Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.Meister Johann Dietz hat seine Biographie nicht ganz allein für sich geschrieben. Er hatte einen lehrhaften Zweck im Auge und setzte an manche Stelle, die ihm beachtlich schien, weil sie eine Lebenserfahrung brachte, ein großes Nota bene! Vielleicht hat Dietz daran gedacht, seine Lebensgeschichte zu veröffentlichen und starb darüber weg. Allerdings konnte das Manuskript, wie es vorliegt, damals schwerlich gedruckt werden. Denn es ist zu indiskret. Dietz hat mit viel zu großer Unbefangenheit über sich und seine lieben Mitbürger geschrieben; er hat viel zu viel Namen genannt: Advokaten, Geistliche und Herren vom Rat, und hat einzelnen eine Charakteristik mit auf den Weg gegeben, die - eben weil sie treffend war - seinerzeit verletzen mußte! Diese Namen heute zu streichen, ist nicht nötig. Generationen sind darüber hinweggegangen, wer über diese alten Hallenser Familien und über die Zustände der Stadt nähere Nachricht verlangt, findet sie bei Johann Christoph von Dreyhaupt in der "Beschreibung des Saal-Creyses" (Halle 1755) und sei auch auf Gustav Frd. Hertzbergs "Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale" (Halle 1889-93) verwiesen. Und wer etwa zufällig in Christian Reuters famoser Lügengeschichte, in: "Schelmuffskys wahrhaftiger, curiöser und sehr gefährlicher Reisebeschreibung zu Wasser und Lande" nachblättern sollte, wird dort einen "berühmten Feldscher" finden, "welcher auch wacker wollte gereiset sein". - Christian Reuter ist in Kütten, das dicht bei Halle, ungefähr nördlich von der Stadt gelegen ist, im gleichen Jahre wie Meister Dietz geboren. Als Reuter seinen Roman, zu dem ihm - wie bekannt - lebende Personen Modell gestanden, in den Jahren 1696/97 erscheinen ließ, war er über Halle und Leipzig mit keinem Schritt hinausgekommen. Ich will nun nicht sagen, daß Dietz jener Meister Johann Dietz hat seine Biographie nicht ganz allein für sich geschrieben. Er hatte einen lehrhaften Zweck im Auge und setzte an manche Stelle, die ihm beachtlich schien, weil sie eine Lebenserfahrung brachte, ein großes Nota bene! Vielleicht hat Dietz daran gedacht, seine Lebensgeschichte zu veröffentlichen und starb darüber weg. Allerdings konnte das Manuskript, wie es vorliegt, damals schwerlich gedruckt werden. Denn es ist zu indiskret. Dietz hat mit viel zu großer Unbefangenheit über sich und seine lieben Mitbürger geschrieben; er hat viel zu viel Namen genannt: Advokaten, Geistliche und Herren vom Rat, und hat einzelnen eine Charakteristik mit auf den Weg gegeben, die – eben weil sie treffend war – seinerzeit verletzen mußte! Diese Namen heute zu streichen, ist nicht nötig. Generationen sind darüber hinweggegangen, wer über diese alten Hallenser Familien und über die Zustände der Stadt nähere Nachricht verlangt, findet sie bei Johann Christoph von Dreyhaupt in der „Beschreibung des Saal-Creyses“ (Halle 1755) und sei auch auf Gustav Frd. Hertzbergs „Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale“ (Halle 1889–93) verwiesen. Und wer etwa zufällig in Christian Reuters famoser Lügengeschichte, in: „Schelmuffskys wahrhaftiger, curiöser und sehr gefährlicher Reisebeschreibung zu Wasser und Lande“ nachblättern sollte, wird dort einen „berühmten Feldscher“ finden, „welcher auch wacker wollte gereiset sein“. – Christian Reuter ist in Kütten, das dicht bei Halle, ungefähr nördlich von der Stadt gelegen ist, im gleichen Jahre wie Meister Dietz geboren. Als Reuter seinen Roman, zu dem ihm – wie bekannt – lebende Personen Modell gestanden, in den Jahren 1696/97 erscheinen ließ, war er über Halle und Leipzig mit keinem Schritt hinausgekommen. 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Meister Johann Dietz hat seine Biographie nicht ganz allein für sich geschrieben. Er hatte einen lehrhaften Zweck im Auge und setzte an manche Stelle, die ihm beachtlich schien, weil sie eine Lebenserfahrung brachte, ein großes Nota bene! Vielleicht hat Dietz daran gedacht, seine Lebensgeschichte zu veröffentlichen und starb darüber weg.
Allerdings konnte das Manuskript, wie es vorliegt, damals schwerlich gedruckt werden. Denn es ist zu indiskret. Dietz hat mit viel zu großer Unbefangenheit über sich und seine lieben Mitbürger geschrieben; er hat viel zu viel Namen genannt: Advokaten, Geistliche und Herren vom Rat, und hat einzelnen eine Charakteristik mit auf den Weg gegeben, die – eben weil sie treffend war – seinerzeit verletzen mußte! Diese Namen heute zu streichen, ist nicht nötig. Generationen sind darüber hinweggegangen, wer über diese alten Hallenser Familien und über die Zustände der Stadt nähere Nachricht verlangt, findet sie bei Johann Christoph von Dreyhaupt in der „Beschreibung des Saal-Creyses“ (Halle 1755) und sei auch auf Gustav Frd. Hertzbergs „Geschichte der Stadt Halle a. d. Saale“ (Halle 1889–93) verwiesen.
Und wer etwa zufällig in Christian Reuters famoser Lügengeschichte, in: „Schelmuffskys wahrhaftiger, curiöser und sehr gefährlicher Reisebeschreibung zu Wasser und Lande“ nachblättern sollte, wird dort einen „berühmten Feldscher“ finden, „welcher auch wacker wollte gereiset sein“. – Christian Reuter ist in Kütten, das dicht bei Halle, ungefähr nördlich von der Stadt gelegen ist, im gleichen Jahre wie Meister Dietz geboren. Als Reuter seinen Roman, zu dem ihm – wie bekannt – lebende Personen Modell gestanden, in den Jahren 1696/97 erscheinen ließ, war er über Halle und Leipzig mit keinem Schritt hinausgekommen. Ich will nun nicht sagen, daß Dietz jener
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