Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

nachtheilig, gleichgültig können sie nicht sein. Wenn
also die Bühne den Geschmack und die Versittlichung
nicht fördert, so muß sie ihnen schaden; unab¬
weisbar wird daher die Verpflichtung für
den Staat sein
: sich der Wirkung seiner
Schaubühnen zu vergewissern
, dafür zu
sorgen
, daß sie die Bahn seiner Grundsätze
über Volkscultur innehalten
.

Daß dies bisher nicht, oder nur sehr lau und man¬
gelhaft geschehen ist, der Einfluß der Bühne daher oft
in den schreiendsten Widerspruch mit den Staatsmaximen
gerathen*), das liegt ebenso vor Aller Augen, als
daß die Schauspielkunst noch immer ganz außerhalb des
Kreises einer, mit den übrigen Künsten übereinstimmen¬
den Bildung sich bewegt; ganz außerhalb der Ketten¬

*) Mit welchem strengen Eifer hat z. B. der Staat den
neuen socialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor
der Ehe, der Familie und allen Gliederungen der gesellschaft¬
lichen Ordnung, welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten
gesucht, während die Theaterrepertoire -- die der Hofbühnen
keinesweges ausgeschlossen -- von Stücken wimmelten, in denen
die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich ge¬
macht, ja eine förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit ge¬
trieben wird!

nachtheilig, gleichgültig können ſie nicht ſein. Wenn
alſo die Bühne den Geſchmack und die Verſittlichung
nicht fördert, ſo muß ſie ihnen ſchaden; unab¬
weisbar wird daher die Verpflichtung für
den Staat ſein
: ſich der Wirkung ſeiner
Schaubühnen zu vergewiſſern
, dafür zu
ſorgen
, daß ſie die Bahn ſeiner Grundſätze
über Volkscultur innehalten
.

Daß dies bisher nicht, oder nur ſehr lau und man¬
gelhaft geſchehen iſt, der Einfluß der Bühne daher oft
in den ſchreiendſten Widerſpruch mit den Staatsmaximen
gerathen*), das liegt ebenſo vor Aller Augen, als
daß die Schauſpielkunſt noch immer ganz außerhalb des
Kreiſes einer, mit den übrigen Künſten übereinſtimmen¬
den Bildung ſich bewegt; ganz außerhalb der Ketten¬

*) Mit welchem ſtrengen Eifer hat z. B. der Staat den
neuen ſocialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor
der Ehe, der Familie und allen Gliederungen der geſellſchaft¬
lichen Ordnung, welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten
geſucht, während die Theaterrepertoire — die der Hofbühnen
keinesweges ausgeſchloſſen — von Stücken wimmelten, in denen
die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich ge¬
macht, ja eine förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit ge¬
trieben wird!
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0017" n="11"/>
nachtheilig, gleichgültig können &#x017F;ie nicht &#x017F;ein. Wenn<lb/>
al&#x017F;o die Bühne den Ge&#x017F;chmack und die Ver&#x017F;ittlichung<lb/>
nicht <hi rendition="#g">fördert</hi>, &#x017F;o muß &#x017F;ie ihnen <hi rendition="#g">&#x017F;chaden</hi>; <hi rendition="#g">unab¬<lb/>
weisbar wird daher die Verpflichtung für<lb/>
den Staat &#x017F;ein</hi>: <hi rendition="#g">&#x017F;ich der Wirkung &#x017F;einer<lb/>
Schaubühnen zu vergewi&#x017F;&#x017F;ern</hi>, <hi rendition="#g">dafür zu<lb/>
&#x017F;orgen</hi>, <hi rendition="#g">daß &#x017F;ie die Bahn &#x017F;einer Grund&#x017F;ätze<lb/>
über Volkscultur innehalten</hi>.</p><lb/>
        <p>Daß dies bisher nicht, oder nur &#x017F;ehr lau und man¬<lb/>
gelhaft ge&#x017F;chehen i&#x017F;t, der Einfluß der Bühne daher oft<lb/>
in den &#x017F;chreiend&#x017F;ten Wider&#x017F;pruch mit den Staatsmaximen<lb/>
gerathen<note place="foot" n="*)">Mit welchem &#x017F;trengen Eifer hat z. B. der Staat den<lb/>
neuen &#x017F;ocialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor<lb/>
der Ehe, der Familie und allen Gliederungen der ge&#x017F;ell&#x017F;chaft¬<lb/>
lichen Ordnung, welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten<lb/>
ge&#x017F;ucht, während die Theaterrepertoire &#x2014; die der Hofbühnen<lb/>
keinesweges ausge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en &#x2014; von Stücken wimmelten, in denen<lb/>
die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich ge¬<lb/>
macht, ja eine förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit ge¬<lb/>
trieben wird!<lb/></note>, das liegt eben&#x017F;o vor Aller Augen, als<lb/>
daß die Schau&#x017F;pielkun&#x017F;t noch immer ganz außerhalb des<lb/>
Krei&#x017F;es einer, mit den übrigen Kün&#x017F;ten überein&#x017F;timmen¬<lb/>
den Bildung &#x017F;ich bewegt; ganz außerhalb der Ketten¬<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0017] nachtheilig, gleichgültig können ſie nicht ſein. Wenn alſo die Bühne den Geſchmack und die Verſittlichung nicht fördert, ſo muß ſie ihnen ſchaden; unab¬ weisbar wird daher die Verpflichtung für den Staat ſein: ſich der Wirkung ſeiner Schaubühnen zu vergewiſſern, dafür zu ſorgen, daß ſie die Bahn ſeiner Grundſätze über Volkscultur innehalten. Daß dies bisher nicht, oder nur ſehr lau und man¬ gelhaft geſchehen iſt, der Einfluß der Bühne daher oft in den ſchreiendſten Widerſpruch mit den Staatsmaximen gerathen *), das liegt ebenſo vor Aller Augen, als daß die Schauſpielkunſt noch immer ganz außerhalb des Kreiſes einer, mit den übrigen Künſten übereinſtimmen¬ den Bildung ſich bewegt; ganz außerhalb der Ketten¬ *) Mit welchem ſtrengen Eifer hat z. B. der Staat den neuen ſocialen Theorien entgegenzuwirken und die Achtung vor der Ehe, der Familie und allen Gliederungen der geſellſchaft¬ lichen Ordnung, welche daraus hervorgehen, aufrecht zu erhalten geſucht, während die Theaterrepertoire — die der Hofbühnen keinesweges ausgeſchloſſen — von Stücken wimmelten, in denen die Heiligkeit der Ehe verhöhnt, die Familienpietät lächerlich ge¬ macht, ja eine förmliche Verherrlichung der Nichtswürdigkeit ge¬ trieben wird!

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/devrient_nationaltheater_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/devrient_nationaltheater_1849/17
Zitationshilfe: Devrient, Eduard: Das Nationaltheater des neuen Deutschland. Eine Reformschrift. Leipzig, 1849, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/devrient_nationaltheater_1849/17>, abgerufen am 21.11.2024.