Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_326.001 Ein vierter Satz kann empirisch in unbestimmter pdi_326.022 Die Aristotelische Technik beanspruchte Allgemeingültigkeit, pdi_326.026 pdi_326.001 Ein vierter Satz kann empirisch in unbestimmter pdi_326.022 Die Aristotelische Technik beanspruchte Allgemeingültigkeit, pdi_326.026 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="326"/><lb n="pdi_326.001"/> muss, um als ein Lebendiges ästhetisch angeschaut werden zu <lb n="pdi_326.002"/> können. Er liegt also auch in der Linie zur Identitätsphilosophie, <lb n="pdi_326.003"/> zu einer ästhetischen Metaphysik hin. Hieraus ergiebt <lb n="pdi_326.004"/> sich schon, dass es sehr schwer sein wird, ihn angemessen zu <lb n="pdi_326.005"/> formuliren. Von der Plastik Herders, der „Nachahmung des <lb n="pdi_326.006"/> Schönen“ von Ph. Moritz, die bekanntlich Goethe in Italien beeinflusst <lb n="pdi_326.007"/> hat, durch Kant, Schiller, Goethe bis auf Schelling, Hegel <lb n="pdi_326.008"/> u. a. haben sehr verschiedene Formeln für dieses Verhältniss <lb n="pdi_326.009"/> des künstlerischen Schaffens zur äusseren Wirklichkeit sich entwickelt. <lb n="pdi_326.010"/> Sie sind entweder sehr dünn und inhaltlos oder dem <lb n="pdi_326.011"/> Zweifel ausgesetzt. Die Kunst löst beständig eine Aufgabe, für <lb n="pdi_326.012"/> deren Lösung die Bedingungen in der äusseren Wirklichkeit <lb n="pdi_326.013"/> liegen müssen. Zwischen der äusseren Wirklichkeit und dem <lb n="pdi_326.014"/> Auge, das in ihr die Schönheit gewahrt, muss ein Verhältniss <lb n="pdi_326.015"/> bestehen, welches das Erblicken der Schönheit in der Welt ermöglicht. <lb n="pdi_326.016"/> Das Schaffen des Künstlers steigert Eigenschaften, <lb n="pdi_326.017"/> die im Wirklichen schon liegen. Die Aufgabe entspringt, diese <lb n="pdi_326.018"/> Eigenschaften sowie das hier stattfindende Verhältniss zu erkennen, <lb n="pdi_326.019"/> und erst die moderne Entwicklungslehre, verbunden <lb n="pdi_326.020"/> mit der Psychologie, scheinen das zu ermöglichen.</p> <lb n="pdi_326.021"/> <p> Ein <hi rendition="#g">vierter Satz</hi> kann empirisch in unbestimmter <lb n="pdi_326.022"/> Fassung aus den ästhetischen Eindrücken abstrahirt werden, aber <lb n="pdi_326.023"/> seine genauere Bestimmung von den entwickelten Sätzen aus <lb n="pdi_326.024"/> bietet erhebliche Schwierigkeiten.</p> <lb n="pdi_326.025"/> <p> Die Aristotelische Technik beanspruchte Allgemeingültigkeit, <lb n="pdi_326.026"/> und die spätere Poetik hat diesen Anspruch festgehalten. Kant <lb n="pdi_326.027"/> formulirte diese Voraussetzung eines natürlichen Systems der <lb n="pdi_326.028"/> Kunst folgendermassen. „Das Geschmacksurtheil sinnet das Wohlgefallen <lb n="pdi_326.029"/> an einem Gegenstande Jedermann an, und dieser Anspruch <lb n="pdi_326.030"/> auf Allgemeingültigkeit gehört so wesentlich zu einem <lb n="pdi_326.031"/> Urtheil, dadurch wir etwas für schön erklären, dass ohne dieselbe <lb n="pdi_326.032"/> dabei zu denken, es Niemandem in die Gedanken kommen würde, <lb n="pdi_326.033"/> diesen Ausdruck zu brauchen, sondern Alles, was ohne Begriff gefällt, <lb n="pdi_326.034"/> würde zum Angenehmen gezählt werden.“ Dieser Satz ist <lb n="pdi_326.035"/> eine Uebertragung des Begriffs von Allgemeingültigkeit aus dem <lb n="pdi_326.036"/> Gebiet der Erkenntniss auf das des Geschmackes. Hier wie </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [326/0028]
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muss, um als ein Lebendiges ästhetisch angeschaut werden zu pdi_326.002
können. Er liegt also auch in der Linie zur Identitätsphilosophie, pdi_326.003
zu einer ästhetischen Metaphysik hin. Hieraus ergiebt pdi_326.004
sich schon, dass es sehr schwer sein wird, ihn angemessen zu pdi_326.005
formuliren. Von der Plastik Herders, der „Nachahmung des pdi_326.006
Schönen“ von Ph. Moritz, die bekanntlich Goethe in Italien beeinflusst pdi_326.007
hat, durch Kant, Schiller, Goethe bis auf Schelling, Hegel pdi_326.008
u. a. haben sehr verschiedene Formeln für dieses Verhältniss pdi_326.009
des künstlerischen Schaffens zur äusseren Wirklichkeit sich entwickelt. pdi_326.010
Sie sind entweder sehr dünn und inhaltlos oder dem pdi_326.011
Zweifel ausgesetzt. Die Kunst löst beständig eine Aufgabe, für pdi_326.012
deren Lösung die Bedingungen in der äusseren Wirklichkeit pdi_326.013
liegen müssen. Zwischen der äusseren Wirklichkeit und dem pdi_326.014
Auge, das in ihr die Schönheit gewahrt, muss ein Verhältniss pdi_326.015
bestehen, welches das Erblicken der Schönheit in der Welt ermöglicht. pdi_326.016
Das Schaffen des Künstlers steigert Eigenschaften, pdi_326.017
die im Wirklichen schon liegen. Die Aufgabe entspringt, diese pdi_326.018
Eigenschaften sowie das hier stattfindende Verhältniss zu erkennen, pdi_326.019
und erst die moderne Entwicklungslehre, verbunden pdi_326.020
mit der Psychologie, scheinen das zu ermöglichen.
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Ein vierter Satz kann empirisch in unbestimmter pdi_326.022
Fassung aus den ästhetischen Eindrücken abstrahirt werden, aber pdi_326.023
seine genauere Bestimmung von den entwickelten Sätzen aus pdi_326.024
bietet erhebliche Schwierigkeiten.
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Die Aristotelische Technik beanspruchte Allgemeingültigkeit, pdi_326.026
und die spätere Poetik hat diesen Anspruch festgehalten. Kant pdi_326.027
formulirte diese Voraussetzung eines natürlichen Systems der pdi_326.028
Kunst folgendermassen. „Das Geschmacksurtheil sinnet das Wohlgefallen pdi_326.029
an einem Gegenstande Jedermann an, und dieser Anspruch pdi_326.030
auf Allgemeingültigkeit gehört so wesentlich zu einem pdi_326.031
Urtheil, dadurch wir etwas für schön erklären, dass ohne dieselbe pdi_326.032
dabei zu denken, es Niemandem in die Gedanken kommen würde, pdi_326.033
diesen Ausdruck zu brauchen, sondern Alles, was ohne Begriff gefällt, pdi_326.034
würde zum Angenehmen gezählt werden.“ Dieser Satz ist pdi_326.035
eine Uebertragung des Begriffs von Allgemeingültigkeit aus dem pdi_326.036
Gebiet der Erkenntniss auf das des Geschmackes. Hier wie
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