Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.könnte; ich sollte nur allein gehen und die Beschaffenheit der Sache sagen; es hätte alles nichts zu bedeuten. Drauf wagte ich's. Dokter Krimpff wiederholete seine vortrefflichen Sachen und brachte noch mehr dazu und drange auf die Ehescheidung. Die Herrn Kommissarien, sonderlich Rath Heineccius, der das Wort führete, wußte des Doktor Krimpffs falsches Angeben nacheinander trefflich zu exaggerieren und mir vorzuhalten; da es auf die Passage kam: ich ginge alle Tage zum Saufen in die Wirtshäuser; es wär besser, daß ich zu Hause blieb und ein geistlich Buch oder die Bibel in die Hand nähme ec. - Ich antwortete darauf: ich müßte wohl manches Mal aus chagrin und Verdrüßlichkeit meines Lebens unter Leute gehen, daß ich nicht gar verzagte; ich söff mich aber nicht voll, daß sie mich unterwegens aus der Kutsche verlören und ich das Haus nicht finden könnte, wie wohl ehemals auf dem geistlichen Lerchenfang passieret. Ihro Hochwürden könne auch nicht allezeit bei'n Büchern sitzen! Ei, was hatte ich übel geredet! Der Herr stund auf, machte das Fenster auf, stund und sagte: er wollte mit der verdrüßlichen Kommission nichts mehr zu thun haben. - Herr Rath Bodinus lachte desto mehr; immer, daß ihm der Bauch schütterte. Dem war es recht; jener aber desto verbitterter. Der Rathsmeister aber sahe ganz sauer auf mich. Sie und ihr Advokat bestunden auf der Ehescheidung und trotzeten recht auf mich los, daß ich endlich, aus Ungeduld, als ich drüber gefraget wurde: ob ich wollte geschieden sein? sagte: ich suchte keine Ehescheidung; hätte mein Kreuz so lange getragen; wollte sie aber geschieden sein, und mir nicht zur Hand gehen, so möchte sie sich scheiden. Das Wort brachte mich ins Unglück! Denn sie hatten's lange gern gehöret! Deshalb der Doktor Krimpff laut zu dem Secretario rufte: "Aufgeschrieben! Dies könnte; ich sollte nur allein gehen und die Beschaffenheit der Sache sagen; es hätte alles nichts zu bedeuten. Drauf wagte ich’s. Dokter Krimpff wiederholete seine vortrefflichen Sachen und brachte noch mehr dazu und drange auf die Ehescheidung. Die Herrn Kommissarien, sonderlich Rath Heineccius, der das Wort führete, wußte des Doktor Krimpffs falsches Angeben nacheinander trefflich zu exaggerieren und mir vorzuhalten; da es auf die Passage kam: ich ginge alle Tage zum Saufen in die Wirtshäuser; es wär besser, daß ich zu Hause blieb und ein geistlich Buch oder die Bibel in die Hand nähme ec. – Ich antwortete darauf: ich müßte wohl manches Mal aus chagrin und Verdrüßlichkeit meines Lebens unter Leute gehen, daß ich nicht gar verzagte; ich söff mich aber nicht voll, daß sie mich unterwegens aus der Kutsche verlören und ich das Haus nicht finden könnte, wie wohl ehemals auf dem geistlichen Lerchenfang passieret. Ihro Hochwürden könne auch nicht allezeit bei’n Büchern sitzen! Ei, was hatte ich übel geredet! Der Herr stund auf, machte das Fenster auf, stund und sagte: er wollte mit der verdrüßlichen Kommission nichts mehr zu thun haben. – Herr Rath Bodinus lachte desto mehr; immer, daß ihm der Bauch schütterte. Dem war es recht; jener aber desto verbitterter. Der Rathsmeister aber sahe ganz sauer auf mich. Sie und ihr Advokat bestunden auf der Ehescheidung und trotzeten recht auf mich los, daß ich endlich, aus Ungeduld, als ich drüber gefraget wurde: ob ich wollte geschieden sein? sagte: ich suchte keine Ehescheidung; hätte mein Kreuz so lange getragen; wollte sie aber geschieden sein, und mir nicht zur Hand gehen, so möchte sie sich scheiden. Das Wort brachte mich ins Unglück! Denn sie hatten’s lange gern gehöret! Deshalb der Doktor Krimpff laut zu dem Secretario rufte: „Aufgeschrieben! Dies <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0276"/> könnte; ich sollte nur allein gehen und die Beschaffenheit der Sache sagen; es hätte alles nichts zu bedeuten. Drauf wagte ich’s.</p> <p>Dokter Krimpff wiederholete seine vortrefflichen Sachen und brachte noch mehr dazu und drange auf die Ehescheidung.</p> <p>Die Herrn Kommissarien, sonderlich Rath Heineccius, der das Wort führete, wußte des Doktor Krimpffs falsches Angeben nacheinander trefflich zu exaggerieren und mir vorzuhalten; da es auf die Passage kam: ich ginge alle Tage zum Saufen in die Wirtshäuser; es wär besser, daß ich zu Hause blieb und ein geistlich Buch oder die Bibel in die Hand nähme ec. – Ich antwortete darauf: ich müßte wohl manches Mal aus <hi rendition="#aq">chagrin</hi> und Verdrüßlichkeit meines Lebens unter Leute gehen, daß ich nicht gar verzagte; ich söff mich aber nicht voll, daß sie mich unterwegens aus der Kutsche verlören und ich das Haus nicht finden könnte, wie wohl ehemals auf dem geistlichen Lerchenfang passieret. Ihro Hochwürden könne auch nicht allezeit bei’n Büchern sitzen!</p> <p>Ei, was hatte ich übel geredet! Der Herr stund auf, machte das Fenster auf, stund und sagte: er wollte mit der verdrüßlichen Kommission nichts mehr zu thun haben. – Herr Rath Bodinus lachte desto mehr; immer, daß ihm der Bauch schütterte. Dem war es recht; jener aber desto verbitterter. Der Rathsmeister aber sahe ganz sauer auf mich.</p> <p>Sie und ihr Advokat bestunden auf der Ehescheidung und trotzeten recht auf mich los, daß ich endlich, aus Ungeduld, als ich drüber gefraget wurde: ob ich wollte geschieden sein? sagte: ich suchte keine Ehescheidung; hätte mein Kreuz so lange getragen; wollte sie aber geschieden sein, und mir nicht zur Hand gehen, so möchte sie sich scheiden.</p> <p>Das Wort brachte mich ins Unglück! Denn sie hatten’s lange gern gehöret! Deshalb der Doktor Krimpff laut zu dem <hi rendition="#aq">Secretario</hi> rufte: „Aufgeschrieben! Dies </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0276]
könnte; ich sollte nur allein gehen und die Beschaffenheit der Sache sagen; es hätte alles nichts zu bedeuten. Drauf wagte ich’s.
Dokter Krimpff wiederholete seine vortrefflichen Sachen und brachte noch mehr dazu und drange auf die Ehescheidung.
Die Herrn Kommissarien, sonderlich Rath Heineccius, der das Wort führete, wußte des Doktor Krimpffs falsches Angeben nacheinander trefflich zu exaggerieren und mir vorzuhalten; da es auf die Passage kam: ich ginge alle Tage zum Saufen in die Wirtshäuser; es wär besser, daß ich zu Hause blieb und ein geistlich Buch oder die Bibel in die Hand nähme ec. – Ich antwortete darauf: ich müßte wohl manches Mal aus chagrin und Verdrüßlichkeit meines Lebens unter Leute gehen, daß ich nicht gar verzagte; ich söff mich aber nicht voll, daß sie mich unterwegens aus der Kutsche verlören und ich das Haus nicht finden könnte, wie wohl ehemals auf dem geistlichen Lerchenfang passieret. Ihro Hochwürden könne auch nicht allezeit bei’n Büchern sitzen!
Ei, was hatte ich übel geredet! Der Herr stund auf, machte das Fenster auf, stund und sagte: er wollte mit der verdrüßlichen Kommission nichts mehr zu thun haben. – Herr Rath Bodinus lachte desto mehr; immer, daß ihm der Bauch schütterte. Dem war es recht; jener aber desto verbitterter. Der Rathsmeister aber sahe ganz sauer auf mich.
Sie und ihr Advokat bestunden auf der Ehescheidung und trotzeten recht auf mich los, daß ich endlich, aus Ungeduld, als ich drüber gefraget wurde: ob ich wollte geschieden sein? sagte: ich suchte keine Ehescheidung; hätte mein Kreuz so lange getragen; wollte sie aber geschieden sein, und mir nicht zur Hand gehen, so möchte sie sich scheiden.
Das Wort brachte mich ins Unglück! Denn sie hatten’s lange gern gehöret! Deshalb der Doktor Krimpff laut zu dem Secretario rufte: „Aufgeschrieben! Dies
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