichen bedeutenden Kirchenbauten, die sie unmittelbar beförderten, vielleicht noch mehr durch ihre engen Beziehungen zur hohen Geistlichkeit. Großenteils aus dem Hofklerus gingen die Bischöfe, das will sagen, die großen Bauherren, hervor; im Dienste des Königs waren sie weit gereist, hatten sie viel gesehen; auf der damaligen Entwicklungsstufe konnte der wandernde Hof mehr für die Zirkulation der künstlerischen Ge- danken und Kräfte tun, als es einer festen Hauptstadt möglich gewesen wäre. Die größten Bauunternehmungen liegen in der Zeit vor dem Investiturstreit; was in Mainz, Worms, Speyer, Straßburg, Limburg, Hersfeld, Würzburg, Bamberg, Regensburg, Magdeburg, Hildesheim, Bremen damals geschah, durchweg durch Männer, die zum Hofe in naher Verbindung standen, ist in der Größe der Intention im 12. Jahrhundert nicht wieder erreicht worden. Einen gewissen Erfolg in anderer Form brachte die mit Cluny zusammenhängende Hirsauer Schule, die vor allem für Süddeutschland wichtig wurde, aber auch bis nach Thüringen und Sachsen ihren Einfluß erstreckte. Im ganzen liegt doch die beste Kraft des deutschen Bauwesens im sächsischen und frän- kischen Stamm. Gegen das Ausland ist Deutschland in dieser Zeit abgeschlossen, die Verbindung mit dem Westfrankenreich war abgebrochen; mehr, doch auch nicht tiefgreifende Beziehungen bestanden zu Italien. Die lombardischen Wanderarbeiter waren als 2*

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/33>, abgerufen am 03.12.2024.