Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Der Soldat fragete, was das vor Leute wären, die so gottlos handeln. - "Es ist ein Kaufmann Nebelthau, und hat wohl sechszehntausend Thaler bankrottieret," sagte ich. - Er meinet: kenne sie wohl, wollte hingehen und sehen, ob die Frau wahrhaftig krank sei, oder nicht. - Ich ließ es geschehen. Der Soldat gehet hin, findet zu seinem und meinem Unglück die Haus- und Stubenthür offen, gehet grade ein, satzet sich an'n Tisch, wo die Frau ist, welche aber, sobald der Soldat kombt, ins Bett hüpfet. Der Soldat sitzt da, langet sein Tobak-Pfeifchen und Zunder und rauchet eins da am Tisch. Die Frau kann keinen Tobak leiden, lamentieret und schreiet. Sie fragen den Soldaten: was er will und wer ihn hergeschickt? - Der spricht: "Es kann euch gleichviel thun; ich will sehen, ob ihr krank seid, warum wollt ihr den ehrlichen Mann, Dietzen, betrügen, da er euch doch soviel Geld baar an Zweidrittel-Stücken hie auf den Tisch gezählet?" - "So hat euch Dietz hergeschickt? Wir hören's nun wohl. Nun, nun!" - Darauf fanget der Sohn und das Gesinde an zu laufen nach dem Herrn Rathmeister Kosten, welches ihr Konsulent und ihrer wohl genossen, zum Herrn Obrist Kleist, welcher zu allem Glück auf der Bärenhatze gewesen, zum Herrn Auditeur Meyern, welcher mich ließ zu sich rufen. - Ich meinete aber: es wäre wegen meines Bruders Sohn, so Soldat werden sollte, und ging nicht hin. Der Soldat hatte gemerket, daß die Sache nicht gut ginge, weil das so ein Gelaufe ist, und gehet seinen Weg nach Kalbe, wo er in Quartier lag. Des Morgens umb neun Uhr schickte der Obrist einen Unteroffizier Lampen ins Haus: ich sollte gleich zum Obristen kommen. Ich wußte von nichts und sagte: "Was soll ich da machen?" - "Das werd't ihr wohl sehen." - Ich sagte: "So gehet, ich will gleich nachkommen." - "Nein, sagte er, ihr müßt gleich mit mir." - Ich mußte mit fortzellern. Der Soldat fragete, was das vor Leute wären, die so gottlos handeln. – „Es ist ein Kaufmann Nebelthau, und hat wohl sechszehntausend Thaler bankrottieret,“ sagte ich. – Er meinet: kenne sie wohl, wollte hingehen und sehen, ob die Frau wahrhaftig krank sei, oder nicht. – Ich ließ es geschehen. Der Soldat gehet hin, findet zu seinem und meinem Unglück die Haus- und Stubenthür offen, gehet grade ein, satzet sich an’n Tisch, wo die Frau ist, welche aber, sobald der Soldat kombt, ins Bett hüpfet. Der Soldat sitzt da, langet sein Tobak-Pfeifchen und Zunder und rauchet eins da am Tisch. Die Frau kann keinen Tobak leiden, lamentieret und schreiet. Sie fragen den Soldaten: was er will und wer ihn hergeschickt? – Der spricht: „Es kann euch gleichviel thun; ich will sehen, ob ihr krank seid, warum wollt ihr den ehrlichen Mann, Dietzen, betrügen, da er euch doch soviel Geld baar an Zweidrittel-Stücken hie auf den Tisch gezählet?“ – „So hat euch Dietz hergeschickt? Wir hören’s nun wohl. Nun, nun!“ – Darauf fanget der Sohn und das Gesinde an zu laufen nach dem Herrn Rathmeister Kosten, welches ihr Konsulent und ihrer wohl genossen, zum Herrn Obrist Kleist, welcher zu allem Glück auf der Bärenhatze gewesen, zum Herrn Auditeur Meyern, welcher mich ließ zu sich rufen. – Ich meinete aber: es wäre wegen meines Bruders Sohn, so Soldat werden sollte, und ging nicht hin. Der Soldat hatte gemerket, daß die Sache nicht gut ginge, weil das so ein Gelaufe ist, und gehet seinen Weg nach Kalbe, wo er in Quartier lag. Des Morgens umb neun Uhr schickte der Obrist einen Unteroffizier Lampen ins Haus: ich sollte gleich zum Obristen kommen. Ich wußte von nichts und sagte: „Was soll ich da machen?“ – „Das werd’t ihr wohl sehen.“ – Ich sagte: „So gehet, ich will gleich nachkommen.“ – „Nein, sagte er, ihr müßt gleich mit mir.“ – Ich mußte mit fortzellern. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <pb facs="#f0300"/> <p>Der Soldat fragete, was das vor Leute wären, die so gottlos handeln. – „Es ist ein Kaufmann Nebelthau, und hat wohl sechszehntausend Thaler bankrottieret,“ sagte ich. – Er meinet: kenne sie wohl, wollte hingehen und sehen, ob die Frau wahrhaftig krank sei, oder nicht. – Ich ließ es geschehen.</p> <p>Der Soldat gehet hin, findet zu seinem und meinem Unglück die Haus- und Stubenthür offen, gehet grade ein, satzet sich an’n Tisch, wo die Frau ist, welche aber, sobald der Soldat kombt, ins Bett hüpfet. Der Soldat sitzt da, langet sein Tobak-Pfeifchen und Zunder und rauchet eins da am Tisch. Die Frau kann keinen Tobak leiden, lamentieret und schreiet. Sie fragen den Soldaten: was er will und wer ihn hergeschickt? – Der spricht: „Es kann euch gleichviel thun; ich will sehen, ob ihr krank seid, warum wollt ihr den ehrlichen Mann, Dietzen, betrügen, da er euch doch soviel Geld baar an Zweidrittel-Stücken hie auf den Tisch gezählet?“ – „So hat euch Dietz hergeschickt? Wir hören’s nun wohl. Nun, nun!“ – Darauf fanget der Sohn und das Gesinde an zu laufen nach dem Herrn Rathmeister Kosten, welches ihr Konsulent und ihrer wohl genossen, zum Herrn Obrist Kleist, welcher zu allem Glück auf der Bärenhatze gewesen, zum Herrn Auditeur Meyern, welcher mich ließ zu sich rufen. – Ich meinete aber: es wäre wegen meines Bruders Sohn, so Soldat werden sollte, und ging nicht hin.</p> <p>Der Soldat hatte gemerket, daß die Sache nicht gut ginge, weil das so ein Gelaufe ist, und gehet seinen Weg nach Kalbe, wo er in Quartier lag. Des Morgens umb neun Uhr schickte der Obrist einen Unteroffizier Lampen ins Haus: ich sollte gleich zum Obristen kommen. Ich wußte von nichts und sagte: „Was soll ich da machen?“ – „Das werd’t ihr wohl sehen.“ – Ich sagte: „So gehet, ich will gleich nachkommen.“ – „Nein, sagte er, ihr müßt gleich mit mir.“ – Ich mußte mit fortzellern.</p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0300]
Der Soldat fragete, was das vor Leute wären, die so gottlos handeln. – „Es ist ein Kaufmann Nebelthau, und hat wohl sechszehntausend Thaler bankrottieret,“ sagte ich. – Er meinet: kenne sie wohl, wollte hingehen und sehen, ob die Frau wahrhaftig krank sei, oder nicht. – Ich ließ es geschehen.
Der Soldat gehet hin, findet zu seinem und meinem Unglück die Haus- und Stubenthür offen, gehet grade ein, satzet sich an’n Tisch, wo die Frau ist, welche aber, sobald der Soldat kombt, ins Bett hüpfet. Der Soldat sitzt da, langet sein Tobak-Pfeifchen und Zunder und rauchet eins da am Tisch. Die Frau kann keinen Tobak leiden, lamentieret und schreiet. Sie fragen den Soldaten: was er will und wer ihn hergeschickt? – Der spricht: „Es kann euch gleichviel thun; ich will sehen, ob ihr krank seid, warum wollt ihr den ehrlichen Mann, Dietzen, betrügen, da er euch doch soviel Geld baar an Zweidrittel-Stücken hie auf den Tisch gezählet?“ – „So hat euch Dietz hergeschickt? Wir hören’s nun wohl. Nun, nun!“ – Darauf fanget der Sohn und das Gesinde an zu laufen nach dem Herrn Rathmeister Kosten, welches ihr Konsulent und ihrer wohl genossen, zum Herrn Obrist Kleist, welcher zu allem Glück auf der Bärenhatze gewesen, zum Herrn Auditeur Meyern, welcher mich ließ zu sich rufen. – Ich meinete aber: es wäre wegen meines Bruders Sohn, so Soldat werden sollte, und ging nicht hin.
Der Soldat hatte gemerket, daß die Sache nicht gut ginge, weil das so ein Gelaufe ist, und gehet seinen Weg nach Kalbe, wo er in Quartier lag. Des Morgens umb neun Uhr schickte der Obrist einen Unteroffizier Lampen ins Haus: ich sollte gleich zum Obristen kommen. Ich wußte von nichts und sagte: „Was soll ich da machen?“ – „Das werd’t ihr wohl sehen.“ – Ich sagte: „So gehet, ich will gleich nachkommen.“ – „Nein, sagte er, ihr müßt gleich mit mir.“ – Ich mußte mit fortzellern.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/300 |
Zitationshilfe: | Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/300>, abgerufen am 27.07.2024. |