Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

resolvierete und ein groß apostema unter dem linken Arm auswarf; bei welchem von neuem viel Schmerz und Kosten hatte.

Dieses vermehrete den Verdruß bei Vater und Geschwistern, daß ich auch bei aller Gelegenheit viel Schmach hatte. Jedoch ihnen öfters gesaget: "Ich bin euer Joseph, ihr werdet einmal alle zu mir kommen und Hülfe bei mir suchen." so auch hernach wohl eingetroffen ist, wie folget.

Endlich, ich hatte kaum das vierzehente Jahr erreichet, so wollte mich der Vater zum Seiler-Handwerk gebrauchen. War aber schwach und hatte keine Lust dazu, wiewohl ich's etliche mal versuchte.

Wollte mich der Vater im Haus nicht mehr leiden, sagete einen Abend zu mir mit harten Worten: "Du mußt fort, erwähle dir heute, was du werden wilt." - (Umb die Zeit, anno 1680, starb der Administrator allhier, und nahm der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, die Stadt und Land mit Soldaten ein.) - Da ging die Herzensangst, Trauren, Weinen und Beten die Nacht an! GOtt sollte mir doch anzeigen, was zu erwählen, daß ich Ihm und meinen Nächsten dienen und mein Brot haben könnte!

Siehe; so habe dieselbe ganze Nacht mit Barbiersachen zu thun gehabt und von Medizin geträumet. Als woraus ich geschlossen: es wäre dies der Zweck.

Als nun des morgenden Tages gefraget wird: was ich resolvieret? die Antwort war: ich wollte ein Barbier werden. Sahe mich der Vater stürmisch an, ja, sagte gleich: "Wer hat dir das in'n Kopf gesetzet? du meinest, weil solche gute, faule Tage haben? wenn's kein Geld kostete! Wo will ich's hernehmen?" - Drauf ich ihm gesaget: "Es würden sich wohl Mittel dazu finden, und sollte er

resolvierete und ein groß apostema unter dem linken Arm auswarf; bei welchem von neuem viel Schmerz und Kosten hatte.

Dieses vermehrete den Verdruß bei Vater und Geschwistern, daß ich auch bei aller Gelegenheit viel Schmach hatte. Jedoch ihnen öfters gesaget: „Ich bin euer Joseph, ihr werdet einmal alle zu mir kommen und Hülfe bei mir suchen.“ so auch hernach wohl eingetroffen ist, wie folget.

Endlich, ich hatte kaum das vierzehente Jahr erreichet, so wollte mich der Vater zum Seiler-Handwerk gebrauchen. War aber schwach und hatte keine Lust dazu, wiewohl ich’s etliche mal versuchte.

Wollte mich der Vater im Haus nicht mehr leiden, sagete einen Abend zu mir mit harten Worten: „Du mußt fort, erwähle dir heute, was du werden wilt.“ – (Umb die Zeit, anno 1680, starb der Administrator allhier, und nahm der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, die Stadt und Land mit Soldaten ein.) – Da ging die Herzensangst, Trauren, Weinen und Beten die Nacht an! GOtt sollte mir doch anzeigen, was zu erwählen, daß ich Ihm und meinen Nächsten dienen und mein Brot haben könnte!

Siehe; so habe dieselbe ganze Nacht mit Barbiersachen zu thun gehabt und von Medizin geträumet. Als woraus ich geschlossen: es wäre dies der Zweck.

Als nun des morgenden Tages gefraget wird: was ich resolvieret? die Antwort war: ich wollte ein Barbier werden. Sahe mich der Vater stürmisch an, ja, sagte gleich: „Wer hat dir das in’n Kopf gesetzet? du meinest, weil solche gute, faule Tage haben? wenn’s kein Geld kostete! Wo will ich’s hernehmen?“ – Drauf ich ihm gesaget: „Es würden sich wohl Mittel dazu finden, und sollte er

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0022"/>
resolvierete und ein groß <hi rendition="#aq">apostema</hi> unter dem linken Arm auswarf; bei welchem von neuem viel Schmerz und Kosten hatte.</p>
          <p>Dieses vermehrete den Verdruß bei Vater und Geschwistern, daß ich auch bei aller Gelegenheit viel Schmach hatte. Jedoch ihnen öfters gesaget: &#x201E;Ich bin euer Joseph, ihr werdet einmal alle zu mir kommen und Hülfe bei mir suchen.&#x201C; so auch hernach wohl eingetroffen ist, wie folget.</p>
          <p><hi rendition="#in">E</hi>ndlich, ich hatte kaum das vierzehente Jahr erreichet, so wollte mich der Vater zum Seiler-Handwerk gebrauchen. War aber schwach und hatte keine Lust dazu, wiewohl ich&#x2019;s etliche mal versuchte.</p>
          <p>Wollte mich der Vater im Haus nicht mehr leiden, sagete einen Abend zu mir mit harten Worten: &#x201E;Du mußt fort, erwähle dir heute, was du werden wilt.&#x201C; &#x2013; (Umb die Zeit, anno 1680, starb der Administrator allhier, und nahm der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, die Stadt und Land mit Soldaten ein.) &#x2013; Da ging die Herzensangst, Trauren, Weinen und Beten die Nacht an! GOtt sollte mir doch anzeigen, was zu erwählen, daß ich Ihm und meinen Nächsten dienen und mein Brot haben könnte!</p>
          <p>Siehe; so habe dieselbe ganze Nacht mit Barbiersachen zu thun gehabt und von Medizin geträumet. Als woraus ich geschlossen: es wäre dies der Zweck.</p>
          <p>Als nun des morgenden Tages gefraget wird: was ich resolvieret? die Antwort war: ich wollte ein Barbier werden. Sahe mich der Vater stürmisch an, ja, sagte gleich: &#x201E;Wer hat dir das in&#x2019;n Kopf gesetzet? du meinest, weil solche gute, faule Tage haben? wenn&#x2019;s kein Geld kostete! Wo will ich&#x2019;s hernehmen?&#x201C; &#x2013; Drauf ich ihm gesaget: &#x201E;Es würden sich wohl Mittel dazu finden, und sollte er
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0022] resolvierete und ein groß apostema unter dem linken Arm auswarf; bei welchem von neuem viel Schmerz und Kosten hatte. Dieses vermehrete den Verdruß bei Vater und Geschwistern, daß ich auch bei aller Gelegenheit viel Schmach hatte. Jedoch ihnen öfters gesaget: „Ich bin euer Joseph, ihr werdet einmal alle zu mir kommen und Hülfe bei mir suchen.“ so auch hernach wohl eingetroffen ist, wie folget. Endlich, ich hatte kaum das vierzehente Jahr erreichet, so wollte mich der Vater zum Seiler-Handwerk gebrauchen. War aber schwach und hatte keine Lust dazu, wiewohl ich’s etliche mal versuchte. Wollte mich der Vater im Haus nicht mehr leiden, sagete einen Abend zu mir mit harten Worten: „Du mußt fort, erwähle dir heute, was du werden wilt.“ – (Umb die Zeit, anno 1680, starb der Administrator allhier, und nahm der Kurfürst von Brandenburg, Friedrich Wilhelm, die Stadt und Land mit Soldaten ein.) – Da ging die Herzensangst, Trauren, Weinen und Beten die Nacht an! GOtt sollte mir doch anzeigen, was zu erwählen, daß ich Ihm und meinen Nächsten dienen und mein Brot haben könnte! Siehe; so habe dieselbe ganze Nacht mit Barbiersachen zu thun gehabt und von Medizin geträumet. Als woraus ich geschlossen: es wäre dies der Zweck. Als nun des morgenden Tages gefraget wird: was ich resolvieret? die Antwort war: ich wollte ein Barbier werden. Sahe mich der Vater stürmisch an, ja, sagte gleich: „Wer hat dir das in’n Kopf gesetzet? du meinest, weil solche gute, faule Tage haben? wenn’s kein Geld kostete! Wo will ich’s hernehmen?“ – Drauf ich ihm gesaget: „Es würden sich wohl Mittel dazu finden, und sollte er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/22
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/22>, abgerufen am 03.12.2024.