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Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876.

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wendung gebracht hat. Es ist dasselbe Argument, mit
welchem man in der antiken Welt den Plebejern die
bürgerlichen Rechte vorenthielt.

Ja wohl, eine plumpe Lüge! Wenn es unweiblich
ist zu stimmen, so ist es auch unweiblich, Steuern zu
zahlen, so ist es unweiblich für eine Wittwe, ihre
Kinder durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren, so ist
es unweiblich, zu betteln u.s.w.

Gewohnheit macht Dinge so zur zweiten Natur,
daß selbst das wärmste Herz und der weiseste Sinn
ihre Sinnlosigkeit, ihre Härte und Ungerechtigkeit über-
sieht. Ein Beispiel die Sklaverei des Alterthums, an
der die Besten ihrer Zeit keinen Anstoß nahmen.

Weil sie ein Weib ist. Das heißt, weil po-
litische und wissenschaftliche Thätigkeit, weil die Ent-
wickelung der Jntelligenz die Frau derjenigen weiblichen
Reize berauben dürfte, die in das Budget ihrer Lebens-
freuden zu verrechnen die Männer das Recht zu haben
glauben.

Diese Auffassung, consequent durchgeführt, endigt
im Harem. Und in der That, besäßen alle Männer
die großartige Wahrheitsliebe eines Schopenhauer, so
würden sich unter den edlen Germanen, vorzugsweise
unter Aristokraten, Gründern und ältlichen Herren eine
erkleckliche Zahl christlicher Türken entdecken lassen.

wendung gebracht hat. Es ist dasselbe Argument, mit
welchem man in der antiken Welt den Plebejern die
bürgerlichen Rechte vorenthielt.

Ja wohl, eine plumpe Lüge! Wenn es unweiblich
ist zu stimmen, so ist es auch unweiblich, Steuern zu
zahlen, so ist es unweiblich für eine Wittwe, ihre
Kinder durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren, so ist
es unweiblich, zu betteln u.s.w.

Gewohnheit macht Dinge so zur zweiten Natur,
daß selbst das wärmste Herz und der weiseste Sinn
ihre Sinnlosigkeit, ihre Härte und Ungerechtigkeit über-
sieht. Ein Beispiel die Sklaverei des Alterthums, an
der die Besten ihrer Zeit keinen Anstoß nahmen.

Weil sie ein Weib ist. Das heißt, weil po-
litische und wissenschaftliche Thätigkeit, weil die Ent-
wickelung der Jntelligenz die Frau derjenigen weiblichen
Reize berauben dürfte, die in das Budget ihrer Lebens-
freuden zu verrechnen die Männer das Recht zu haben
glauben.

Diese Auffassung, consequent durchgeführt, endigt
im Harem. Und in der That, besäßen alle Männer
die großartige Wahrheitsliebe eines Schopenhauer, so
würden sich unter den edlen Germanen, vorzugsweise
unter Aristokraten, Gründern und ältlichen Herren eine
erkleckliche Zahl christlicher Türken entdecken lassen.

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[132/0140] wendung gebracht hat. Es ist dasselbe Argument, mit welchem man in der antiken Welt den Plebejern die bürgerlichen Rechte vorenthielt. Ja wohl, eine plumpe Lüge! Wenn es unweiblich ist zu stimmen, so ist es auch unweiblich, Steuern zu zahlen, so ist es unweiblich für eine Wittwe, ihre Kinder durch ihrer Hände Arbeit zu ernähren, so ist es unweiblich, zu betteln u.s.w. Gewohnheit macht Dinge so zur zweiten Natur, daß selbst das wärmste Herz und der weiseste Sinn ihre Sinnlosigkeit, ihre Härte und Ungerechtigkeit über- sieht. Ein Beispiel die Sklaverei des Alterthums, an der die Besten ihrer Zeit keinen Anstoß nahmen. Weil sie ein Weib ist. Das heißt, weil po- litische und wissenschaftliche Thätigkeit, weil die Ent- wickelung der Jntelligenz die Frau derjenigen weiblichen Reize berauben dürfte, die in das Budget ihrer Lebens- freuden zu verrechnen die Männer das Recht zu haben glauben. Diese Auffassung, consequent durchgeführt, endigt im Harem. Und in der That, besäßen alle Männer die großartige Wahrheitsliebe eines Schopenhauer, so würden sich unter den edlen Germanen, vorzugsweise unter Aristokraten, Gründern und ältlichen Herren eine erkleckliche Zahl christlicher Türken entdecken lassen.

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Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Frauen Natur und Recht. Berlin, 1876, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_frauenfrage_1876/140>, abgerufen am 28.04.2024.