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Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.

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kann nur aus dem Vergangenen eine Regel abziehen, pdi_335.004
deren Gültigkeit also geschichtlich beschränkt ist, sie kann nie pdi_335.005
das Neue, Zukunftvolle binden oder beurtheilen. Diese Regel pdi_335.006
ist nur rückwärts gewandt, enthält aber nicht das Gesetz der pdi_335.007
Zukunft. Seitdem die Voraussetzung vom mustergültigen Werth pdi_335.008
der antiken Dichtung gefallen ist, können also nur aus der pdi_335.009
menschlichen Natur das Gesetz des Schönen und die Regeln pdi_335.010
der Poesie abgeleitet werden. Die Poetik hatte zuerst einen pdi_335.011
festen Punkt in dem Mustergültigen, aus dem sie abstrahirte, pdi_335.012
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muss sie diesen im Seelenleben suchen.

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und dem Geschichtlichen erweist sich hier, welches durch alle pdi_335.016
Gebiete hindurchgeht. Aus dem dichterischen Vorgang, den pdi_335.017
Darstellungsmitteln, deren er sich bedient, den Gegenständen, pdi_335.018
die er hinstellt, entspringen die gleichförmigen Bedingungen, pdi_335.019
unter denen alles Dichten steht, die allgemein gültigen Regeln, pdi_335.020
an die es gebunden ist. Dann treten für die einzelnen Formen pdi_335.021
der Poesie besondere Bedingungen hinzu, und so entstehen die pdi_335.022
allgemeingültigen Normen der lyrischen, epischen, dramatischen pdi_335.023
Dichtung. In diesen Formen, nach diesen Regeln bildet sich pdi_335.024
eine poetische Technik aus: Technik der griechischen, der spanischen pdi_335.025
oder der altenglischen Bühne. Sie kann ebenfalls in pdi_335.026
einer Formen- und Regellehre entwickelt werden. Aber dieselbe pdi_335.027
ist historisch bedingt, nicht allgemein menschlich. Ihre Unterlage pdi_335.028
bilden Gegebenheiten des geschichtlichen Lebens, des ganzen pdi_335.029
Gemüthsstandes, weiterhin Darstellungsgewohnheiten: so entsteht pdi_335.030
eine national und zeitlich bestimmte Art, Personen hinzustellen, pdi_335.031
Handlungen zu verknüpfen: die Technik, welche nun in der pdi_335.032
grossen Poesie von schöpferischen Genies entwickelt wird, bleibt pdi_335.033
an dies Alles gebunden und vermag nur in die Züge dieses thatsächlichen pdi_335.034
und geschichtlichen Charakters der Poesie Einheit, pdi_335.035
Nothwendigkeit und erhöhte Kunstwirkung zu bringen. Daher ist pdi_335.036
die Phantasie des Dichters nicht nur in ihrem Stoff, sondern

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festen Punkt in dem Mustergültigen, aus dem sie abstrahirte, pdi_335.012
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muss sie diesen im Seelenleben suchen.

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Gebiete hindurchgeht. Aus dem dichterischen Vorgang, den pdi_335.017
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an die es gebunden ist. Dann treten für die einzelnen Formen pdi_335.021
der Poesie besondere Bedingungen hinzu, und so entstehen die pdi_335.022
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an dies Alles gebunden und vermag nur in die Züge dieses thatsächlichen pdi_335.034
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Zitationshilfe: Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482, hier S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dilthey_poetik_1887/37>, abgerufen am 03.12.2024.