Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

Bild:
<< vorherige Seite

"Jch habe über diese Frage noch nicht nachgedacht,"
antwortete der naive Deputirte. Jst es wahr, was ihr
behauptet, daß die Familie der Beruf der Frau sei
und auf der Familie der Staat beruhe und sein Wohl,
ist das eure aufrichtige Meinung und nicht blos eure
Phrase, so schmäht und verachtet jeden unverheiratheten
Mann als einen Hochverräther an der Natur und
einen Uebelthäter am Staat und nimmermehr öffnet
ihm die Pforten der Kammern.

Auf die höhnische Aeußerung eines Gegners der
Frauenfreiheit, der da meinte, die Frauen würden
künftig auf der Tribüne niederkommen, antwortete
eine muthige Französin: "on n'accoucherait pas pour
cela si souvent encore a la tribune qu'on accouche
dans les wagons de troisieme classe, a l'atelier et
sur le pave de nos rues.
"

Häusliche Pflichten und politische Pflich-
ten sind unvereinbar.

Wie edel, daß unsere Gesetzgebung sich so se
hr gedrungen fühlt, die Weiber zu ihren häuslichen Pflich-
ten anzuhalten! Warum aber sorgt die Gesetzgebung
nicht auch dafür, daß der Mann seine Privat- und
Berufspflichten erfülle? Und warum ordnet sie nicht
an, daß jeder verheirathete Mann, sobald die Glocke
zehn geschlagen hat, von einem Schutzmann nach

„Jch habe über diese Frage noch nicht nachgedacht,‟
antwortete der naive Deputirte. Jst es wahr, was ihr
behauptet, daß die Familie der Beruf der Frau sei
und auf der Familie der Staat beruhe und sein Wohl,
ist das eure aufrichtige Meinung und nicht blos eure
Phrase, so schmäht und verachtet jeden unverheiratheten
Mann als einen Hochverräther an der Natur und
einen Uebelthäter am Staat und nimmermehr öffnet
ihm die Pforten der Kammern.

Auf die höhnische Aeußerung eines Gegners der
Frauenfreiheit, der da meinte, die Frauen würden
künftig auf der Tribüne niederkommen, antwortete
eine muthige Französin: „on n'accoucherait pas pour
cela si souvent encore à la tribune qu'on accouche
dans les wagons de troisième classe, à l'atelier et
sur le pavé de nos rues.

Häusliche Pflichten und politische Pflich-
ten sind unvereinbar.

Wie edel, daß unsere Gesetzgebung sich so se
hr gedrungen fühlt, die Weiber zu ihren häuslichen Pflich-
ten anzuhalten! Warum aber sorgt die Gesetzgebung
nicht auch dafür, daß der Mann seine Privat- und
Berufspflichten erfülle? Und warum ordnet sie nicht
an, daß jeder verheirathete Mann, sobald die Glocke
zehn geschlagen hat, von einem Schutzmann nach

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0136" n="128"/>
        <p>&#x201E;Jch habe über diese Frage noch nicht nachgedacht,&#x201F;<lb/>
antwortete der naive Deputirte. Jst es wahr, was ihr<lb/>
behauptet, daß die Familie der Beruf der Frau sei<lb/>
und auf der Familie der Staat beruhe und sein Wohl,<lb/>
ist das eure aufrichtige Meinung und nicht blos eure<lb/>
Phrase, so schmäht und verachtet jeden unverheiratheten<lb/>
Mann als einen Hochverräther an der Natur und<lb/>
einen Uebelthäter am Staat und nimmermehr öffnet<lb/>
ihm die Pforten der Kammern.</p><lb/>
        <p>Auf die höhnische Aeußerung eines Gegners der<lb/>
Frauenfreiheit, der da meinte, die Frauen würden<lb/>
künftig auf der Tribüne niederkommen, antwortete<lb/>
eine muthige Französin: &#x201E;<hi rendition="#aq">on n'accoucherait pas pour<lb/>
cela si souvent encore à la tribune qu'on accouche<lb/>
dans les wagons de troisième classe, à l'atelier et<lb/>
sur le pavé de nos rues.</hi>&#x201F;</p><lb/>
        <p> <hi rendition="#g">Häusliche Pflichten und politische Pflich-<lb/>
ten sind unvereinbar.</hi> </p><lb/>
        <p>Wie edel, daß unsere Gesetzgebung sich so se<lb/>
hr
 gedrungen fühlt, die Weiber zu ihren häuslichen Pflich-<lb/>
ten anzuhalten! Warum aber sorgt die Gesetzgebung<lb/>
nicht auch dafür, daß der Mann seine Privat- und<lb/>
Berufspflichten erfülle? Und warum ordnet sie nicht<lb/>
an, daß jeder verheirathete Mann, sobald die Glocke<lb/>
zehn geschlagen hat, von einem Schutzmann nach<lb/>
&#x2003;
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[128/0136] „Jch habe über diese Frage noch nicht nachgedacht,‟ antwortete der naive Deputirte. Jst es wahr, was ihr behauptet, daß die Familie der Beruf der Frau sei und auf der Familie der Staat beruhe und sein Wohl, ist das eure aufrichtige Meinung und nicht blos eure Phrase, so schmäht und verachtet jeden unverheiratheten Mann als einen Hochverräther an der Natur und einen Uebelthäter am Staat und nimmermehr öffnet ihm die Pforten der Kammern. Auf die höhnische Aeußerung eines Gegners der Frauenfreiheit, der da meinte, die Frauen würden künftig auf der Tribüne niederkommen, antwortete eine muthige Französin: „on n'accoucherait pas pour cela si souvent encore à la tribune qu'on accouche dans les wagons de troisième classe, à l'atelier et sur le pavé de nos rues.‟ Häusliche Pflichten und politische Pflich- ten sind unvereinbar. Wie edel, daß unsere Gesetzgebung sich so se hr gedrungen fühlt, die Weiber zu ihren häuslichen Pflich- ten anzuhalten! Warum aber sorgt die Gesetzgebung nicht auch dafür, daß der Mann seine Privat- und Berufspflichten erfülle? Und warum ordnet sie nicht an, daß jeder verheirathete Mann, sobald die Glocke zehn geschlagen hat, von einem Schutzmann nach  

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-04-07T16:13:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-04-07T16:13:32Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): gekennzeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/136
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/136>, abgerufen am 04.12.2024.