Dilthey, Wilhelm: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Versuch einer Grundlegung für das Studium der Gesellschaft und der Geschichte. Bd. 1. Leipzig, 1883.Zweites Buch. Dritter Abschnitt. Siebentes Kapitel. Die mittelalterliche Metaphysik der Geschichte und Gesellschaft. Die Metaphysik des Mittelalters erwies in ihrer klassischen Es bestand kein Bedenken mehr, die metaphysische Be- 1) Thomas contra gentil. II c. 46 p. 192 a; c. 49 ff. p. 197. 198.
Zweites Buch. Dritter Abſchnitt. Siebentes Kapitel. Die mittelalterliche Metaphyſik der Geſchichte und Geſellſchaft. Die Metaphyſik des Mittelalters erwies in ihrer klaſſiſchen Es beſtand kein Bedenken mehr, die metaphyſiſche Be- 1) Thomas contra gentil. II c. 46 p. 192 a; c. 49 ff. p. 197. 198.
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Zweites Buch. Dritter Abſchnitt.
Siebentes Kapitel.
Die mittelalterliche Metaphyſik der Geſchichte und Geſellſchaft.
Die Metaphyſik des Mittelalters erwies in ihrer klaſſiſchen
Zeit, daß die menſchlichen Seelen immaterielle unſterbliche Sub-
ſtanzen ſind. Als dann mit Duns Scotus die Beweisbarkeit der
Unſterblichkeit beſtritten zu werden begann, blieb die Erörterung
hierüber eine Streitfrage der Schulen und gewann auf die Ueber-
zeugungen keinen Einfluß; die Leugnung individueller Fortdauer
iſt nur in dem engen Kreiſe radikaler Aufklärung aufgetreten,
welcher vorwiegend unter arabiſchem Einfluß ſtand. So ſind im-
materielle Subſtanzen verſchiedener Art für den mittelalterlichen
Menſchen ein metaphyſiſches Reich; Engel, böſe Geiſter und
Menſchen. Sie bilden unter Gott als ihrem Haupte eine Hie-
rarchie der Geiſter, deren Rangordnung ſich in der vor der Mitte
des ſechſten Jahrhunderts unter dem Namen des Dionyſius Areo-
pagita aufgetauchten Schrift von der himmliſchen Hierarchie mit
Reinlichkeit beſchrieben und feſtgeſtellt fand. Dieſe Hierarchie er-
ſtreckt ſich von dem Throne Gottes bis zu der letzten Hütte und
bildet die ungeheure für den mittelalterlichen Geiſt greifbare Rea-
lität, welche allen metaphyſiſchen Spekulationen über die Geſchichte
und die Geſellſchaft zu Grunde lag.
Es beſtand kein Bedenken mehr, die metaphyſiſche Be-
weisführung auf dieſe geiſtige und geſellſchaftliche Welt
auszudehnen. Thomas von Aquino erwies vermittelſt der
von den Neuplatonikern zuerſt ausgeführten Gründe, umfaſſender
aus dem teleologiſchen Zuſammenhang der Welt in Gott, daß ein
Reich endlicher Geiſter beſteht und die Schöpfung in ihm zu ihrem
Prinzip zurückkehrt: wie ſie von dem göttlichen Intellekt ausging,
ſo muß ſie in geiſtigen Weſen ihren Abſchluß erreichen 1). Ja
er leitet durch ein weiteres metaphyſiſches Schlußverfahren die
1) Thomas contra gentil. II c. 46 p. 192 a; c. 49 ff. p. 197. 198.
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