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Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836.

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und Schwingen des Geistes des Lehrers und der Schüler sich
berühren. Solch Lehren ist ein stilles, heiliges Geschäft der
Zeugung und Befruchtung, und die Nachkommen erfreuen
sich, wenn der lehrende Geist längst heimgegangen, der un-
endlichen Erndte.

Solche tiefe Innerlichkeit besteht nicht ohne Tugendgesin-
nung, ohne die geheime Freude an dem Edeln und Rechten.
Sie ist selbst eine der größten Tugenden. Aber überhaupt sei
jeder Lehrer, zumal der der Hochschule, ein sittlich ernster,
tugendhafter Mann, der das Gleiche wirkt in seiner Umge-
bung, ohne daß er spricht und ohne daß er es will, bloß
weil er ist. "Worte sind gut, aber sie sind nicht das Beste;
das Beste wird nicht klar durch Worte." (Göthe.)

Und dann verlangen wir vom Lehrer, daß er sich eng im
Herzen anschließe an das Vaterland, das ihn geboren, sein
Weh mitfühlend in des Herzens Geist und Empfindung und
für sein Theil mitwirkend zu seiner Erneuerung und frischen
Blüthe. Wie sind unsere Jünglinge -- darum die Hoffnung
des Vaterlandes -- empfänglich für die Selbstständigkeit und
Ehre des Vaterlandes, wie hell erklingen ihre patriotischen
Gesänge und mit welcher Begeisterung singen sie den "Lan-
desvater". Ja, wüßtet ihr diese Keime zu befruchten, und
trüget ihr, Hochschullehrer! den Geist des Vaterlandes und
die Ehre der Nation in eurem Charakter, wahrlich wir wür-
den bald die Früchte davon ärndten, und eine Zeit entstehen,
von der man nur mit Schmerz scheiden würde. Gott hat das
deutsche Land auch dadurch gesegnet, daß er seine Jünglinge
mit tiefen Grundanlagen und mit dem Keime heiliger Liebe
zum Vaterlande begabte.


und Schwingen des Geiſtes des Lehrers und der Schuͤler ſich
beruͤhren. Solch Lehren iſt ein ſtilles, heiliges Geſchaͤft der
Zeugung und Befruchtung, und die Nachkommen erfreuen
ſich, wenn der lehrende Geiſt laͤngſt heimgegangen, der un-
endlichen Erndte.

Solche tiefe Innerlichkeit beſteht nicht ohne Tugendgeſin-
nung, ohne die geheime Freude an dem Edeln und Rechten.
Sie iſt ſelbſt eine der groͤßten Tugenden. Aber uͤberhaupt ſei
jeder Lehrer, zumal der der Hochſchule, ein ſittlich ernſter,
tugendhafter Mann, der das Gleiche wirkt in ſeiner Umge-
bung, ohne daß er ſpricht und ohne daß er es will, bloß
weil er iſt. „Worte ſind gut, aber ſie ſind nicht das Beſte;
das Beſte wird nicht klar durch Worte.“ (Goͤthe.)

Und dann verlangen wir vom Lehrer, daß er ſich eng im
Herzen anſchließe an das Vaterland, das ihn geboren, ſein
Weh mitfuͤhlend in des Herzens Geiſt und Empfindung und
fuͤr ſein Theil mitwirkend zu ſeiner Erneuerung und friſchen
Bluͤthe. Wie ſind unſere Juͤnglinge — darum die Hoffnung
des Vaterlandes — empfaͤnglich fuͤr die Selbſtſtaͤndigkeit und
Ehre des Vaterlandes, wie hell erklingen ihre patriotiſchen
Geſaͤnge und mit welcher Begeiſterung ſingen ſie den „Lan-
desvater“. Ja, wuͤßtet ihr dieſe Keime zu befruchten, und
truͤget ihr, Hochſchullehrer! den Geiſt des Vaterlandes und
die Ehre der Nation in eurem Charakter, wahrlich wir wuͤr-
den bald die Fruͤchte davon aͤrndten, und eine Zeit entſtehen,
von der man nur mit Schmerz ſcheiden wuͤrde. Gott hat das
deutſche Land auch dadurch geſegnet, daß er ſeine Juͤnglinge
mit tiefen Grundanlagen und mit dem Keime heiliger Liebe
zum Vaterlande begabte.


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[31/0049] und Schwingen des Geiſtes des Lehrers und der Schuͤler ſich beruͤhren. Solch Lehren iſt ein ſtilles, heiliges Geſchaͤft der Zeugung und Befruchtung, und die Nachkommen erfreuen ſich, wenn der lehrende Geiſt laͤngſt heimgegangen, der un- endlichen Erndte. Solche tiefe Innerlichkeit beſteht nicht ohne Tugendgeſin- nung, ohne die geheime Freude an dem Edeln und Rechten. Sie iſt ſelbſt eine der groͤßten Tugenden. Aber uͤberhaupt ſei jeder Lehrer, zumal der der Hochſchule, ein ſittlich ernſter, tugendhafter Mann, der das Gleiche wirkt in ſeiner Umge- bung, ohne daß er ſpricht und ohne daß er es will, bloß weil er iſt. „Worte ſind gut, aber ſie ſind nicht das Beſte; das Beſte wird nicht klar durch Worte.“ (Goͤthe.) Und dann verlangen wir vom Lehrer, daß er ſich eng im Herzen anſchließe an das Vaterland, das ihn geboren, ſein Weh mitfuͤhlend in des Herzens Geiſt und Empfindung und fuͤr ſein Theil mitwirkend zu ſeiner Erneuerung und friſchen Bluͤthe. Wie ſind unſere Juͤnglinge — darum die Hoffnung des Vaterlandes — empfaͤnglich fuͤr die Selbſtſtaͤndigkeit und Ehre des Vaterlandes, wie hell erklingen ihre patriotiſchen Geſaͤnge und mit welcher Begeiſterung ſingen ſie den „Lan- desvater“. Ja, wuͤßtet ihr dieſe Keime zu befruchten, und truͤget ihr, Hochſchullehrer! den Geiſt des Vaterlandes und die Ehre der Nation in eurem Charakter, wahrlich wir wuͤr- den bald die Fruͤchte davon aͤrndten, und eine Zeit entſtehen, von der man nur mit Schmerz ſcheiden wuͤrde. Gott hat das deutſche Land auch dadurch geſegnet, daß er ſeine Juͤnglinge mit tiefen Grundanlagen und mit dem Keime heiliger Liebe zum Vaterlande begabte.

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Zitationshilfe: Diesterweg, Adolph: Über das Verderben auf den deutschen Universitäten. Essen, 1836, S. 31. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/diesterweg_universitaeten_1836/49>, abgerufen am 23.11.2024.