Consentius, Ernst: Meister Johann Dietz erzählt sein Leben. Nach der alten Handschrift in der Königlichen Bibliothek zu Berlin. Ebenhausen, 1915.und wann wir hätten sterben sollen! Sie fraßen selber Pferdefleisch Wie ich denn selbsten welches mit Sauerkraut aße, welches, wann ich's nicht gewußt, mir ganz wohl schmackte, nur daß es sehr rot und schaumig aussahe. Es sturben von uns hier viel Leute und litten Hunger. Weshalb ich mich auf ein Mittel bedachte, und zu etlichen Konstabeln sagte: sie sollten mitgehen, daß wir was zu essen bekämen. - Sie lachten mich aus: und wäre ein Narre, indem alles verwüst, kein Dorf auf dreißig Meiln oder Stadt anzutreffen! - Ich tröstete sie aber und sagte: sie sollten mir nur folgen und jeder ein'n Sack zu sich nehmen. - So sie endlich thaten. Ich hatte nämlich, sowohl im Raus- als Reinmarsche in der Einöde (allwo das Gras manneshoch gewesen und viel Männer und Soldatenweiber, mit sambt ihren Kindern aufm Buckel, von der penetranten Hitze vermattet und verschmachtet auf den Kopf, unterm Marschieren, dahingestürzet und tot gewesen) wahrgenommen, daß viel fischreiche Teiche so ausgetreuget, daß man die häufigen Fische in die Höhe springen sehen. Wir gingen ohngefähr anderthalb Meiln vom Lager und fanden solche. Da zog ich meine Kleider aus und das Hembde, bande den Hals und Ärmel zu, welches die andern auch thaten, und also strichen wir mit dem weiten Teil des Hembdes den Teich durch und bekamen so viel Fische, daß wir in drei Säcken gnung zu tragen hatten. Als ich aus dem Teich kam, war ich ganz schwarz von Blutigeln. Die andern aber nicht. Ich wußte nicht, was ich thun sollte? wann ich sie abriß, liessen sie die Köpfe stecken. Denn ich wußte damals die Kunst nicht: wenn man ihn'n ein wenig Salz, Asche oder heiße Erde aufstreuet, sie gleich gehen lassen. Doch vermeinete: wann sie in ein ander Wasser kämen, sie wegfallen würden. und wann wir hätten sterben sollen! Sie fraßen selber Pferdefleisch Wie ich denn selbsten welches mit Sauerkraut aße, welches, wann ich’s nicht gewußt, mir ganz wohl schmackte, nur daß es sehr rot und schaumig aussahe. Es sturben von uns hier viel Leute und litten Hunger. Weshalb ich mich auf ein Mittel bedachte, und zu etlichen Konstabeln sagte: sie sollten mitgehen, daß wir was zu essen bekämen. – Sie lachten mich aus: und wäre ein Narre, indem alles verwüst, kein Dorf auf dreißig Meiln oder Stadt anzutreffen! – Ich tröstete sie aber und sagte: sie sollten mir nur folgen und jeder ein’n Sack zu sich nehmen. – So sie endlich thaten. Ich hatte nämlich, sowohl im Raus- als Reinmarsche in der Einöde (allwo das Gras manneshoch gewesen und viel Männer und Soldatenweiber, mit sambt ihren Kindern aufm Buckel, von der penetranten Hitze vermattet und verschmachtet auf den Kopf, unterm Marschieren, dahingestürzet und tot gewesen) wahrgenommen, daß viel fischreiche Teiche so ausgetreuget, daß man die häufigen Fische in die Höhe springen sehen. Wir gingen ohngefähr anderthalb Meiln vom Lager und fanden solche. Da zog ich meine Kleider aus und das Hembde, bande den Hals und Ärmel zu, welches die andern auch thaten, und also strichen wir mit dem weiten Teil des Hembdes den Teich durch und bekamen so viel Fische, daß wir in drei Säcken gnung zu tragen hatten. Als ich aus dem Teich kam, war ich ganz schwarz von Blutigeln. Die andern aber nicht. Ich wußte nicht, was ich thun sollte? wann ich sie abriß, liessen sie die Köpfe stecken. Denn ich wußte damals die Kunst nicht: wenn man ihn’n ein wenig Salz, Asche oder heiße Erde aufstreuet, sie gleich gehen lassen. Doch vermeinete: wann sie in ein ander Wasser kämen, sie wegfallen würden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="1"> <p><pb facs="#f0083"/> und wann wir hätten sterben sollen! Sie fraßen selber Pferdefleisch Wie ich denn selbsten welches mit Sauerkraut aße, welches, wann ich’s nicht gewußt, mir ganz wohl schmackte, nur daß es sehr rot und schaumig aussahe.</p> <p><hi rendition="#in">E</hi>s sturben von uns hier viel Leute und litten Hunger. Weshalb ich mich auf ein Mittel bedachte, und zu etlichen Konstabeln sagte: sie sollten mitgehen, daß wir was zu essen bekämen. – Sie lachten mich aus: und wäre ein Narre, indem alles verwüst, kein Dorf auf dreißig Meiln oder Stadt anzutreffen! – Ich tröstete sie aber und sagte: sie sollten mir nur folgen und jeder ein’n Sack zu sich nehmen. – So sie endlich thaten.</p> <p>Ich hatte nämlich, sowohl im Raus- als Reinmarsche in der Einöde (allwo das Gras manneshoch gewesen und viel Männer und Soldatenweiber, mit sambt ihren Kindern aufm Buckel, von der penetranten Hitze vermattet und verschmachtet auf den Kopf, unterm Marschieren, dahingestürzet und tot gewesen) wahrgenommen, daß viel fischreiche Teiche so ausgetreuget, daß man die häufigen Fische in die Höhe springen sehen. Wir gingen ohngefähr anderthalb Meiln vom Lager und fanden solche. Da zog ich meine Kleider aus und das Hembde, bande den Hals und Ärmel zu, welches die andern auch thaten, und also strichen wir mit dem weiten Teil des Hembdes den Teich durch und bekamen so viel Fische, daß wir in drei Säcken gnung zu tragen hatten.</p> <p>Als ich aus dem Teich kam, war ich ganz schwarz von Blutigeln. Die andern aber nicht. Ich wußte nicht, was ich thun sollte? wann ich sie abriß, liessen sie die Köpfe stecken. Denn ich wußte damals die Kunst nicht: wenn man ihn’n ein wenig Salz, Asche oder heiße Erde aufstreuet, sie gleich gehen lassen. Doch vermeinete: wann sie in ein ander Wasser kämen, sie wegfallen würden. </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0083]
und wann wir hätten sterben sollen! Sie fraßen selber Pferdefleisch Wie ich denn selbsten welches mit Sauerkraut aße, welches, wann ich’s nicht gewußt, mir ganz wohl schmackte, nur daß es sehr rot und schaumig aussahe.
Es sturben von uns hier viel Leute und litten Hunger. Weshalb ich mich auf ein Mittel bedachte, und zu etlichen Konstabeln sagte: sie sollten mitgehen, daß wir was zu essen bekämen. – Sie lachten mich aus: und wäre ein Narre, indem alles verwüst, kein Dorf auf dreißig Meiln oder Stadt anzutreffen! – Ich tröstete sie aber und sagte: sie sollten mir nur folgen und jeder ein’n Sack zu sich nehmen. – So sie endlich thaten.
Ich hatte nämlich, sowohl im Raus- als Reinmarsche in der Einöde (allwo das Gras manneshoch gewesen und viel Männer und Soldatenweiber, mit sambt ihren Kindern aufm Buckel, von der penetranten Hitze vermattet und verschmachtet auf den Kopf, unterm Marschieren, dahingestürzet und tot gewesen) wahrgenommen, daß viel fischreiche Teiche so ausgetreuget, daß man die häufigen Fische in die Höhe springen sehen. Wir gingen ohngefähr anderthalb Meiln vom Lager und fanden solche. Da zog ich meine Kleider aus und das Hembde, bande den Hals und Ärmel zu, welches die andern auch thaten, und also strichen wir mit dem weiten Teil des Hembdes den Teich durch und bekamen so viel Fische, daß wir in drei Säcken gnung zu tragen hatten.
Als ich aus dem Teich kam, war ich ganz schwarz von Blutigeln. Die andern aber nicht. Ich wußte nicht, was ich thun sollte? wann ich sie abriß, liessen sie die Köpfe stecken. Denn ich wußte damals die Kunst nicht: wenn man ihn’n ein wenig Salz, Asche oder heiße Erde aufstreuet, sie gleich gehen lassen. Doch vermeinete: wann sie in ein ander Wasser kämen, sie wegfallen würden.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Projekt Gutenberg-DE: Bereitstellung der Texttranskription.
(2013-06-28T07:11:29Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frank Wiegand: Bearbeitung der digitalen Edition
(2012-09-04T07:11:29Z)
Frederike Neuber: Überarbeitung der digitalen Edition
(2014-01-10T14:11:29Z)
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2013-06-28T07:11:29Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |