tum Hessen 1902 und bis jetzt auch noch allein. Doch wird Preußen in kurzer Frist folgen.
Gestatten Sie mir einige nähere Mitteilungen über das hessische Gesetz. Verfaßt von einem denkmalsfreundlichen Juristen und an- genommen von einer wohlwollenden Kammer, stellt es wohl das Maximum dessen dar, was heute erreicht werden kann. Von juri- stischer Seite hat es schon den Vorwurf erfahren, daß es zu weit gehe. Mir erscheint es so schonend, als mit dem gewollten Zweck irgend zu vereinigen ist. Das Gesetz hat sich gleich darin eine große Zurückhaltung auferlegt, daß es die weite Klasse der beweg- lichen Gegenstände in Privatbesitz -- andere Länder, z. B. Italien, halten gerade deren Schutz für besonders dringlich -- außer Be- tracht läßt. Bewegliche Denkmäler (zu denen sehr zweckmäßig auch Urkunden gerechnet werden) sind also nur geschützt, insofern sie Eigentum des Staates, der Kirche und der Gemeinden sind. Dagegen schützt das Gesetz die Baudenkmäler in vollem Umfange, auch die in Privatbesitz. Für jede an diesen beabsichtigte Ver- änderung besteht Anzeigepflicht und wird nötigenfalls Entschädi- gung oder Enteignung in Aussicht genommen. Beaufsichtigt werden die Denkmäler durch einen oder mehrere vom Staate bestellte Denk- malpfleger. In wichtigeren Fällen aber soll ein Denkmalrat hin- zugezogen werden, bestehend aus je einem Vertreter der evan- gelischen und katholischen Kirche, mindestens zwei Mitgliedern hessischer Altertums- und Geschichtsvereine und zwei hessischen Denkmalsbesitzern. Endlich soll außer dem Denkmal selbst auch seine Umgebung geschützt werden. Die Aufnahme dieser Bestim- mung ist besonders dankbar zu begrüßen. Man kann Bauwerke nicht isolieren, sie sind nicht Museumsstücke. Es kann ein Denkmal auch indirekt zerstört werden: durch Mißklänge in seiner Um- gebung. Ein modernes Warenhaus auf den Marktplatz einer alten Stadt gestellt, oder ein grell aufdringliches Reklameschild auf einem alten Hause genügt, dies trauliche und charaktervolle Bild in ein abstoßendes zu verwandeln. Für Forderungen der Gesundheits- polizei haben wir ein offenes Ohr bekommen; daß es auch eine Hygiene für unsere seelische Hälfte geben sollte, hat man nicht wissen wollen. Mit lebhafter Freude ist es zu begrüßen, daß seit
Denkmalschutz und Denkmalpflege
tum Hessen 1902 und bis jetzt auch noch allein. Doch wird Preußen in kurzer Frist folgen.
Gestatten Sie mir einige nähere Mitteilungen über das hessische Gesetz. Verfaßt von einem denkmalsfreundlichen Juristen und an- genommen von einer wohlwollenden Kammer, stellt es wohl das Maximum dessen dar, was heute erreicht werden kann. Von juri- stischer Seite hat es schon den Vorwurf erfahren, daß es zu weit gehe. Mir erscheint es so schonend, als mit dem gewollten Zweck irgend zu vereinigen ist. Das Gesetz hat sich gleich darin eine große Zurückhaltung auferlegt, daß es die weite Klasse der beweg- lichen Gegenstände in Privatbesitz — andere Länder, z. B. Italien, halten gerade deren Schutz für besonders dringlich — außer Be- tracht läßt. Bewegliche Denkmäler (zu denen sehr zweckmäßig auch Urkunden gerechnet werden) sind also nur geschützt, insofern sie Eigentum des Staates, der Kirche und der Gemeinden sind. Dagegen schützt das Gesetz die Baudenkmäler in vollem Umfange, auch die in Privatbesitz. Für jede an diesen beabsichtigte Ver- änderung besteht Anzeigepflicht und wird nötigenfalls Entschädi- gung oder Enteignung in Aussicht genommen. Beaufsichtigt werden die Denkmäler durch einen oder mehrere vom Staate bestellte Denk- malpfleger. In wichtigeren Fällen aber soll ein Denkmalrat hin- zugezogen werden, bestehend aus je einem Vertreter der evan- gelischen und katholischen Kirche, mindestens zwei Mitgliedern hessischer Altertums- und Geschichtsvereine und zwei hessischen Denkmalsbesitzern. Endlich soll außer dem Denkmal selbst auch seine Umgebung geschützt werden. Die Aufnahme dieser Bestim- mung ist besonders dankbar zu begrüßen. Man kann Bauwerke nicht isolieren, sie sind nicht Museumsstücke. Es kann ein Denkmal auch indirekt zerstört werden: durch Mißklänge in seiner Um- gebung. Ein modernes Warenhaus auf den Marktplatz einer alten Stadt gestellt, oder ein grell aufdringliches Reklameschild auf einem alten Hause genügt, dies trauliche und charaktervolle Bild in ein abstoßendes zu verwandeln. Für Forderungen der Gesundheits- polizei haben wir ein offenes Ohr bekommen; daß es auch eine Hygiene für unsere seelische Hälfte geben sollte, hat man nicht wissen wollen. Mit lebhafter Freude ist es zu begrüßen, daß seit
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Denkmalschutz und Denkmalpflege
tum Hessen 1902 und bis jetzt auch noch allein. Doch wird Preußen
in kurzer Frist folgen.
Gestatten Sie mir einige nähere Mitteilungen über das hessische
Gesetz. Verfaßt von einem denkmalsfreundlichen Juristen und an-
genommen von einer wohlwollenden Kammer, stellt es wohl das
Maximum dessen dar, was heute erreicht werden kann. Von juri-
stischer Seite hat es schon den Vorwurf erfahren, daß es zu weit
gehe. Mir erscheint es so schonend, als mit dem gewollten Zweck
irgend zu vereinigen ist. Das Gesetz hat sich gleich darin eine
große Zurückhaltung auferlegt, daß es die weite Klasse der beweg-
lichen Gegenstände in Privatbesitz — andere Länder, z. B. Italien,
halten gerade deren Schutz für besonders dringlich — außer Be-
tracht läßt. Bewegliche Denkmäler (zu denen sehr zweckmäßig
auch Urkunden gerechnet werden) sind also nur geschützt, insofern
sie Eigentum des Staates, der Kirche und der Gemeinden sind.
Dagegen schützt das Gesetz die Baudenkmäler in vollem Umfange,
auch die in Privatbesitz. Für jede an diesen beabsichtigte Ver-
änderung besteht Anzeigepflicht und wird nötigenfalls Entschädi-
gung oder Enteignung in Aussicht genommen. Beaufsichtigt werden
die Denkmäler durch einen oder mehrere vom Staate bestellte Denk-
malpfleger. In wichtigeren Fällen aber soll ein Denkmalrat hin-
zugezogen werden, bestehend aus je einem Vertreter der evan-
gelischen und katholischen Kirche, mindestens zwei Mitgliedern
hessischer Altertums- und Geschichtsvereine und zwei hessischen
Denkmalsbesitzern. Endlich soll außer dem Denkmal selbst auch
seine Umgebung geschützt werden. Die Aufnahme dieser Bestim-
mung ist besonders dankbar zu begrüßen. Man kann Bauwerke
nicht isolieren, sie sind nicht Museumsstücke. Es kann ein Denkmal
auch indirekt zerstört werden: durch Mißklänge in seiner Um-
gebung. Ein modernes Warenhaus auf den Marktplatz einer alten
Stadt gestellt, oder ein grell aufdringliches Reklameschild auf einem
alten Hause genügt, dies trauliche und charaktervolle Bild in ein
abstoßendes zu verwandeln. Für Forderungen der Gesundheits-
polizei haben wir ein offenes Ohr bekommen; daß es auch eine
Hygiene für unsere seelische Hälfte geben sollte, hat man nicht
wissen wollen. Mit lebhafter Freude ist es zu begrüßen, daß seit
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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/334>, abgerufen am 24.11.2024.
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