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Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.

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Negative Wirkung seiner Schule. Leukipp, Empedocles, Anaxagoras.

In der That sind die Schwierigkeiten, welche diese Denker
solchergestalt an dem Raume, der Bewegung, dem Vielen auf-
zeigten, innerhalb der Metaphysik selber unüberwindlich; nur der
erkenntnißtheoretische Standpunkt, welcher auf den Ursprung
der Begriffe zurückgeht, kann diese Widersprüche auflösen. Er
erkennt, wie die Wirklichkeit in der Anschauung gegeben ist, und
wie die unendliche Freiheit des Willens diese Wirklichkeit beliebig
theilen und zusammensetzen, wie sie vermittelst der Abstraktion
das reale Kontinuum und die Bewegung durch Punkte, durch
Zerlegung der Bahn der Bewegung in solche Punkte nachbilden
kann, ohne damit doch jemals die Realität der Anschauungsthat-
sache selber zu erreichen.

Jedem metaphysischen Theorem folgt als sein Schatten das
Bewußtsein des dunklen Restes von aus ihm nicht ableitbaren
Thatsachen. Heraklit's Werden widersprach seiner Konception von
dem Feuer als lebendigem Substrat, an welchem das Werden
haftet; dem Sein des Parmenides widersprach die veränderliche
Welt. Der Fortgang der Metaphysik ist naturgemäß der zu
immer komplicirteren Annahmen, welche in demselben Verhältniß
geeigneter sind, die Thatsachen zu erklären, andrerseits aber auch
eine wachsende Zahl von inneren Schwierigkeiten enthalten.



Zweites Kapitel.
Anaxagoras und die Entstehung der monotheistischen Metaphysik
in Europa.

Neben Zeno und Melissus, welche so von der neu gewonne-
nen Grundlage aus ihre vernichtende Dialektik gegen alle Hilfsmittel
der physischen Welterklärung richteten, treten Leukipp, Empe-
docles, Anaxagoras
auf, welche auf diesem Boden die
physische Welterklärung umgestalteten. In derselben Generation
stehen jene skeptische und diese fortschreitende Richtung neben einander.

Negative Wirkung ſeiner Schule. Leukipp, Empedocles, Anaxagoras.

In der That ſind die Schwierigkeiten, welche dieſe Denker
ſolchergeſtalt an dem Raume, der Bewegung, dem Vielen auf-
zeigten, innerhalb der Metaphyſik ſelber unüberwindlich; nur der
erkenntnißtheoretiſche Standpunkt, welcher auf den Urſprung
der Begriffe zurückgeht, kann dieſe Widerſprüche auflöſen. Er
erkennt, wie die Wirklichkeit in der Anſchauung gegeben iſt, und
wie die unendliche Freiheit des Willens dieſe Wirklichkeit beliebig
theilen und zuſammenſetzen, wie ſie vermittelſt der Abſtraktion
das reale Kontinuum und die Bewegung durch Punkte, durch
Zerlegung der Bahn der Bewegung in ſolche Punkte nachbilden
kann, ohne damit doch jemals die Realität der Anſchauungsthat-
ſache ſelber zu erreichen.

Jedem metaphyſiſchen Theorem folgt als ſein Schatten das
Bewußtſein des dunklen Reſtes von aus ihm nicht ableitbaren
Thatſachen. Heraklit’s Werden widerſprach ſeiner Konception von
dem Feuer als lebendigem Subſtrat, an welchem das Werden
haftet; dem Sein des Parmenides widerſprach die veränderliche
Welt. Der Fortgang der Metaphyſik iſt naturgemäß der zu
immer komplicirteren Annahmen, welche in demſelben Verhältniß
geeigneter ſind, die Thatſachen zu erklären, andrerſeits aber auch
eine wachſende Zahl von inneren Schwierigkeiten enthalten.



Zweites Kapitel.
Anaxagoras und die Entſtehung der monotheiſtiſchen Metaphyſik
in Europa.

Neben Zeno und Meliſſus, welche ſo von der neu gewonne-
nen Grundlage aus ihre vernichtende Dialektik gegen alle Hilfsmittel
der phyſiſchen Welterklärung richteten, treten Leukipp, Empe-
docles, Anaxagoras
auf, welche auf dieſem Boden die
phyſiſche Welterklärung umgeſtalteten. In derſelben Generation
ſtehen jene ſkeptiſche und dieſe fortſchreitende Richtung neben einander.

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[197/0220] Negative Wirkung ſeiner Schule. Leukipp, Empedocles, Anaxagoras. In der That ſind die Schwierigkeiten, welche dieſe Denker ſolchergeſtalt an dem Raume, der Bewegung, dem Vielen auf- zeigten, innerhalb der Metaphyſik ſelber unüberwindlich; nur der erkenntnißtheoretiſche Standpunkt, welcher auf den Urſprung der Begriffe zurückgeht, kann dieſe Widerſprüche auflöſen. Er erkennt, wie die Wirklichkeit in der Anſchauung gegeben iſt, und wie die unendliche Freiheit des Willens dieſe Wirklichkeit beliebig theilen und zuſammenſetzen, wie ſie vermittelſt der Abſtraktion das reale Kontinuum und die Bewegung durch Punkte, durch Zerlegung der Bahn der Bewegung in ſolche Punkte nachbilden kann, ohne damit doch jemals die Realität der Anſchauungsthat- ſache ſelber zu erreichen. Jedem metaphyſiſchen Theorem folgt als ſein Schatten das Bewußtſein des dunklen Reſtes von aus ihm nicht ableitbaren Thatſachen. Heraklit’s Werden widerſprach ſeiner Konception von dem Feuer als lebendigem Subſtrat, an welchem das Werden haftet; dem Sein des Parmenides widerſprach die veränderliche Welt. Der Fortgang der Metaphyſik iſt naturgemäß der zu immer komplicirteren Annahmen, welche in demſelben Verhältniß geeigneter ſind, die Thatſachen zu erklären, andrerſeits aber auch eine wachſende Zahl von inneren Schwierigkeiten enthalten. Zweites Kapitel. Anaxagoras und die Entſtehung der monotheiſtiſchen Metaphyſik in Europa. Neben Zeno und Meliſſus, welche ſo von der neu gewonne- nen Grundlage aus ihre vernichtende Dialektik gegen alle Hilfsmittel der phyſiſchen Welterklärung richteten, treten Leukipp, Empe- docles, Anaxagoras auf, welche auf dieſem Boden die phyſiſche Welterklärung umgeſtalteten. In derſelben Generation ſtehen jene ſkeptiſche und dieſe fortſchreitende Richtung neben einander.

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_geisteswissenschaften_1883/220>, abgerufen am 21.11.2024.