Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_330.001 Doch entstand zugleich in unsrer Dichtung und Poetik pdi_330.010 1) pdi_330.035
Otto Ludwig, Skizzen und Fragmente S. 84. pdi_330.001 Doch entstand zugleich in unsrer Dichtung und Poetik pdi_330.010 1) pdi_330.035
Otto Ludwig, Skizzen und Fragmente S. 84. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0032" n="330"/><lb n="pdi_330.001"/> hat den Plato als philosophischen Künstler von diesem Verfahren <lb n="pdi_330.002"/> aus verstanden und von ihm aus die Hermeneutik umgestaltet. <lb n="pdi_330.003"/> Indem Kant, für welchen die Absonderung der Form vom <lb n="pdi_330.004"/> Stoff und die Beziehung der Form auf die im Geiste wirkende Kraft <lb n="pdi_330.005"/> überall ein Theil seiner kritischen Methode war, sich mit dieser <lb n="pdi_330.006"/> Richtung der ästhetischen und philologischen Analyse begegnete, <lb n="pdi_330.007"/> entstand die grosse Zeit unsrer deutschen Philologie, Kritik und <lb n="pdi_330.008"/> Aesthetik.</p> <lb n="pdi_330.009"/> <p> Doch entstand zugleich in unsrer Dichtung und Poetik <lb n="pdi_330.010"/> Ueberschätzung der Form, die Schiller'sche Verehrung eines <lb n="pdi_330.011"/> von der Wirklichkeit getrennten Bezirkes reiner und idealischer <lb n="pdi_330.012"/> Gestalten, als eines Reiches der Freiheit und Schönheit. <lb n="pdi_330.013"/> Schiller wurde schliesslich dahin geführt, einen Vorzug der <lb n="pdi_330.014"/> griechischen Tragödie darin zu sehen, dass ihre Personen „idealische <lb n="pdi_330.015"/> Masken“ seien, eine Schranke des Wilhelm Meister in <lb n="pdi_330.016"/> der Prosaform desselben zu erblicken, ja Goethe auszusprechen, <lb n="pdi_330.017"/> er werde künftig den schönen Gehalt auch nur in metrischer <lb n="pdi_330.018"/> Form darstellen dürfen. Die romantische Welt des schönen <lb n="pdi_330.019"/> Scheins stellte sich ein. Otto Ludwig sagt: „Die unnatürliche <lb n="pdi_330.020"/> Scheidung, die Goethe und Schiller und auf ihren Spuren die <lb n="pdi_330.021"/> Romantiker in Kunst und Leben gebracht, indem sie das <lb n="pdi_330.022"/> Aesthetische, das Schöne vom Guten und vom Wahren trennten <lb n="pdi_330.023"/> und aus der Poesie eine Fata morgana machten, eine geträumte <lb n="pdi_330.024"/> Insel voll Traumes, die den Menschen mit der Welt und sich <lb n="pdi_330.025"/> selbst entzweit und ihm mit dem Heimathsgefühle in dieser zugleich <lb n="pdi_330.026"/> die Thatkraft raubt, die unnatürliche Scheidung, die unserer <lb n="pdi_330.027"/> Bildung den weiblichen Charakter aufprägte, habe ich für mich <lb n="pdi_330.028"/> durch das Verständniss Shakespeares überwunden, und mein <lb n="pdi_330.029"/> ganzes Streben ist, meine Heilung auch auf andere Kranke zu <lb n="pdi_330.030"/> übertragen.“<note xml:id="PDI_330_1" place="foot" n="1)"><lb n="pdi_330.035"/> Otto Ludwig, Skizzen und Fragmente S. 84.</note> Auch in der Theorie machte sich die metaphysische <lb n="pdi_330.031"/> Methode höchst nachtheilig geltend. Hatte man jetzt <lb n="pdi_330.032"/> die Aufgabe, die Seelenzustände, welche die Formen erwirken <lb n="pdi_330.033"/> und in ihnen sich darstellen, aufzufassen, so hätte hier nur eine <lb n="pdi_330.034"/> Psychologie, welche das geschichtliche Wesen des Menschen zu </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [330/0032]
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hat den Plato als philosophischen Künstler von diesem Verfahren pdi_330.002
aus verstanden und von ihm aus die Hermeneutik umgestaltet. pdi_330.003
Indem Kant, für welchen die Absonderung der Form vom pdi_330.004
Stoff und die Beziehung der Form auf die im Geiste wirkende Kraft pdi_330.005
überall ein Theil seiner kritischen Methode war, sich mit dieser pdi_330.006
Richtung der ästhetischen und philologischen Analyse begegnete, pdi_330.007
entstand die grosse Zeit unsrer deutschen Philologie, Kritik und pdi_330.008
Aesthetik.
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Doch entstand zugleich in unsrer Dichtung und Poetik pdi_330.010
Ueberschätzung der Form, die Schiller'sche Verehrung eines pdi_330.011
von der Wirklichkeit getrennten Bezirkes reiner und idealischer pdi_330.012
Gestalten, als eines Reiches der Freiheit und Schönheit. pdi_330.013
Schiller wurde schliesslich dahin geführt, einen Vorzug der pdi_330.014
griechischen Tragödie darin zu sehen, dass ihre Personen „idealische pdi_330.015
Masken“ seien, eine Schranke des Wilhelm Meister in pdi_330.016
der Prosaform desselben zu erblicken, ja Goethe auszusprechen, pdi_330.017
er werde künftig den schönen Gehalt auch nur in metrischer pdi_330.018
Form darstellen dürfen. Die romantische Welt des schönen pdi_330.019
Scheins stellte sich ein. Otto Ludwig sagt: „Die unnatürliche pdi_330.020
Scheidung, die Goethe und Schiller und auf ihren Spuren die pdi_330.021
Romantiker in Kunst und Leben gebracht, indem sie das pdi_330.022
Aesthetische, das Schöne vom Guten und vom Wahren trennten pdi_330.023
und aus der Poesie eine Fata morgana machten, eine geträumte pdi_330.024
Insel voll Traumes, die den Menschen mit der Welt und sich pdi_330.025
selbst entzweit und ihm mit dem Heimathsgefühle in dieser zugleich pdi_330.026
die Thatkraft raubt, die unnatürliche Scheidung, die unserer pdi_330.027
Bildung den weiblichen Charakter aufprägte, habe ich für mich pdi_330.028
durch das Verständniss Shakespeares überwunden, und mein pdi_330.029
ganzes Streben ist, meine Heilung auch auf andere Kranke zu pdi_330.030
übertragen.“ 1) Auch in der Theorie machte sich die metaphysische pdi_330.031
Methode höchst nachtheilig geltend. Hatte man jetzt pdi_330.032
die Aufgabe, die Seelenzustände, welche die Formen erwirken pdi_330.033
und in ihnen sich darstellen, aufzufassen, so hätte hier nur eine pdi_330.034
Psychologie, welche das geschichtliche Wesen des Menschen zu
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Otto Ludwig, Skizzen und Fragmente S. 84.
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