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Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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erleben können, sie hat sich damals großen Verdruß um deinetwegen gemacht!

Das Volk ist ungemein verschämt, neben aller anscheinenden Derbheit; die Sitten und Eigenthümlichkeiten, mit welchen es sein Dasein stützt und schmückt, sind vor dem Auge des Fremden ein sorgsam bewahrtes Geheimniß, selbst die Sprache nimmt vor Unberufenen einen minder bilderreichen Charakter an. Und bilderreich ist der Emsländer in seinem Thun und Reden, so sehr, daß bei der Verhochdeutschung manche Umschreibung als gesucht und künstlich wegfallen muß, die auf den Lippen der Bauern ganz natürlich klingt. Auch die gebildete Redeweise hat Umschreibungen, unsere jungen Damen kommen "unter die Haube", ohne deßhalb eine ihrer zahlreichen Locken zu verstecken, wo die Bäuerin von Stund' an die Frauenhaube trägt! auch unsere eleganten Fräuleins theilen Körbe aus, aber in Gestalt eines unwillkommenen Wortes oder eines steif geschriebenen, bitter berührenden Briefblattes. Zarter knüpft sich die Sache bei den Bauern an, zarter trotz des so materiell dreinwinkenden und schmorenden Striethasts; denn kein verletzendes Wort begleitet die Abweisung, keine lächerliche Sentimentalität die Annahme. Die öffentlichen Modezärtlichkeiten, die ein kindliches junges Mädchen als ihren Tribut nimmt und fordert, sobald das "Ja" gesprochen ist, verstoßen gegen die ländliche Sittsamkeit, die Braut und junge Frau bewahrt vor der Welt die Haltung einer Matrone und

erleben können, sie hat sich damals großen Verdruß um deinetwegen gemacht!

Das Volk ist ungemein verschämt, neben aller anscheinenden Derbheit; die Sitten und Eigenthümlichkeiten, mit welchen es sein Dasein stützt und schmückt, sind vor dem Auge des Fremden ein sorgsam bewahrtes Geheimniß, selbst die Sprache nimmt vor Unberufenen einen minder bilderreichen Charakter an. Und bilderreich ist der Emsländer in seinem Thun und Reden, so sehr, daß bei der Verhochdeutschung manche Umschreibung als gesucht und künstlich wegfallen muß, die auf den Lippen der Bauern ganz natürlich klingt. Auch die gebildete Redeweise hat Umschreibungen, unsere jungen Damen kommen „unter die Haube“, ohne deßhalb eine ihrer zahlreichen Locken zu verstecken, wo die Bäuerin von Stund' an die Frauenhaube trägt! auch unsere eleganten Fräuleins theilen Körbe aus, aber in Gestalt eines unwillkommenen Wortes oder eines steif geschriebenen, bitter berührenden Briefblattes. Zarter knüpft sich die Sache bei den Bauern an, zarter trotz des so materiell dreinwinkenden und schmorenden Striethasts; denn kein verletzendes Wort begleitet die Abweisung, keine lächerliche Sentimentalität die Annahme. Die öffentlichen Modezärtlichkeiten, die ein kindliches junges Mädchen als ihren Tribut nimmt und fordert, sobald das „Ja“ gesprochen ist, verstoßen gegen die ländliche Sittsamkeit, die Braut und junge Frau bewahrt vor der Welt die Haltung einer Matrone und

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[0039] erleben können, sie hat sich damals großen Verdruß um deinetwegen gemacht! Das Volk ist ungemein verschämt, neben aller anscheinenden Derbheit; die Sitten und Eigenthümlichkeiten, mit welchen es sein Dasein stützt und schmückt, sind vor dem Auge des Fremden ein sorgsam bewahrtes Geheimniß, selbst die Sprache nimmt vor Unberufenen einen minder bilderreichen Charakter an. Und bilderreich ist der Emsländer in seinem Thun und Reden, so sehr, daß bei der Verhochdeutschung manche Umschreibung als gesucht und künstlich wegfallen muß, die auf den Lippen der Bauern ganz natürlich klingt. Auch die gebildete Redeweise hat Umschreibungen, unsere jungen Damen kommen „unter die Haube“, ohne deßhalb eine ihrer zahlreichen Locken zu verstecken, wo die Bäuerin von Stund' an die Frauenhaube trägt! auch unsere eleganten Fräuleins theilen Körbe aus, aber in Gestalt eines unwillkommenen Wortes oder eines steif geschriebenen, bitter berührenden Briefblattes. Zarter knüpft sich die Sache bei den Bauern an, zarter trotz des so materiell dreinwinkenden und schmorenden Striethasts; denn kein verletzendes Wort begleitet die Abweisung, keine lächerliche Sentimentalität die Annahme. Die öffentlichen Modezärtlichkeiten, die ein kindliches junges Mädchen als ihren Tribut nimmt und fordert, sobald das „Ja“ gesprochen ist, verstoßen gegen die ländliche Sittsamkeit, die Braut und junge Frau bewahrt vor der Welt die Haltung einer Matrone und

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Zitationshilfe: Dincklage, Emmy von: Der Striethast. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. [180]–219. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dincklage_striethast_1910/39>, abgerufen am 21.11.2024.