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Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885.

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sich mit Curtius auseinander zu setzen, wende ich mich zu
einigen allgemeinen Fragen, die in diesem Capitel berührt
sind, und zwar zunächst zu einer Frage der Technik. Les-
kien hat, was Curtius S. 41 anführt, geltend gemacht, man
müsse immer zuerst die Frage nach Uebertragung und
Analogiebildung hervorheben, und dann erst nach den
Grundformen suchen, während J. Schmidt und gelegentlich
auch Brugmann in der Erklärung durch Analogie nur ein
ultimum refugium sehen. Ich glaube, diese Lehren haben
nur zeitgeschichtlichen Werth, insofern sie vor Uebertrei-
bungen nach beiden Seiten hin warnen. Als methodische
Regel kann man doch nur aufstellen, dass man in jedem
Falle alle Möglichkeiten der Erklärung erwägen und die
wahrscheinlichste wählen soll, eine Weisheit freilich, die so
trivial ist, dass sie Niemand fördern kann. Ueberhaupt
muss ich bei meiner schon ausgesprochenen Meinung blei-
ben, dass es jetzt nicht die wesentlichste Aufgabe ist, all-
gemein psychologische Gesichtspunkte zu suchen, es wird
vielmehr darauf ankommen, auf Gebieten, die uns geschicht-
lich zugänglich sind, innerhalb der einzelnen in den Spra-
chen vorhandenen Systeme (Stammbildung, Flexion u. s. w.)
den Stoff zu sammeln und nach Anleitung der exacten
Psychologie, wie sie von Herbart begründet worden ist, zu
bearbeiten. Dann erst wird man für jedes einzelne Gebiet
und vielleicht mit der Zeit für das Gesammtgebiet zu einer
vernünftigen Eintheilung kommen, und u.a. auch solche
Fragen, wie die, ob und inwieweit neben Ausgleichungs-
wirkungen auch Contrastwirkungen anzunehmen sind, beant-
worten können. Ich gehe also hier auf diese Erörterungen
im Allgemeinen nicht näher ein, kann aber nicht umhin,
wenigstens eine Frage zu berühren, nämlich die Frage, in
welcher Art von Silben man füglich Associationsbildungen
erwarten kann. Die Meinung von Curtius ist, dass die

sich mit Curtius auseinander zu setzen, wende ich mich zu
einigen allgemeinen Fragen, die in diesem Capitel berührt
sind, und zwar zunächst zu einer Frage der Technik. Les-
kien hat, was Curtius S. 41 anführt, geltend gemacht, man
müsse immer zuerst die Frage nach Uebertragung und
Analogiebildung hervorheben, und dann erst nach den
Grundformen suchen, während J. Schmidt und gelegentlich
auch Brugmann in der Erklärung durch Analogie nur ein
ultimum refugium sehen. Ich glaube, diese Lehren haben
nur zeitgeschichtlichen Werth, insofern sie vor Uebertrei-
bungen nach beiden Seiten hin warnen. Als methodische
Regel kann man doch nur aufstellen, dass man in jedem
Falle alle Möglichkeiten der Erklärung erwägen und die
wahrscheinlichste wählen soll, eine Weisheit freilich, die so
trivial ist, dass sie Niemand fördern kann. Ueberhaupt
muss ich bei meiner schon ausgesprochenen Meinung blei-
ben, dass es jetzt nicht die wesentlichste Aufgabe ist, all-
gemein psychologische Gesichtspunkte zu suchen, es wird
vielmehr darauf ankommen, auf Gebieten, die uns geschicht-
lich zugänglich sind, innerhalb der einzelnen in den Spra-
chen vorhandenen Systeme (Stammbildung, Flexion u. s. w.)
den Stoff zu sammeln und nach Anleitung der exacten
Psychologie, wie sie von Herbart begründet worden ist, zu
bearbeiten. Dann erst wird man für jedes einzelne Gebiet
und vielleicht mit der Zeit für das Gesammtgebiet zu einer
vernünftigen Eintheilung kommen, und u.a. auch solche
Fragen, wie die, ob und inwieweit neben Ausgleichungs-
wirkungen auch Contrastwirkungen anzunehmen sind, beant-
worten können. Ich gehe also hier auf diese Erörterungen
im Allgemeinen nicht näher ein, kann aber nicht umhin,
wenigstens eine Frage zu berühren, nämlich die Frage, in
welcher Art von Silben man füglich Associationsbildungen
erwarten kann. Die Meinung von Curtius ist, dass die

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[23/0028] sich mit Curtius auseinander zu setzen, wende ich mich zu einigen allgemeinen Fragen, die in diesem Capitel berührt sind, und zwar zunächst zu einer Frage der Technik. Les- kien hat, was Curtius S. 41 anführt, geltend gemacht, man müsse immer zuerst die Frage nach Uebertragung und Analogiebildung hervorheben, und dann erst nach den Grundformen suchen, während J. Schmidt und gelegentlich auch Brugmann in der Erklärung durch Analogie nur ein ultimum refugium sehen. Ich glaube, diese Lehren haben nur zeitgeschichtlichen Werth, insofern sie vor Uebertrei- bungen nach beiden Seiten hin warnen. Als methodische Regel kann man doch nur aufstellen, dass man in jedem Falle alle Möglichkeiten der Erklärung erwägen und die wahrscheinlichste wählen soll, eine Weisheit freilich, die so trivial ist, dass sie Niemand fördern kann. Ueberhaupt muss ich bei meiner schon ausgesprochenen Meinung blei- ben, dass es jetzt nicht die wesentlichste Aufgabe ist, all- gemein psychologische Gesichtspunkte zu suchen, es wird vielmehr darauf ankommen, auf Gebieten, die uns geschicht- lich zugänglich sind, innerhalb der einzelnen in den Spra- chen vorhandenen Systeme (Stammbildung, Flexion u. s. w.) den Stoff zu sammeln und nach Anleitung der exacten Psychologie, wie sie von Herbart begründet worden ist, zu bearbeiten. Dann erst wird man für jedes einzelne Gebiet und vielleicht mit der Zeit für das Gesammtgebiet zu einer vernünftigen Eintheilung kommen, und u.a. auch solche Fragen, wie die, ob und inwieweit neben Ausgleichungs- wirkungen auch Contrastwirkungen anzunehmen sind, beant- worten können. Ich gehe also hier auf diese Erörterungen im Allgemeinen nicht näher ein, kann aber nicht umhin, wenigstens eine Frage zu berühren, nämlich die Frage, in welcher Art von Silben man füglich Associationsbildungen erwarten kann. Die Meinung von Curtius ist, dass die

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Zitationshilfe: Delbrück, Berthold: Die neueste Sprachforschung. Betrachtungen über Georg Curtius Schrift zur Kritik der neuesten Sprachforschung. Leipzig, 1885, S. 23. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/delbrueck_sprachforschung_1885/28>, abgerufen am 21.11.2024.