Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

Endlich kamen wir in Braunschweig ein. Und ich separieret mich von meinen Frauenzimmern in ein ander Wirtshaus und erkundete mich nach Gelegenheit nach Hamburg oder Hannover.

Da hatte ich die Gelegenheit versäumet und mußte zufrieden sein, daß Bauern mit Wagen, welche Getreidig und anders gebracht, mich wollten mitnehmen. Ich machte den Accord. Aber die Bauren wollten nicht von dem guten Bier und Bräuhahn.

Indessen kombt ein' Weibesperson, wollte auch mitfahren, Ließ indeß ihren Kober bei den Bauren. Wollte bald wiederkommen, hatte nur etwas zu thun. - Wir warten lange. Aber das Weibesbild kam nicht wieder. Die Bauren wollten fort, fluchten und machten den Kober auf. Da fanden sie drin ein Kind, sauber eingewickelt! das hatte einen Zuckerbüschel im Mäulchen. Die Bauren erschraken über all Maßen, wohl wissend, daß die Posse mehrmals gespielet und das Weibesvolk nicht wiederkam. Machten nicht viel Wesens und hingen den Kober an einen vor der Thür stehenden Wagen und laureten fleißig auf, ob jemand den Kober abnehmen würde. Siehe, da kommen zwei Soldaten; geschwind mit dem Kober vom Wagen untern Mantel! Meineten, etwas Guts zu essen drin zu finden; wie mehrmals mochte geschehen sein, Waren aber greulich betrogen.

Sobald der Kober weg, mußte ich mit den Bauren über Hals und Kopf fortreisen. Die Bauren waren froh, soffen sich Mittages so voll und lachten und lärmeten den ganzen Tag davon, fuhren bis in die Nacht und brachen ein Rad vor meinem Wagen entzwei, gleich am Dorfe, wo die Bauren heime waren. Könnte wohl mit Fleiß also angestellet sein, daß sie mich nicht wollten weiter bringen!

Was zu thun? Ich lamentierte. Aber die Bauren

Endlich kamen wir in Braunschweig ein. Und ich separieret mich von meinen Frauenzimmern in ein ander Wirtshaus und erkundete mich nach Gelegenheit nach Hamburg oder Hannover.

Da hatte ich die Gelegenheit versäumet und mußte zufrieden sein, daß Bauern mit Wagen, welche Getreidig und anders gebracht, mich wollten mitnehmen. Ich machte den Accord. Aber die Bauren wollten nicht von dem guten Bier und Bräuhahn.

Indessen kombt ein’ Weibesperson, wollte auch mitfahren, Ließ indeß ihren Kober bei den Bauren. Wollte bald wiederkommen, hatte nur etwas zu thun. – Wir warten lange. Aber das Weibesbild kam nicht wieder. Die Bauren wollten fort, fluchten und machten den Kober auf. Da fanden sie drin ein Kind, sauber eingewickelt! das hatte einen Zuckerbüschel im Mäulchen. Die Bauren erschraken über all Maßen, wohl wissend, daß die Posse mehrmals gespielet und das Weibesvolk nicht wiederkam. Machten nicht viel Wesens und hingen den Kober an einen vor der Thür stehenden Wagen und laureten fleißig auf, ob jemand den Kober abnehmen würde. Siehe, da kommen zwei Soldaten; geschwind mit dem Kober vom Wagen untern Mantel! Meineten, etwas Guts zu essen drin zu finden; wie mehrmals mochte geschehen sein, Waren aber greulich betrogen.

Sobald der Kober weg, mußte ich mit den Bauren über Hals und Kopf fortreisen. Die Bauren waren froh, soffen sich Mittages so voll und lachten und lärmeten den ganzen Tag davon, fuhren bis in die Nacht und brachen ein Rad vor meinem Wagen entzwei, gleich am Dorfe, wo die Bauren heime waren. Könnte wohl mit Fleiß also angestellet sein, daß sie mich nicht wollten weiter bringen!

Was zu thun? Ich lamentierte. Aber die Bauren

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <pb facs="#f0100"/>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ndlich kamen wir in Braunschweig ein. Und ich separieret mich von meinen Frauenzimmern in ein ander Wirtshaus und erkundete mich nach Gelegenheit nach Hamburg oder Hannover.</p>
          <p>Da hatte ich die Gelegenheit versäumet und mußte zufrieden sein, daß Bauern mit Wagen, welche Getreidig und anders gebracht, mich wollten mitnehmen. Ich machte den Accord. Aber die Bauren wollten nicht von dem guten Bier und Bräuhahn.</p>
          <p>Indessen kombt ein&#x2019; Weibesperson, wollte auch mitfahren, Ließ indeß ihren Kober bei den Bauren. Wollte bald wiederkommen, hatte nur etwas zu thun. &#x2013; Wir warten lange. Aber das Weibesbild kam nicht wieder. Die Bauren wollten fort, fluchten und machten den Kober auf. Da fanden sie drin ein Kind, sauber eingewickelt! das hatte einen Zuckerbüschel im Mäulchen. Die Bauren erschraken über all Maßen, wohl wissend, daß die Posse mehrmals gespielet und das Weibesvolk nicht wiederkam. Machten nicht viel Wesens und hingen den Kober an einen vor der Thür stehenden Wagen und laureten fleißig auf, ob jemand den Kober abnehmen würde. Siehe, da kommen zwei Soldaten; geschwind mit dem Kober vom Wagen untern Mantel! Meineten, etwas Guts zu essen drin zu finden; wie mehrmals mochte geschehen sein, Waren aber greulich betrogen.</p>
          <p>Sobald der Kober weg, mußte ich mit den Bauren über Hals und Kopf fortreisen. Die Bauren waren froh, soffen sich Mittages so voll und lachten und lärmeten den ganzen Tag davon, fuhren bis in die Nacht und brachen ein Rad vor meinem Wagen entzwei, gleich am Dorfe, wo die Bauren heime waren. Könnte wohl mit Fleiß also angestellet sein, daß sie mich nicht wollten weiter bringen!</p>
          <p>Was zu thun? Ich lamentierte. Aber die Bauren
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0100] Endlich kamen wir in Braunschweig ein. Und ich separieret mich von meinen Frauenzimmern in ein ander Wirtshaus und erkundete mich nach Gelegenheit nach Hamburg oder Hannover. Da hatte ich die Gelegenheit versäumet und mußte zufrieden sein, daß Bauern mit Wagen, welche Getreidig und anders gebracht, mich wollten mitnehmen. Ich machte den Accord. Aber die Bauren wollten nicht von dem guten Bier und Bräuhahn. Indessen kombt ein’ Weibesperson, wollte auch mitfahren, Ließ indeß ihren Kober bei den Bauren. Wollte bald wiederkommen, hatte nur etwas zu thun. – Wir warten lange. Aber das Weibesbild kam nicht wieder. Die Bauren wollten fort, fluchten und machten den Kober auf. Da fanden sie drin ein Kind, sauber eingewickelt! das hatte einen Zuckerbüschel im Mäulchen. Die Bauren erschraken über all Maßen, wohl wissend, daß die Posse mehrmals gespielet und das Weibesvolk nicht wiederkam. Machten nicht viel Wesens und hingen den Kober an einen vor der Thür stehenden Wagen und laureten fleißig auf, ob jemand den Kober abnehmen würde. Siehe, da kommen zwei Soldaten; geschwind mit dem Kober vom Wagen untern Mantel! Meineten, etwas Guts zu essen drin zu finden; wie mehrmals mochte geschehen sein, Waren aber greulich betrogen. Sobald der Kober weg, mußte ich mit den Bauren über Hals und Kopf fortreisen. Die Bauren waren froh, soffen sich Mittages so voll und lachten und lärmeten den ganzen Tag davon, fuhren bis in die Nacht und brachen ein Rad vor meinem Wagen entzwei, gleich am Dorfe, wo die Bauren heime waren. Könnte wohl mit Fleiß also angestellet sein, daß sie mich nicht wollten weiter bringen! Was zu thun? Ich lamentierte. Aber die Bauren

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/100
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/100>, abgerufen am 04.12.2024.