Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.Denkmalschutz und Denkmalpflege Die angelsächsische Rasse ist diejenige, die am wenigsten Kunstgeschaffen hat: jetzt erweist sie den ärmeren, aber geistreicheren Völkern die Ehre einer Ausplünderung, die, seitdem Amerika mittut, für den Kunstbestand des historischen Europas eine schwere Ge- fahr bedeutet. Ich habe zuletzt nur von der Klasse der beweglichen Denk- Genug! Von dem Augenblicke an, wo ein ernstlicher Wille Wie weit ist nun der Staat solchen Forderungen entgegenge- Eine Zeitlang schien es, als wolle Deutschland mit der Ver- Der Ruhm der ersten gelungenen Initiative, der ersten plan- Denkmalschutz und Denkmalpflege Die angelsächsische Rasse ist diejenige, die am wenigsten Kunstgeschaffen hat: jetzt erweist sie den ärmeren, aber geistreicheren Völkern die Ehre einer Ausplünderung, die, seitdem Amerika mittut, für den Kunstbestand des historischen Europas eine schwere Ge- fahr bedeutet. Ich habe zuletzt nur von der Klasse der beweglichen Denk- Genug! Von dem Augenblicke an, wo ein ernstlicher Wille Wie weit ist nun der Staat solchen Forderungen entgegenge- Eine Zeitlang schien es, als wolle Deutschland mit der Ver- Der Ruhm der ersten gelungenen Initiative, der ersten plan- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0332" n="270"/><fw place="top" type="header">Denkmalschutz und Denkmalpflege</fw><lb/> Die angelsächsische Rasse ist diejenige, die am wenigsten Kunst<lb/> geschaffen hat: jetzt erweist sie den ärmeren, aber geistreicheren<lb/> Völkern die Ehre einer Ausplünderung, die, seitdem Amerika mittut,<lb/> für den Kunstbestand des historischen Europas eine schwere Ge-<lb/> fahr bedeutet.</p><lb/> <p>Ich habe zuletzt nur von der Klasse der beweglichen Denk-<lb/> mäler gesprochen. Eigentlich einen noch schwereren Stand haben<lb/> die unbeweglichen. Der Strom des modernen Wirtschafslebens<lb/> sieht in ihnen nur Hindernisse; er unterspült sie, verschlingt ein<lb/> Stück nach dem andern von Tag zu Tag.</p><lb/> <p>Genug! Von dem Augenblicke an, wo ein ernstlicher Wille<lb/> zum Denkmalschutz da war, mußte man auch darüber sich klar<lb/> werden: er sei nicht durchführbar ohne Beschränkung des Privat-<lb/> eigentums, ohne Beschränkung der Interessen des Verkehrs, der<lb/> Arbeit, der individuellen Nützlichkeitsmotive überhaupt. Das ist<lb/> es, weshalb ich ihn sozialistisch nannte.</p><lb/> <p>Wie weit ist nun der Staat solchen Forderungen entgegenge-<lb/> kommen? Ich werde hierüber im Rahmen meines heutigen Vor-<lb/> trages sehr kurz sein müssen.</p><lb/> <p>Eine Zeitlang schien es, als wolle Deutschland mit der Ver-<lb/> wirklichung sich an die Spitze stellen. In den schönen, ideen-<lb/> reichen Jahren der Befreiungskriege tauchten, zuerst in Preußen,<lb/> weitgehende Pläne auf; Sulpiz Boisserée und Karl Friedrich<lb/> Schinkel sind hier an erster Stelle zu nennen, beide Schüler der<lb/> Romantik; auch Goethe warf sein Wort und seinen Namen in die<lb/> Wagschale. Bald aber wurde es wieder still. Und ich kann das<lb/> nicht unbedingt bedauern. Gerade Schinkel, den ich als Künstler<lb/> noch immer höher bewundere als es heute im allgemeinen üblich<lb/> ist, er, der den Ausbau der Akropolis von Athen zum Königspalast<lb/> unter seine Lieblingsgedanken zählte, wäre, eben weil er so sehr<lb/> Künstler war, ein gefährlicher Denkmalspfleger geworden.</p><lb/> <p>Der Ruhm der ersten gelungenen Initiative, der ersten plan-<lb/> mäßigen Ordnung des Denkmalschutzes durch den Staat, gehört<lb/> Frankreich. Den Anstoß gab auch hier die romantische Schule.<lb/> Zwei ihrer Häupter, Viktor Hugo vom linken, Graf Montalembert<lb/> vom rechten Flügel, eröffneten den Kampf. Ihre Forderungen<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [270/0332]
Denkmalschutz und Denkmalpflege
Die angelsächsische Rasse ist diejenige, die am wenigsten Kunst
geschaffen hat: jetzt erweist sie den ärmeren, aber geistreicheren
Völkern die Ehre einer Ausplünderung, die, seitdem Amerika mittut,
für den Kunstbestand des historischen Europas eine schwere Ge-
fahr bedeutet.
Ich habe zuletzt nur von der Klasse der beweglichen Denk-
mäler gesprochen. Eigentlich einen noch schwereren Stand haben
die unbeweglichen. Der Strom des modernen Wirtschafslebens
sieht in ihnen nur Hindernisse; er unterspült sie, verschlingt ein
Stück nach dem andern von Tag zu Tag.
Genug! Von dem Augenblicke an, wo ein ernstlicher Wille
zum Denkmalschutz da war, mußte man auch darüber sich klar
werden: er sei nicht durchführbar ohne Beschränkung des Privat-
eigentums, ohne Beschränkung der Interessen des Verkehrs, der
Arbeit, der individuellen Nützlichkeitsmotive überhaupt. Das ist
es, weshalb ich ihn sozialistisch nannte.
Wie weit ist nun der Staat solchen Forderungen entgegenge-
kommen? Ich werde hierüber im Rahmen meines heutigen Vor-
trages sehr kurz sein müssen.
Eine Zeitlang schien es, als wolle Deutschland mit der Ver-
wirklichung sich an die Spitze stellen. In den schönen, ideen-
reichen Jahren der Befreiungskriege tauchten, zuerst in Preußen,
weitgehende Pläne auf; Sulpiz Boisserée und Karl Friedrich
Schinkel sind hier an erster Stelle zu nennen, beide Schüler der
Romantik; auch Goethe warf sein Wort und seinen Namen in die
Wagschale. Bald aber wurde es wieder still. Und ich kann das
nicht unbedingt bedauern. Gerade Schinkel, den ich als Künstler
noch immer höher bewundere als es heute im allgemeinen üblich
ist, er, der den Ausbau der Akropolis von Athen zum Königspalast
unter seine Lieblingsgedanken zählte, wäre, eben weil er so sehr
Künstler war, ein gefährlicher Denkmalspfleger geworden.
Der Ruhm der ersten gelungenen Initiative, der ersten plan-
mäßigen Ordnung des Denkmalschutzes durch den Staat, gehört
Frankreich. Den Anstoß gab auch hier die romantische Schule.
Zwei ihrer Häupter, Viktor Hugo vom linken, Graf Montalembert
vom rechten Flügel, eröffneten den Kampf. Ihre Forderungen
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