Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.protestantische Historiker haben diesem Urteile beigepflichtet. I. War die sog. Reformation eine Revolution? "Man muß den Worten ihre Bedeutung zurückgeben," proteſtantiſche Hiſtoriker haben dieſem Urteile beigepflichtet. I. War die ſog. Reformation eine Revolution? „Man muß den Worten ihre Bedeutung zurückgeben,‟ <TEI> <text> <body> <div type="preface" n="1"> <p><pb facs="#f0014" n="2"/> proteſtantiſche Hiſtoriker haben dieſem Urteile beigepflichtet.<lb/> Um ſo auffallender muß es erſcheinen, daß urplötzlich dieſe<lb/> faſt ſtillſchweigend hingenommenen hiſtoriſchen Ergebniſſe<lb/> im Munde des Papſtes als „Beleidigung‟, als „Angriff‟<lb/> hingeſtellt, ſogar als „Friedensſtörung‟ ausgegeben werden.<lb/> Zu deutlich merkt man die verſteckte Abſicht. Es iſt die Taktik<lb/> des Wolfes in Äſops Fabel: um einen plauſiblen Grund zum<lb/> erwünſchten Angriffe zu finden, imputiert man dem Gegner,<lb/> daß er angegriffen habe. Die Gegner berufen ſich zu ihrer<lb/> Rechtfertigung darauf, daß die Urteile des Papſtes „unwahr<lb/> und ungerechtfertigt‟ ſeien. Eine ſolche Behauptung erzeugt<lb/> die Notwendigkeit, die Frage zu prüfen, ob nämlich die ſog.<lb/> Reformation keine Revolution geweſen, und ob ihre Folgen<lb/> keine Entartung der Sitten im deutſchen Volke hervorgerufen<lb/> haben. Wiewohl über dieſe Frage von katholiſcher Seite<lb/> bereits gründliche Unterſuchungen gepflogen worden ſind, ob-<lb/> ſchon die Litteratur über die Reformationsgeſchichte eine äußerſt<lb/> reichhaltige iſt, darf es doch wohl im gegenwärtigen Augen-<lb/> blicke angezeigt erſcheinen, in einer Broſchüre die Momente<lb/> zuſammenzuſtellen, welche den katholiſchen Standpunkt recht-<lb/> fertigen, den gegenteiligen Behauptungen hingegen den Stem-<lb/> pel der Erdichtung aufdrücken.</p> </div><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#aq">I.</hi><lb/> <hi rendition="#b">War die ſog. Reformation eine Revolution?</hi> </head><lb/> <p>„Man muß den Worten ihre Bedeutung zurückgeben,‟<lb/> hatte ſeiner Zeit Pius <hi rendition="#aq">IX.</hi> erklärt. Gleicherweiſe notwendig<lb/> erſcheint es, den <hi rendition="#g">Thaten</hi> ihren richtigen <hi rendition="#g">Namen</hi> zu geben.<lb/> Leider hat die Geſchichte mehr als ein „Lügenfeld‟ zu ver-<lb/> zeichnen, auf welchem die hiſtoriſchen Thatſachen gefälſcht<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [2/0014]
proteſtantiſche Hiſtoriker haben dieſem Urteile beigepflichtet.
Um ſo auffallender muß es erſcheinen, daß urplötzlich dieſe
faſt ſtillſchweigend hingenommenen hiſtoriſchen Ergebniſſe
im Munde des Papſtes als „Beleidigung‟, als „Angriff‟
hingeſtellt, ſogar als „Friedensſtörung‟ ausgegeben werden.
Zu deutlich merkt man die verſteckte Abſicht. Es iſt die Taktik
des Wolfes in Äſops Fabel: um einen plauſiblen Grund zum
erwünſchten Angriffe zu finden, imputiert man dem Gegner,
daß er angegriffen habe. Die Gegner berufen ſich zu ihrer
Rechtfertigung darauf, daß die Urteile des Papſtes „unwahr
und ungerechtfertigt‟ ſeien. Eine ſolche Behauptung erzeugt
die Notwendigkeit, die Frage zu prüfen, ob nämlich die ſog.
Reformation keine Revolution geweſen, und ob ihre Folgen
keine Entartung der Sitten im deutſchen Volke hervorgerufen
haben. Wiewohl über dieſe Frage von katholiſcher Seite
bereits gründliche Unterſuchungen gepflogen worden ſind, ob-
ſchon die Litteratur über die Reformationsgeſchichte eine äußerſt
reichhaltige iſt, darf es doch wohl im gegenwärtigen Augen-
blicke angezeigt erſcheinen, in einer Broſchüre die Momente
zuſammenzuſtellen, welche den katholiſchen Standpunkt recht-
fertigen, den gegenteiligen Behauptungen hingegen den Stem-
pel der Erdichtung aufdrücken.
I.
War die ſog. Reformation eine Revolution?
„Man muß den Worten ihre Bedeutung zurückgeben,‟
hatte ſeiner Zeit Pius IX. erklärt. Gleicherweiſe notwendig
erſcheint es, den Thaten ihren richtigen Namen zu geben.
Leider hat die Geſchichte mehr als ein „Lügenfeld‟ zu ver-
zeichnen, auf welchem die hiſtoriſchen Thatſachen gefälſcht
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