Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

ging. Denn dieser Mann aus großer Trübsals-Probe und Erfahrung mit einem durchdringenden Geist und Gebet predigte. Denn er war in Kopenhagen vornehmer Priester gewesen, hatte aber das Unglück erlitten, einen Bettler tot zu schlagen, weil der Bettler selbigen, als er Mittages von der Treppe zu Tisch gehen will, ungestüm anfällt und mit Gewalt Geld von ihm erzwingen wollen, er mit seinem in Händen habenden Stock einmal so gefährlich an'n Kopf schlaget, daß er gleich tot bleibet. Darüber er zwar nicht als ein würklicher, vorsätzlicher Totschläger war angesehen, jedoch wegen Ärgernis auf diese Pönitenz-Pfarre rausgesendet worden.

Ich konnte aber auch hier nicht lange ohne Anfechtung und Versuchung bleiben. Maßen ein gewiß Frauenzimmer, oder Gastwirts-Tochter, einen Narren an mir gefressen und alle Gelegenheit gesucht, mit mir bekannt zu werden; etliche mal an mich geschicket, endlich aber selbst sich in'n Finger geschnitten und, solchen zu verbinden, zu mir kam. Und das war so die Gelegenheit. Und die Bekanntschaft ward so groß, daß sie ohne mich, und ich ohne sie nicht wohl sein können.

Dies merkte meine Wirtin, wollte es gern verhindern, weil sie selbst zwei erwachsene Töchter hatte. Schloß und verriegelte nachts die Thüren. Allein es war keine Mauer so hoch, daß ich nicht konnte zu meiner Gespielin kommen, da ihrer mehr bei einander waren und wir allerhand Kurzweil trieben.

Unter andern war eine Stadtrichters-Tochter, welche mehr männlich als Weibes-Geschlechts, wie mir die andern vor wahrhaftig vertraueten. Deshalb gern bei die Jungfern war und selbige bei sich hatte. Aber sie wollten ihrer nicht, weil sie so übel und einen Bart umbs Maul hatte. - wie ich in Breslau dergleichen wahrhaftig gefunden.

Hingegen war ein Soldat unter meinen Kompagnien,

ging. Denn dieser Mann aus großer Trübsals-Probe und Erfahrung mit einem durchdringenden Geist und Gebet predigte. Denn er war in Kopenhagen vornehmer Priester gewesen, hatte aber das Unglück erlitten, einen Bettler tot zu schlagen, weil der Bettler selbigen, als er Mittages von der Treppe zu Tisch gehen will, ungestüm anfällt und mit Gewalt Geld von ihm erzwingen wollen, er mit seinem in Händen habenden Stock einmal so gefährlich an’n Kopf schlaget, daß er gleich tot bleibet. Darüber er zwar nicht als ein würklicher, vorsätzlicher Totschläger war angesehen, jedoch wegen Ärgernis auf diese Pönitenz-Pfarre rausgesendet worden.

Ich konnte aber auch hier nicht lange ohne Anfechtung und Versuchung bleiben. Maßen ein gewiß Frauenzimmer, oder Gastwirts-Tochter, einen Narren an mir gefressen und alle Gelegenheit gesucht, mit mir bekannt zu werden; etliche mal an mich geschicket, endlich aber selbst sich in’n Finger geschnitten und, solchen zu verbinden, zu mir kam. Und das war so die Gelegenheit. Und die Bekanntschaft ward so groß, daß sie ohne mich, und ich ohne sie nicht wohl sein können.

Dies merkte meine Wirtin, wollte es gern verhindern, weil sie selbst zwei erwachsene Töchter hatte. Schloß und verriegelte nachts die Thüren. Allein es war keine Mauer so hoch, daß ich nicht konnte zu meiner Gespielin kommen, da ihrer mehr bei einander waren und wir allerhand Kurzweil trieben.

Unter andern war eine Stadtrichters-Tochter, welche mehr männlich als Weibes-Geschlechts, wie mir die andern vor wahrhaftig vertraueten. Deshalb gern bei die Jungfern war und selbige bei sich hatte. Aber sie wollten ihrer nicht, weil sie so übel und einen Bart umbs Maul hatte. – wie ich in Breslau dergleichen wahrhaftig gefunden.

Hingegen war ein Soldat unter meinen Kompagnien,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0111"/>
ging. Denn dieser Mann aus großer Trübsals-Probe und Erfahrung mit einem durchdringenden Geist und Gebet predigte. Denn er war in Kopenhagen vornehmer Priester gewesen, hatte aber das Unglück erlitten, einen Bettler tot zu schlagen, weil der Bettler selbigen, als er Mittages von der Treppe zu Tisch gehen will, ungestüm anfällt und mit Gewalt Geld von ihm erzwingen wollen, er mit seinem in Händen habenden Stock einmal so gefährlich an&#x2019;n Kopf schlaget, daß er gleich tot bleibet. Darüber er zwar nicht als ein würklicher, vorsätzlicher Totschläger war angesehen, jedoch wegen Ärgernis auf diese Pönitenz-Pfarre rausgesendet worden.</p>
          <p>Ich konnte aber auch hier nicht lange ohne Anfechtung und Versuchung bleiben. Maßen ein gewiß Frauenzimmer, oder Gastwirts-Tochter, einen Narren an mir gefressen und alle Gelegenheit gesucht, mit mir bekannt zu werden; etliche mal an mich geschicket, endlich aber selbst sich in&#x2019;n Finger geschnitten und, solchen zu verbinden, zu mir kam. Und das war so die Gelegenheit. Und die Bekanntschaft ward so groß, daß sie ohne mich, und ich ohne sie nicht wohl sein können.</p>
          <p>Dies merkte meine Wirtin, wollte es gern verhindern, weil sie selbst zwei erwachsene Töchter hatte. Schloß und verriegelte nachts die Thüren. Allein es war keine Mauer so hoch, daß ich nicht konnte zu meiner Gespielin kommen, da ihrer mehr bei einander waren und wir allerhand Kurzweil trieben.</p>
          <p>Unter andern war eine Stadtrichters-Tochter, welche mehr männlich als Weibes-Geschlechts, wie mir die andern vor wahrhaftig vertraueten. Deshalb gern bei die Jungfern war und selbige bei sich hatte. Aber sie wollten ihrer nicht, weil sie so übel und einen Bart umbs Maul hatte. &#x2013; wie ich in Breslau dergleichen wahrhaftig gefunden.</p>
          <p>Hingegen war ein Soldat unter meinen Kompagnien,
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0111] ging. Denn dieser Mann aus großer Trübsals-Probe und Erfahrung mit einem durchdringenden Geist und Gebet predigte. Denn er war in Kopenhagen vornehmer Priester gewesen, hatte aber das Unglück erlitten, einen Bettler tot zu schlagen, weil der Bettler selbigen, als er Mittages von der Treppe zu Tisch gehen will, ungestüm anfällt und mit Gewalt Geld von ihm erzwingen wollen, er mit seinem in Händen habenden Stock einmal so gefährlich an’n Kopf schlaget, daß er gleich tot bleibet. Darüber er zwar nicht als ein würklicher, vorsätzlicher Totschläger war angesehen, jedoch wegen Ärgernis auf diese Pönitenz-Pfarre rausgesendet worden. Ich konnte aber auch hier nicht lange ohne Anfechtung und Versuchung bleiben. Maßen ein gewiß Frauenzimmer, oder Gastwirts-Tochter, einen Narren an mir gefressen und alle Gelegenheit gesucht, mit mir bekannt zu werden; etliche mal an mich geschicket, endlich aber selbst sich in’n Finger geschnitten und, solchen zu verbinden, zu mir kam. Und das war so die Gelegenheit. Und die Bekanntschaft ward so groß, daß sie ohne mich, und ich ohne sie nicht wohl sein können. Dies merkte meine Wirtin, wollte es gern verhindern, weil sie selbst zwei erwachsene Töchter hatte. Schloß und verriegelte nachts die Thüren. Allein es war keine Mauer so hoch, daß ich nicht konnte zu meiner Gespielin kommen, da ihrer mehr bei einander waren und wir allerhand Kurzweil trieben. Unter andern war eine Stadtrichters-Tochter, welche mehr männlich als Weibes-Geschlechts, wie mir die andern vor wahrhaftig vertraueten. Deshalb gern bei die Jungfern war und selbige bei sich hatte. Aber sie wollten ihrer nicht, weil sie so übel und einen Bart umbs Maul hatte. – wie ich in Breslau dergleichen wahrhaftig gefunden. Hingegen war ein Soldat unter meinen Kompagnien,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/111
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/111>, abgerufen am 21.11.2024.