Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897.

Bild:
<< vorherige Seite

Konfession, die katholische, als Staatsreligion anerkannte, deren
Bestand und Jntegrität garantierte, indem der Kaiser, als ihr
oberster Schirm- und Schutzherr, bei seiner Krönung eidlich
gelobte, diese Kirche gegen äußere und innere Feinde nach
Kräften zu schützen.

Jndem Luther gegen die Verfassung der Kirche Sturm
lief, die Hierarchie umstürzte, die Vertreter derselben zu morden
befahl, inaugurierte er die nackteste Revolution gegen Staat
und Kirche, gegen die Reichs- und Kirchenverfassung, weil
jene soviele Bischöfe und Äbte als Territorial-Herren und
Ständemitglieder des Reichstages anerkannte, ja die drei geist-
lichen Kurfürsten zu den sieben Grundsäulen der Reichsver-
fassung zählten. Auf diesen revolutionären Charakter der
lutherischen Bewegung haben gleich anfangs aufmerksam ge-
macht jene Anzahl von Männern, welche hervorragten durch
ihre Wissenschaft, ihre Gelehrsamkeit, durch ihren staats-
männischen tiefen Blick und durch ihre einflußreiche Stel-
lung in Staat und Kirche.

Hieronymus Aleander, ein bedeutender Humanist und
angesehener Gelehrter, erschien als päpstlicher Legat auf dem
Reichstage zu Worms 1521 und hielt am 13. Februar auf
Aschermittwoch vor dem Kaiser Karl. V. und den versammelten
Ständen eine hochbedeutsame, politische Rede, durch welche
er seinen Scharfblick und seine staatsmännische Begabung
dokumentiert hat. "Allergroßmächtigster, unüberwindlicher
Kaiser," so hub er an, "wie viel Böses und Übeles Martin
Luthers Aufruhr und Empörung dem christlichen Volke
bisher angerichtet, welchen Schaden dieselben auch täglich
bringen und anrichten werden, liegt offen zu Tage; darum
wäre es höchst und mehr vonnöten, daß selbige Faktion und
Aufruhr zuvörderst ausgelöscht, als länger heimlich hingezogen

Konfeſſion, die katholiſche, als Staatsreligion anerkannte, deren
Beſtand und Jntegrität garantierte, indem der Kaiſer, als ihr
oberſter Schirm- und Schutzherr, bei ſeiner Krönung eidlich
gelobte, dieſe Kirche gegen äußere und innere Feinde nach
Kräften zu ſchützen.

Jndem Luther gegen die Verfaſſung der Kirche Sturm
lief, die Hierarchie umſtürzte, die Vertreter derſelben zu morden
befahl, inaugurierte er die nackteſte Revolution gegen Staat
und Kirche, gegen die Reichs- und Kirchenverfaſſung, weil
jene ſoviele Biſchöfe und Äbte als Territorial-Herren und
Ständemitglieder des Reichstages anerkannte, ja die drei geiſt-
lichen Kurfürſten zu den ſieben Grundſäulen der Reichsver-
faſſung zählten. Auf dieſen revolutionären Charakter der
lutheriſchen Bewegung haben gleich anfangs aufmerkſam ge-
macht jene Anzahl von Männern, welche hervorragten durch
ihre Wiſſenſchaft, ihre Gelehrſamkeit, durch ihren ſtaats-
männiſchen tiefen Blick und durch ihre einflußreiche Stel-
lung in Staat und Kirche.

Hieronymus Aleander, ein bedeutender Humaniſt und
angeſehener Gelehrter, erſchien als päpſtlicher Legat auf dem
Reichstage zu Worms 1521 und hielt am 13. Februar auf
Aſchermittwoch vor dem Kaiſer Karl. V. und den verſammelten
Ständen eine hochbedeutſame, politiſche Rede, durch welche
er ſeinen Scharfblick und ſeine ſtaatsmänniſche Begabung
dokumentiert hat. „Allergroßmächtigſter, unüberwindlicher
Kaiſer,‟ ſo hub er an, „wie viel Böſes und Übeles Martin
Luthers Aufruhr und Empörung dem chriſtlichen Volke
bisher angerichtet, welchen Schaden dieſelben auch täglich
bringen und anrichten werden, liegt offen zu Tage; darum
wäre es höchſt und mehr vonnöten, daß ſelbige Faktion und
Aufruhr zuvörderſt ausgelöſcht, als länger heimlich hingezogen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0016" n="4"/>
Konfe&#x017F;&#x017F;ion, die katholi&#x017F;che, als Staatsreligion anerkannte, deren<lb/>
Be&#x017F;tand und Jntegrität garantierte, indem der Kai&#x017F;er, als ihr<lb/>
ober&#x017F;ter Schirm- und Schutzherr, bei &#x017F;einer Krönung eidlich<lb/>
gelobte, die&#x017F;e Kirche gegen äußere und innere Feinde nach<lb/>
Kräften zu &#x017F;chützen.</p><lb/>
        <p>Jndem Luther gegen die Verfa&#x017F;&#x017F;ung der Kirche Sturm<lb/>
lief, die Hierarchie um&#x017F;türzte, die Vertreter der&#x017F;elben zu morden<lb/>
befahl, inaugurierte er die nackte&#x017F;te Revolution gegen Staat<lb/>
und Kirche, gegen die Reichs- und Kirchenverfa&#x017F;&#x017F;ung, weil<lb/>
jene &#x017F;oviele Bi&#x017F;chöfe und Äbte als Territorial-Herren und<lb/>
Ständemitglieder des Reichstages anerkannte, ja die drei gei&#x017F;t-<lb/>
lichen Kurfür&#x017F;ten zu den &#x017F;ieben Grund&#x017F;äulen der Reichsver-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;ung zählten. Auf die&#x017F;en revolutionären Charakter der<lb/>
lutheri&#x017F;chen Bewegung haben gleich anfangs aufmerk&#x017F;am ge-<lb/>
macht jene Anzahl von Männern, welche hervorragten durch<lb/>
ihre Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaft, ihre Gelehr&#x017F;amkeit, durch ihren &#x017F;taats-<lb/>
männi&#x017F;chen tiefen Blick und durch ihre einflußreiche Stel-<lb/>
lung in Staat und Kirche.</p><lb/>
        <p>Hieronymus <hi rendition="#g">Aleander,</hi> ein bedeutender Humani&#x017F;t und<lb/>
ange&#x017F;ehener Gelehrter, er&#x017F;chien als päp&#x017F;tlicher Legat auf dem<lb/>
Reichstage zu Worms 1521 und hielt am 13. Februar auf<lb/>
A&#x017F;chermittwoch vor dem Kai&#x017F;er Karl. <hi rendition="#aq">V.</hi> und den ver&#x017F;ammelten<lb/>
Ständen eine hochbedeut&#x017F;ame, politi&#x017F;che Rede, durch welche<lb/>
er &#x017F;einen Scharfblick und &#x017F;eine &#x017F;taatsmänni&#x017F;che Begabung<lb/>
dokumentiert hat. &#x201E;Allergroßmächtig&#x017F;ter, unüberwindlicher<lb/>
Kai&#x017F;er,&#x201F; &#x017F;o hub er an, &#x201E;wie viel Bö&#x017F;es und Übeles Martin<lb/>
Luthers <hi rendition="#g">Aufruhr</hi> und <hi rendition="#g">Empörung</hi> dem chri&#x017F;tlichen Volke<lb/>
bisher angerichtet, welchen Schaden die&#x017F;elben auch täglich<lb/>
bringen und anrichten werden, liegt offen zu Tage; darum<lb/>
wäre es höch&#x017F;t und mehr vonnöten, daß &#x017F;elbige Faktion und<lb/>
Aufruhr zuvörder&#x017F;t ausgelö&#x017F;cht, als länger heimlich hingezogen<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[4/0016] Konfeſſion, die katholiſche, als Staatsreligion anerkannte, deren Beſtand und Jntegrität garantierte, indem der Kaiſer, als ihr oberſter Schirm- und Schutzherr, bei ſeiner Krönung eidlich gelobte, dieſe Kirche gegen äußere und innere Feinde nach Kräften zu ſchützen. Jndem Luther gegen die Verfaſſung der Kirche Sturm lief, die Hierarchie umſtürzte, die Vertreter derſelben zu morden befahl, inaugurierte er die nackteſte Revolution gegen Staat und Kirche, gegen die Reichs- und Kirchenverfaſſung, weil jene ſoviele Biſchöfe und Äbte als Territorial-Herren und Ständemitglieder des Reichstages anerkannte, ja die drei geiſt- lichen Kurfürſten zu den ſieben Grundſäulen der Reichsver- faſſung zählten. Auf dieſen revolutionären Charakter der lutheriſchen Bewegung haben gleich anfangs aufmerkſam ge- macht jene Anzahl von Männern, welche hervorragten durch ihre Wiſſenſchaft, ihre Gelehrſamkeit, durch ihren ſtaats- männiſchen tiefen Blick und durch ihre einflußreiche Stel- lung in Staat und Kirche. Hieronymus Aleander, ein bedeutender Humaniſt und angeſehener Gelehrter, erſchien als päpſtlicher Legat auf dem Reichstage zu Worms 1521 und hielt am 13. Februar auf Aſchermittwoch vor dem Kaiſer Karl. V. und den verſammelten Ständen eine hochbedeutſame, politiſche Rede, durch welche er ſeinen Scharfblick und ſeine ſtaatsmänniſche Begabung dokumentiert hat. „Allergroßmächtigſter, unüberwindlicher Kaiſer,‟ ſo hub er an, „wie viel Böſes und Übeles Martin Luthers Aufruhr und Empörung dem chriſtlichen Volke bisher angerichtet, welchen Schaden dieſelben auch täglich bringen und anrichten werden, liegt offen zu Tage; darum wäre es höchſt und mehr vonnöten, daß ſelbige Faktion und Aufruhr zuvörderſt ausgelöſcht, als länger heimlich hingezogen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/16
Zitationshilfe: Diefenbach, Johann: Reformation oder Revolution. Mainz, 1897, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diefenbach_reformation_1897/16>, abgerufen am 21.11.2024.