Dilthey, Wilhelm: Die Einbildungskraft des Dichters: Bausteine für eine Poetik. In: Philosophische Aufsätze. Eduard Zeller zu seinem fünfzigjährigen Doctor-Jubiläum gewidmet. (= Philosphische Aufsätze, 10.) Leipzig, 1887, S. 303–482.pdi_359.001 Indem nun der Wille diese elementaren Vorgänge und Bildungsprocesse pdi_359.005 pdi_359.001 Indem nun der Wille diese elementaren Vorgänge und Bildungsprocesse pdi_359.005 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0061" n="359"/><lb n="pdi_359.001"/> entnimmt, oder ein Forscher leitet aus Daten, in deren <lb n="pdi_359.002"/> Besitz er schon war, die Erklärung einer Thatsache ab, die ihm <lb n="pdi_359.003"/> längst bekannt gewesen.</p> <lb n="pdi_359.004"/> <p> Indem nun der Wille diese elementaren Vorgänge und Bildungsprocesse <lb n="pdi_359.005"/> in energischer Spannung, mit dem Bewusstsein <lb n="pdi_359.006"/> seines Zieles, lenkt, entsteht jene tiefgreifende Verschiedenheit, <lb n="pdi_359.007"/> welche von dem Spiel unserer Vorstellungen das logische Denken <lb n="pdi_359.008"/> trennt. Wenn die Psychologie von der Totalität des Lebens <lb n="pdi_359.009"/> ausgeht, wenn sie das Ineinandergreifen von Willens- und Vorstellungsvorgängen <lb n="pdi_359.010"/> erfasst, dann braucht sie nicht das Spiel der <lb n="pdi_359.011"/> Vorstellungen von dem beziehenden Denken zu trennen und <lb n="pdi_359.012"/> über den unwillkürlichen Processen eine höhere Form des geistigen <lb n="pdi_359.013"/> Lebens anzunehmen. Sonderbare Vorstellung! Ein Vorgang <lb n="pdi_359.014"/> der Verschmelzung und über ihm, ganz in der Wurzel von <lb n="pdi_359.015"/> ihm getrennt, der logische Vorgang der Gleichsetzung; ein Vorgang <lb n="pdi_359.016"/> der Ideenassociation und über ihm, aber unabhängig, <lb n="pdi_359.017"/> logische Verknüpfung der Vorstellungen. In Wirklichkeit ist es <lb n="pdi_359.018"/> nur gleichsam eine höhere Lage der dargelegten Vorgänge, eine <lb n="pdi_359.019"/> Zusammensetzung höheren Grades, besonders aber der Antheil des <lb n="pdi_359.020"/> Willens, was in den Vorgängen des Denkens hinzutritt. So entspringt <lb n="pdi_359.021"/> zunächst der einfache logische Operationenkreis; von <lb n="pdi_359.022"/> ihm sind dann die zusammengesetzten logischen Vorgänge, Denkformen, <lb n="pdi_359.023"/> Denkgesetze, bedingt; diese Entwicklung wird von der <lb n="pdi_359.024"/> Sprache getragen, welche die Erwerbungen des Seelenlebens <lb n="pdi_359.025"/> festhält, in Formen fixirt und von einer Generation auf die andere <lb n="pdi_359.026"/> überliefert. Es entspringen die Wissenschaften, als die mächtigen <lb n="pdi_359.027"/> Organe der Bildungsprocesse, welche die Vorstellungen zur Darstellung <lb n="pdi_359.028"/> und Erklärung der Wirklichkeit geeignet machen. Und <lb n="pdi_359.029"/> hier entstehen auch die Hypothesen: Begriffe und Verbindungen <lb n="pdi_359.030"/> von Begriffen, welche zum Zweck dieser Erklärung den Kreis <lb n="pdi_359.031"/> der Erfahrungen überschreiten. Wenn man den Begriff der <lb n="pdi_359.032"/> Einbildungskraft anwenden will, so würden die Hypothesen </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [359/0061]
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entnimmt, oder ein Forscher leitet aus Daten, in deren pdi_359.002
Besitz er schon war, die Erklärung einer Thatsache ab, die ihm pdi_359.003
längst bekannt gewesen.
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Indem nun der Wille diese elementaren Vorgänge und Bildungsprocesse pdi_359.005
in energischer Spannung, mit dem Bewusstsein pdi_359.006
seines Zieles, lenkt, entsteht jene tiefgreifende Verschiedenheit, pdi_359.007
welche von dem Spiel unserer Vorstellungen das logische Denken pdi_359.008
trennt. Wenn die Psychologie von der Totalität des Lebens pdi_359.009
ausgeht, wenn sie das Ineinandergreifen von Willens- und Vorstellungsvorgängen pdi_359.010
erfasst, dann braucht sie nicht das Spiel der pdi_359.011
Vorstellungen von dem beziehenden Denken zu trennen und pdi_359.012
über den unwillkürlichen Processen eine höhere Form des geistigen pdi_359.013
Lebens anzunehmen. Sonderbare Vorstellung! Ein Vorgang pdi_359.014
der Verschmelzung und über ihm, ganz in der Wurzel von pdi_359.015
ihm getrennt, der logische Vorgang der Gleichsetzung; ein Vorgang pdi_359.016
der Ideenassociation und über ihm, aber unabhängig, pdi_359.017
logische Verknüpfung der Vorstellungen. In Wirklichkeit ist es pdi_359.018
nur gleichsam eine höhere Lage der dargelegten Vorgänge, eine pdi_359.019
Zusammensetzung höheren Grades, besonders aber der Antheil des pdi_359.020
Willens, was in den Vorgängen des Denkens hinzutritt. So entspringt pdi_359.021
zunächst der einfache logische Operationenkreis; von pdi_359.022
ihm sind dann die zusammengesetzten logischen Vorgänge, Denkformen, pdi_359.023
Denkgesetze, bedingt; diese Entwicklung wird von der pdi_359.024
Sprache getragen, welche die Erwerbungen des Seelenlebens pdi_359.025
festhält, in Formen fixirt und von einer Generation auf die andere pdi_359.026
überliefert. Es entspringen die Wissenschaften, als die mächtigen pdi_359.027
Organe der Bildungsprocesse, welche die Vorstellungen zur Darstellung pdi_359.028
und Erklärung der Wirklichkeit geeignet machen. Und pdi_359.029
hier entstehen auch die Hypothesen: Begriffe und Verbindungen pdi_359.030
von Begriffen, welche zum Zweck dieser Erklärung den Kreis pdi_359.031
der Erfahrungen überschreiten. Wenn man den Begriff der pdi_359.032
Einbildungskraft anwenden will, so würden die Hypothesen
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