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Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914.

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Denkmalschutz und Denkmalpflege
gangen, kehrt nicht wieder". Nichts ist berechtigter gewiß als
Trauer und Zorn über ein entstelltes, zerstörtes Kunstwerk; aber
wir stehen hier einer Tatsache gegenüber, die wir hinnehmen
müssen, wie die Tatsache von Alter und Tod überhaupt; in Täu-
schungen Trost suchen wollen wir nicht. Mitten unter die ehrliche
Wirklichkeit Masken und Gespenster sich mischen sehen, erfüllt
mit Grauen. Sollen wir uns dazu die Beschränkungen und Opfer
auferlegen, die die Denkmalpflege fordert, damit wir Denkmäler
erhalten, an die wir selbst nicht glauben? etwas wie eine unechte
Ahnengalerie?

Die Vertreter der Kunstwissenschaft sind heute darin einig,
das Restaurieren grundsätzlich zu verwerfen. Es wird damit keines-
wegs gesagt, der Weisheit letzter Schluß sei, die Hände in den
Schoß legen und der fortschreitenden Auflösung mit fatalistischer
Ergebung zusehen. Unsere Losung lautet: allerdings nicht restau-
rieren -- wohl aber konservieren. Nach dieser Zweckunterscheidung
ist jede einzelne Maßregel zu beurteilen. Man konserviere, solange
es irgend geht, und erst in letzter Not frage man sich, ob man
restaurieren will. Man bereite beizeiten alles auf diese Möglichkeit
vor, durch Messungen, Zeichnungen, Photographie und Abguß --
wie man um des Friedens willen den Krieg vorbereitet --, aber tue
alles, diesen Augenblick hinauszuschieben. Nichts ist der Konser-
vierung abträglicher gewesen, als daß die Architekten das Restau-
rieren interessanter und ruhmvoller fanden. Mir ist nicht zweifel-
haft, daß die Konservierungstechnik -- wenn erst anerkannt ist,
daß in ihr das einzige wahre Heil der Denkmalpflege liegt -- noch
eine erhebliche Vervollkommnung vor sich hat. Von vornherein
freizugeben sind ja jene kleineren Ausbesserungsarbeiten, ohne die
eine Konservierung materiell nicht möglich wäre. Wir sehen sie
nicht eben gern, aber nehmen sie als ein kleineres unter zwei Übeln
hin. Weiter werden wir ausnahmsweise auch umfassende Wieder-
herstellungen gelten lassen; es kann sehr gute Gründe für sie geben,
nur werden sie anderwärts als im Gedankenkreise der Denkmal-
pflege zu suchen sein. Die Möglichkeiten dieser Art sind so mannig-
faltig, daß hier nur von Fall zu Fall geurteilt werden kann. Um
ein Beispiel zu nennen: so scheint es mir ganz wohlgetan, daß man

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Denkmalschutz und Denkmalpflege
gangen, kehrt nicht wieder«. Nichts ist berechtigter gewiß als
Trauer und Zorn über ein entstelltes, zerstörtes Kunstwerk; aber
wir stehen hier einer Tatsache gegenüber, die wir hinnehmen
müssen, wie die Tatsache von Alter und Tod überhaupt; in Täu-
schungen Trost suchen wollen wir nicht. Mitten unter die ehrliche
Wirklichkeit Masken und Gespenster sich mischen sehen, erfüllt
mit Grauen. Sollen wir uns dazu die Beschränkungen und Opfer
auferlegen, die die Denkmalpflege fordert, damit wir Denkmäler
erhalten, an die wir selbst nicht glauben? etwas wie eine unechte
Ahnengalerie?

Die Vertreter der Kunstwissenschaft sind heute darin einig,
das Restaurieren grundsätzlich zu verwerfen. Es wird damit keines-
wegs gesagt, der Weisheit letzter Schluß sei, die Hände in den
Schoß legen und der fortschreitenden Auflösung mit fatalistischer
Ergebung zusehen. Unsere Losung lautet: allerdings nicht restau-
rieren — wohl aber konservieren. Nach dieser Zweckunterscheidung
ist jede einzelne Maßregel zu beurteilen. Man konserviere, solange
es irgend geht, und erst in letzter Not frage man sich, ob man
restaurieren will. Man bereite beizeiten alles auf diese Möglichkeit
vor, durch Messungen, Zeichnungen, Photographie und Abguß —
wie man um des Friedens willen den Krieg vorbereitet —, aber tue
alles, diesen Augenblick hinauszuschieben. Nichts ist der Konser-
vierung abträglicher gewesen, als daß die Architekten das Restau-
rieren interessanter und ruhmvoller fanden. Mir ist nicht zweifel-
haft, daß die Konservierungstechnik — wenn erst anerkannt ist,
daß in ihr das einzige wahre Heil der Denkmalpflege liegt — noch
eine erhebliche Vervollkommnung vor sich hat. Von vornherein
freizugeben sind ja jene kleineren Ausbesserungsarbeiten, ohne die
eine Konservierung materiell nicht möglich wäre. Wir sehen sie
nicht eben gern, aber nehmen sie als ein kleineres unter zwei Übeln
hin. Weiter werden wir ausnahmsweise auch umfassende Wieder-
herstellungen gelten lassen; es kann sehr gute Gründe für sie geben,
nur werden sie anderwärts als im Gedankenkreise der Denkmal-
pflege zu suchen sein. Die Möglichkeiten dieser Art sind so mannig-
faltig, daß hier nur von Fall zu Fall geurteilt werden kann. Um
ein Beispiel zu nennen: so scheint es mir ganz wohlgetan, daß man

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[275/0337] Denkmalschutz und Denkmalpflege gangen, kehrt nicht wieder«. Nichts ist berechtigter gewiß als Trauer und Zorn über ein entstelltes, zerstörtes Kunstwerk; aber wir stehen hier einer Tatsache gegenüber, die wir hinnehmen müssen, wie die Tatsache von Alter und Tod überhaupt; in Täu- schungen Trost suchen wollen wir nicht. Mitten unter die ehrliche Wirklichkeit Masken und Gespenster sich mischen sehen, erfüllt mit Grauen. Sollen wir uns dazu die Beschränkungen und Opfer auferlegen, die die Denkmalpflege fordert, damit wir Denkmäler erhalten, an die wir selbst nicht glauben? etwas wie eine unechte Ahnengalerie? Die Vertreter der Kunstwissenschaft sind heute darin einig, das Restaurieren grundsätzlich zu verwerfen. Es wird damit keines- wegs gesagt, der Weisheit letzter Schluß sei, die Hände in den Schoß legen und der fortschreitenden Auflösung mit fatalistischer Ergebung zusehen. Unsere Losung lautet: allerdings nicht restau- rieren — wohl aber konservieren. Nach dieser Zweckunterscheidung ist jede einzelne Maßregel zu beurteilen. Man konserviere, solange es irgend geht, und erst in letzter Not frage man sich, ob man restaurieren will. Man bereite beizeiten alles auf diese Möglichkeit vor, durch Messungen, Zeichnungen, Photographie und Abguß — wie man um des Friedens willen den Krieg vorbereitet —, aber tue alles, diesen Augenblick hinauszuschieben. Nichts ist der Konser- vierung abträglicher gewesen, als daß die Architekten das Restau- rieren interessanter und ruhmvoller fanden. Mir ist nicht zweifel- haft, daß die Konservierungstechnik — wenn erst anerkannt ist, daß in ihr das einzige wahre Heil der Denkmalpflege liegt — noch eine erhebliche Vervollkommnung vor sich hat. Von vornherein freizugeben sind ja jene kleineren Ausbesserungsarbeiten, ohne die eine Konservierung materiell nicht möglich wäre. Wir sehen sie nicht eben gern, aber nehmen sie als ein kleineres unter zwei Übeln hin. Weiter werden wir ausnahmsweise auch umfassende Wieder- herstellungen gelten lassen; es kann sehr gute Gründe für sie geben, nur werden sie anderwärts als im Gedankenkreise der Denkmal- pflege zu suchen sein. Die Möglichkeiten dieser Art sind so mannig- faltig, daß hier nur von Fall zu Fall geurteilt werden kann. Um ein Beispiel zu nennen: so scheint es mir ganz wohlgetan, daß man 18*

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Zitationshilfe: Dehio, Georg: Kunsthistorische Aufsätze. München u. a., 1914, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dehio_aufsaetze_1914/337>, abgerufen am 24.11.2024.