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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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war, wird nun von der Religion und der Kunst eingenommen. pdi_477.006
Shakespeare, Cervantes oder Ariosto sprachen die Bedeutung des pdi_477.007
Lebens anspruchslos und naiv aus, ohne einen Wettstreit mit pdi_477.008
Theologie oder Philosophie zu wagen. Richardson, Sterne und pdi_477.009
Swift, Rousseau und Diderot, Goethe und Schiller fühlten das pdi_477.010
Recht des genialen Menschen, aus seinem Gefühl die Bedeutung pdi_477.011
des Lebens in Bildern zu entwickeln, aber sie suchten noch pdi_477.012
ein Verhältniss zum metaphysischen Denken. In unseren Tagen pdi_477.013
ist dem dichterischen Genie die Bahn ganz frei gemacht. Da die pdi_477.014
Religion den Halt metaphysischer Schlüsse auf das Dasein Gottes pdi_477.015
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Menschen nur noch in der Kunst und der Dichtung eine pdi_477.017
ideale Auffassung von der Bedeutung des Lebens vorhanden. Das pdi_477.018
Gefühl durchdringt die Poesie, dass sie die authentische Interpretation pdi_477.019
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des mit der Socialwissenschaft wetteifernden französischen pdi_477.021
Romans sind in diesem Bewusstsein begründet. Derselbe pdi_477.022
occupirt einstweilen zwischen Sümpfen ein Terrain: wir pdi_477.023
wollen hoffen, dass auf diesem einst das blühende Leben echter pdi_477.024
Dichtung entstehen werde.

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Menschen der Poesie ihre Stelle. Dieser heutige Mensch will pdi_477.027
aus dem Leben machen, was sich durch die Kunst des Lebens pdi_477.028
aus ihm machen lässt. Denn der Glaube der denkenden Erfahrung pdi_477.029
an ihre grenzenlose Leistungsfähigkeit scheint täglich pdi_477.030
neu bestätigt. Der moderne Mensch kann das aber nur, sofern pdi_477.031
er Causalzusammenhang und Bedeutung des Lebens erkennt. pdi_477.032
Die Wissenschaften der Natur und der Gesellschaft haben den pdi_477.033
ursächlichen Zusammenhang aller Erscheinungen zum Gegenstand. pdi_477.034
Dagegen die Bedeutung des Lebens, wie die der äusseren Wirklichkeit pdi_477.035
ist für sie nicht erreichbar. Diese ist in der Lebenserfahrung pdi_477.036
individuell und subjectiv enthalten. Die Dichtung

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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/179>, abgerufen am 30.11.2024.