Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.

Bild:
<< vorherige Seite

Weibern sähe, die das Almosen genössen; doch nicht davon ließen!

Am allermeisten hat mir das in der Seele gekränkt und am meisten zur Resolution gebracht, daß meiner Brüder Kinder (da es überhaupt nicht gut angewandt), auch meine Schwäger, sich bereits rühmeten: "Das Haus ist mein, gewiß gnug!" - "Meines Vettern Geld wird uns nicht entlaufen!" -"Mein Lohn ist der Universalerbe!" - "So viel tausend, tausend Thaler hat er!" - Und was dergleichen ungefangene Fische und nahrhafte Vögel mehr waren!

Alle wollten sie von mir haben. Aber keiner that mir was Gutes, sondern redeten noch wohl das Ärgeste von mir, oder hetzten andere Leute an.

Wann ich jemand gehabt, der sich meiner angenommen, oder ich mich zu ihnen halten können im Vertrauen - alle diese obigen, wahrhaftigen, so beschaffenen Vorbildungen derer itzigen Zustände hätten mich vom Heiraten ganz zurückgehalten.

Welches, nachgehends besser bedacht, der allerbeste Vorschlag, den ich mir selbsten machte (denn kein Mensch gab mir Rat, außer eigenem Interesse), war wohl dieser, dem hätte folgen sollen, nämlich: ich bekam eine Berufung nach'n Zerbster Hof; hätte folgen sollen: in Regard, daß ich durch mein bischen baares Vermögen mich mit Länderei ankaufen, eine profitable Heirat thun und bei Hof eine gute Bedienung haben können. So hätte ich vergnüget und in Ruhe leben mögen.

Denn ich wahrhaftig die elende Zeit und Drangsal in unserm Lande vorhergesehen und andern gesaget und lang zuvor gewarnet; aber, mich selbst nicht draus gezogen, wie ich wohl gekonnt; denn ich kein Kind und niemand hatte.

Weibern sähe, die das Almosen genössen; doch nicht davon ließen!

Am allermeisten hat mir das in der Seele gekränkt und am meisten zur Resolution gebracht, daß meiner Brüder Kinder (da es überhaupt nicht gut angewandt), auch meine Schwäger, sich bereits rühmeten: „Das Haus ist mein, gewiß gnug!“ – „Meines Vettern Geld wird uns nicht entlaufen!“ –„Mein Lohn ist der Universalerbe!“ – „So viel tausend, tausend Thaler hat er!“ – Und was dergleichen ungefangene Fische und nahrhafte Vögel mehr waren!

Alle wollten sie von mir haben. Aber keiner that mir was Gutes, sondern redeten noch wohl das Ärgeste von mir, oder hetzten andere Leute an.

Wann ich jemand gehabt, der sich meiner angenommen, oder ich mich zu ihnen halten können im Vertrauen – alle diese obigen, wahrhaftigen, so beschaffenen Vorbildungen derer itzigen Zustände hätten mich vom Heiraten ganz zurückgehalten.

Welches, nachgehends besser bedacht, der allerbeste Vorschlag, den ich mir selbsten machte (denn kein Mensch gab mir Rat, außer eigenem Interesse), war wohl dieser, dem hätte folgen sollen, nämlich: ich bekam eine Berufung nach’n Zerbster Hof; hätte folgen sollen: in Regard, daß ich durch mein bischen baares Vermögen mich mit Länderei ankaufen, eine profitable Heirat thun und bei Hof eine gute Bedienung haben können. So hätte ich vergnüget und in Ruhe leben mögen.

Denn ich wahrhaftig die elende Zeit und Drangsal in unserm Lande vorhergesehen und andern gesaget und lang zuvor gewarnet; aber, mich selbst nicht draus gezogen, wie ich wohl gekonnt; denn ich kein Kind und niemand hatte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="1">
          <p><pb facs="#f0309"/>
Weibern sähe, die das Almosen genössen; doch nicht davon ließen!</p>
          <p>Am allermeisten hat mir das in der Seele gekränkt und am meisten zur Resolution gebracht, daß meiner Brüder Kinder (da es überhaupt nicht gut angewandt), auch meine Schwäger, sich bereits rühmeten: &#x201E;Das Haus ist mein, gewiß gnug!&#x201C; &#x2013; &#x201E;Meines Vettern Geld wird uns nicht entlaufen!&#x201C; &#x2013;&#x201E;Mein Lohn ist der Universalerbe!&#x201C; &#x2013; &#x201E;So viel tausend, tausend Thaler hat er!&#x201C; &#x2013; Und was dergleichen ungefangene Fische und nahrhafte Vögel mehr waren!</p>
          <p>Alle wollten sie von mir haben. Aber keiner that mir was Gutes, sondern redeten noch wohl das Ärgeste von mir, oder hetzten andere Leute an.</p>
          <p>Wann ich jemand gehabt, der sich meiner angenommen, oder ich mich zu ihnen halten können im Vertrauen &#x2013; alle diese obigen, wahrhaftigen, so beschaffenen Vorbildungen derer itzigen Zustände hätten mich vom Heiraten ganz zurückgehalten.</p>
          <p>Welches, nachgehends besser bedacht, der allerbeste Vorschlag, den ich mir selbsten machte (denn kein Mensch gab mir Rat, außer eigenem Interesse), war wohl dieser, dem hätte folgen sollen, nämlich: ich bekam eine Berufung nach&#x2019;n Zerbster Hof; hätte folgen sollen: in Regard, daß ich durch mein bischen baares Vermögen mich mit Länderei ankaufen, eine profitable Heirat thun und bei Hof eine gute Bedienung haben können. So hätte ich vergnüget und in Ruhe leben mögen.</p>
          <p>Denn ich wahrhaftig die elende Zeit und Drangsal in unserm Lande vorhergesehen und andern gesaget und lang zuvor gewarnet; aber, mich selbst nicht draus gezogen, wie ich wohl gekonnt; denn ich kein Kind und niemand hatte.</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0309] Weibern sähe, die das Almosen genössen; doch nicht davon ließen! Am allermeisten hat mir das in der Seele gekränkt und am meisten zur Resolution gebracht, daß meiner Brüder Kinder (da es überhaupt nicht gut angewandt), auch meine Schwäger, sich bereits rühmeten: „Das Haus ist mein, gewiß gnug!“ – „Meines Vettern Geld wird uns nicht entlaufen!“ –„Mein Lohn ist der Universalerbe!“ – „So viel tausend, tausend Thaler hat er!“ – Und was dergleichen ungefangene Fische und nahrhafte Vögel mehr waren! Alle wollten sie von mir haben. Aber keiner that mir was Gutes, sondern redeten noch wohl das Ärgeste von mir, oder hetzten andere Leute an. Wann ich jemand gehabt, der sich meiner angenommen, oder ich mich zu ihnen halten können im Vertrauen – alle diese obigen, wahrhaftigen, so beschaffenen Vorbildungen derer itzigen Zustände hätten mich vom Heiraten ganz zurückgehalten. Welches, nachgehends besser bedacht, der allerbeste Vorschlag, den ich mir selbsten machte (denn kein Mensch gab mir Rat, außer eigenem Interesse), war wohl dieser, dem hätte folgen sollen, nämlich: ich bekam eine Berufung nach’n Zerbster Hof; hätte folgen sollen: in Regard, daß ich durch mein bischen baares Vermögen mich mit Länderei ankaufen, eine profitable Heirat thun und bei Hof eine gute Bedienung haben können. So hätte ich vergnüget und in Ruhe leben mögen. Denn ich wahrhaftig die elende Zeit und Drangsal in unserm Lande vorhergesehen und andern gesaget und lang zuvor gewarnet; aber, mich selbst nicht draus gezogen, wie ich wohl gekonnt; denn ich kein Kind und niemand hatte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-06-28T07:11:29Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition (2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition (2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-06-28T07:11:29Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert
  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/309
Zitationshilfe: Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dietz_leben_1915/309>, abgerufen am 28.11.2024.