Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Was meint man zu dem weiblichen Thun einer
jungen verlobten Dame, deren Bekanntschaft zu machen
ich in einem thüringischen Städtchen die Ehre hatte. Jch
traf nämlich diese angehende Hausfrau in der Küche,
als sie mir triumphirend einen Hahn wies, den sie
soeben - noch schwang sie das blutige Messer - zu
einem Capaun hatte avanciren lassen. Der Bräutigam
war gewiß entzückt über das Wirthschaftstalent dieser
zarten Jungfrau.

Die Hausfrau, die keine Arbeit scheut, die mit Ver-
gnügen schmutzige Wäsche aussucht, mit Seelensatisfaktion
kocht, mit Herzenslust nach Ungeziefer jagt und die dabei
so zart und sinnig geartet ist, daß sie mit Lindenblüthen
und Mondschein, mit Heine und Byron vertrauten Um-
gang pflegt und in den Zaubergärten der Poesie wonnig
und behaglich wie in ihrer Speisekammer wandelt, eine
solche Frau gehört zu den Fabelwesen. Sie existirt
nicht. Jch wenigstens kenne kein einziges Exemplar.

Wer kennt es?

Don Quixote.

Nur er kann eine Kartoffel für eine Pfirsich, das
Gackern einer Henne für Nachtigallengesang halten.

Lassen wir einmal die heuchlerische Phrase, daß eine
Frau, die wirthschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke

Was meint man zu dem weiblichen Thun einer
jungen verlobten Dame, deren Bekanntschaft zu machen
ich in einem thüringischen Städtchen die Ehre hatte. Jch
traf nämlich diese angehende Hausfrau in der Küche,
als sie mir triumphirend einen Hahn wies, den sie
soeben – noch schwang sie das blutige Messer – zu
einem Capaun hatte avanciren lassen. Der Bräutigam
war gewiß entzückt über das Wirthschaftstalent dieser
zarten Jungfrau.

Die Hausfrau, die keine Arbeit scheut, die mit Ver-
gnügen schmutzige Wäsche aussucht, mit Seelensatisfaktion
kocht, mit Herzenslust nach Ungeziefer jagt und die dabei
so zart und sinnig geartet ist, daß sie mit Lindenblüthen
und Mondschein, mit Heine und Byron vertrauten Um-
gang pflegt und in den Zaubergärten der Poesie wonnig
und behaglich wie in ihrer Speisekammer wandelt, eine
solche Frau gehört zu den Fabelwesen. Sie existirt
nicht. Jch wenigstens kenne kein einziges Exemplar.

Wer kennt es?

Don Quixote.

Nur er kann eine Kartoffel für eine Pfirsich, das
Gackern einer Henne für Nachtigallengesang halten.

Lassen wir einmal die heuchlerische Phrase, daß eine
Frau, die wirthschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0160" n="152"/>
          <p>Was meint man zu dem weiblichen Thun einer<lb/>
jungen verlobten Dame, deren Bekanntschaft zu machen<lb/>
ich in einem thüringischen Städtchen die Ehre hatte. Jch<lb/>
traf nämlich diese angehende Hausfrau in der Küche,<lb/>
als sie mir triumphirend einen Hahn wies, den sie<lb/>
soeben &#x2013; noch schwang sie das blutige Messer &#x2013; zu<lb/>
einem Capaun hatte avanciren lassen. Der Bräutigam<lb/>
war gewiß entzückt über das Wirthschaftstalent dieser<lb/>
zarten Jungfrau.</p><lb/>
          <p>Die Hausfrau, die keine Arbeit scheut, die mit Ver-<lb/>
gnügen schmutzige Wäsche aussucht, mit Seelensatisfaktion<lb/>
kocht, mit Herzenslust nach Ungeziefer jagt und die dabei<lb/>
so zart und sinnig geartet ist, daß sie mit Lindenblüthen<lb/>
und Mondschein, mit Heine und Byron vertrauten Um-<lb/>
gang pflegt und in den Zaubergärten der Poesie wonnig<lb/>
und behaglich wie in ihrer Speisekammer wandelt, eine<lb/>
solche Frau gehört zu den Fabelwesen. Sie existirt<lb/>
nicht. Jch wenigstens kenne kein einziges Exemplar.</p><lb/>
          <p>Wer kennt es?</p><lb/>
          <p>Don Quixote.</p><lb/>
          <p>Nur er kann eine Kartoffel für eine Pfirsich, das<lb/>
Gackern einer Henne für Nachtigallengesang halten.</p><lb/>
          <p>Lassen wir einmal die heuchlerische Phrase, daß eine<lb/>
Frau, die wirthschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0160] Was meint man zu dem weiblichen Thun einer jungen verlobten Dame, deren Bekanntschaft zu machen ich in einem thüringischen Städtchen die Ehre hatte. Jch traf nämlich diese angehende Hausfrau in der Küche, als sie mir triumphirend einen Hahn wies, den sie soeben – noch schwang sie das blutige Messer – zu einem Capaun hatte avanciren lassen. Der Bräutigam war gewiß entzückt über das Wirthschaftstalent dieser zarten Jungfrau. Die Hausfrau, die keine Arbeit scheut, die mit Ver- gnügen schmutzige Wäsche aussucht, mit Seelensatisfaktion kocht, mit Herzenslust nach Ungeziefer jagt und die dabei so zart und sinnig geartet ist, daß sie mit Lindenblüthen und Mondschein, mit Heine und Byron vertrauten Um- gang pflegt und in den Zaubergärten der Poesie wonnig und behaglich wie in ihrer Speisekammer wandelt, eine solche Frau gehört zu den Fabelwesen. Sie existirt nicht. Jch wenigstens kenne kein einziges Exemplar. Wer kennt es? Don Quixote. Nur er kann eine Kartoffel für eine Pfirsich, das Gackern einer Henne für Nachtigallengesang halten. Lassen wir einmal die heuchlerische Phrase, daß eine Frau, die wirthschaftliche oder wissenschaftliche Zwecke

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/160
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/160>, abgerufen am 23.11.2024.