Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Das Problem des geschichtlichen Fortschritts. dies Verfahren angewandt haben. Der einzig mögliche Wegeiner Erforschung des geschichtlichen Zusammenhangs: Zerlegung desselben in Einzelzusammenhänge, ist in den Einzeltheorien der Systeme der Kultur und der äußeren Organisation der Gesellschaft längst eingeschlagen worden. Das Studium des Individuums als der Lebenseinheit in der Zusammensetzung der Gesellschaft ist die Bedingung für die Erforschung der Thatbestände, die aus der Wechselwirkung dieser Lebenseinheiten in der Gesellschaft durch Abstraktion ausgelöst werden können; nur auf dieser Grundlage der Ergebnisse der Anthropologie, vermittelst der theoretischen Wissenschaften der Gesellschaft in ihren drei Hauptclassen, der Ethnologie, der Wissenschaften von den Systemen der Kultur sowie derer von der äußeren Organisation der Gesellschaft kann das Pro- blem des Zusammenhangs unter den auf einander folgenden Zu- ständen der Gesellschaft allmälig einer Lösung näher geführt werden. -- Auch sind thatsächlich auf diesem Weg alle exakten und fruchtbaren Gesetze gefunden worden, zu denen die Geisteswissen- schaften bisher gelangt sind, wie das Grimm'sche Gesetz in der Sprachwissenschaft, das Thünen'sche in der politischen Oekonomie, die Verallgemeinerungen über Struktur, Entwicklungsgeschichte und Störungen des Staatslebens seit Aristoteles, die Sätze welche Winckelmann, Heyne, die Schlegel über die Entwicklungsgeschichte der Künste gewonnen haben, das Comte'sche Gesetz der Beziehung zwischen der logischen Abhängigkeit der Wissenschaften von einander und ihrer geschichtlichen Abfolge. Die andere Seite dieses Problems von dem allgemeinen Das Problem des geſchichtlichen Fortſchritts. dies Verfahren angewandt haben. Der einzig mögliche Wegeiner Erforſchung des geſchichtlichen Zuſammenhangs: Zerlegung deſſelben in Einzelzuſammenhänge, iſt in den Einzeltheorien der Syſteme der Kultur und der äußeren Organiſation der Geſellſchaft längſt eingeſchlagen worden. Das Studium des Individuums als der Lebenseinheit in der Zuſammenſetzung der Geſellſchaft iſt die Bedingung für die Erforſchung der Thatbeſtände, die aus der Wechſelwirkung dieſer Lebenseinheiten in der Geſellſchaft durch Abſtraktion ausgelöſt werden können; nur auf dieſer Grundlage der Ergebniſſe der Anthropologie, vermittelſt der theoretiſchen Wiſſenſchaften der Geſellſchaft in ihren drei Hauptclaſſen, der Ethnologie, der Wiſſenſchaften von den Syſtemen der Kultur ſowie derer von der äußeren Organiſation der Geſellſchaft kann das Pro- blem des Zuſammenhangs unter den auf einander folgenden Zu- ſtänden der Geſellſchaft allmälig einer Löſung näher geführt werden. — Auch ſind thatſächlich auf dieſem Weg alle exakten und fruchtbaren Geſetze gefunden worden, zu denen die Geiſteswiſſen- ſchaften bisher gelangt ſind, wie das Grimm’ſche Geſetz in der Sprachwiſſenſchaft, das Thünen’ſche in der politiſchen Oekonomie, die Verallgemeinerungen über Struktur, Entwicklungsgeſchichte und Störungen des Staatslebens ſeit Ariſtoteles, die Sätze welche Winckelmann, Heyne, die Schlegel über die Entwicklungsgeſchichte der Künſte gewonnen haben, das Comte’ſche Geſetz der Beziehung zwiſchen der logiſchen Abhängigkeit der Wiſſenſchaften von einander und ihrer geſchichtlichen Abfolge. 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Das Problem des geſchichtlichen Fortſchritts.
dies Verfahren angewandt haben. Der einzig mögliche Weg
einer Erforſchung des geſchichtlichen Zuſammenhangs: Zerlegung
deſſelben in Einzelzuſammenhänge, iſt in den Einzeltheorien der
Syſteme der Kultur und der äußeren Organiſation der Geſellſchaft
längſt eingeſchlagen worden. Das Studium des Individuums
als der Lebenseinheit in der Zuſammenſetzung der Geſellſchaft
iſt die Bedingung für die Erforſchung der Thatbeſtände, die aus
der Wechſelwirkung dieſer Lebenseinheiten in der Geſellſchaft durch
Abſtraktion ausgelöſt werden können; nur auf dieſer Grundlage
der Ergebniſſe der Anthropologie, vermittelſt der theoretiſchen
Wiſſenſchaften der Geſellſchaft in ihren drei Hauptclaſſen, der
Ethnologie, der Wiſſenſchaften von den Syſtemen der Kultur ſowie
derer von der äußeren Organiſation der Geſellſchaft kann das Pro-
blem des Zuſammenhangs unter den auf einander folgenden Zu-
ſtänden der Geſellſchaft allmälig einer Löſung näher geführt
werden. — Auch ſind thatſächlich auf dieſem Weg alle exakten und
fruchtbaren Geſetze gefunden worden, zu denen die Geiſteswiſſen-
ſchaften bisher gelangt ſind, wie das Grimm’ſche Geſetz in der
Sprachwiſſenſchaft, das Thünen’ſche in der politiſchen Oekonomie,
die Verallgemeinerungen über Struktur, Entwicklungsgeſchichte und
Störungen des Staatslebens ſeit Ariſtoteles, die Sätze welche
Winckelmann, Heyne, die Schlegel über die Entwicklungsgeſchichte
der Künſte gewonnen haben, das Comte’ſche Geſetz der Beziehung
zwiſchen der logiſchen Abhängigkeit der Wiſſenſchaften von einander
und ihrer geſchichtlichen Abfolge.
Die andere Seite dieſes Problems von dem allgemeinen
Zuſammenhang in der geſchichtlich-geſellſchaftlichen Wirklichkeit, das
Studium der Beziehungen zwiſchen den gleichzeitigen
Thatſachen und Veränderungen, fordert ebenfalls Zer-
legung des complexen Thatbeſtandes eines ſolchen status socie-
tatis. Die Beziehungen von Abhängigkeit und Verwandtſchaft,
wie ſie zwiſchen den Erſcheinungen eines Zeitalters ſtattfinden und
in der Störung ſich kundgeben, die bei Abänderungen in Einem
Beſtandtheil des geſellſchaftlichen Geſammtzuſtandes in anderen
auftritt, können mit dem Verhältniß, welches zwiſchen den Beſtand-
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