Wie viel Frauen haben wohl eine Ahnung davon, daß ihr Verhalten während der Schwangerschaft von un- berechbarem Einfluß auf das neugeborene Kind ist?
Unter guter, geistreicher Pflege der Kinder pflegt man gemeinhin eine gewisse Dressur zur Artigkeit zu ver- stehen, zum Gehorchen, zum Stillsitzen, zu anständigen Lebensformen u. s. w.
Gewissenhaft werden diejenigen Eigenschaften erweckt und ausgebildet, die der Mutter viel und dem Kinde wenig nützen.
Eine gute Mutter und Hausfrau pflegt eine zer- brochene Tasse, eine Vergeßlichkeit, ein beschmutztes Kleid, ein Strampeln mit den Beinen, ein lebhaftes Hand- gemenge der Kinder untereinander, gewissenhaft abzu- prügeln. Auf spitzfindige Untersuchungen nach der Ver- anlassung dieser Schandthaten läßt sie sich natürlich nicht ein.
Der arme kleine Wilhelm, er hat vielleicht in seine schwärzlichen Gebilde von Erde, Lehm und Wasser, die ihn so arg beschmutzten, ein plastisches Genie hinein- geknetet, und die schlimme Mutter, mit ihrem Prügeln hat sie möglicherweise einen kleinen Michel Angelo im Keime erstickt.
Wenn Karlchen in seinen gewaltigen Armen ein paar Tassen und Töpfe zerdrückte, so geschah es vielleicht aus
Wie viel Frauen haben wohl eine Ahnung davon, daß ihr Verhalten während der Schwangerschaft von un- berechbarem Einfluß auf das neugeborene Kind ist?
Unter guter, geistreicher Pflege der Kinder pflegt man gemeinhin eine gewisse Dressur zur Artigkeit zu ver- stehen, zum Gehorchen, zum Stillsitzen, zu anständigen Lebensformen u. s. w.
Gewissenhaft werden diejenigen Eigenschaften erweckt und ausgebildet, die der Mutter viel und dem Kinde wenig nützen.
Eine gute Mutter und Hausfrau pflegt eine zer- brochene Tasse, eine Vergeßlichkeit, ein beschmutztes Kleid, ein Strampeln mit den Beinen, ein lebhaftes Hand- gemenge der Kinder untereinander, gewissenhaft abzu- prügeln. Auf spitzfindige Untersuchungen nach der Ver- anlassung dieser Schandthaten läßt sie sich natürlich nicht ein.
Der arme kleine Wilhelm, er hat vielleicht in seine schwärzlichen Gebilde von Erde, Lehm und Wasser, die ihn so arg beschmutzten, ein plastisches Genie hinein- geknetet, und die schlimme Mutter, mit ihrem Prügeln hat sie möglicherweise einen kleinen Michel Angelo im Keime erstickt.
Wenn Karlchen in seinen gewaltigen Armen ein paar Tassen und Töpfe zerdrückte, so geschah es vielleicht aus
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0052"n="44"/><p>Wie viel Frauen haben wohl eine Ahnung davon,<lb/>
daß ihr Verhalten während der Schwangerschaft von un-<lb/>
berechbarem Einfluß auf das neugeborene Kind ist?</p><lb/><p>Unter guter, geistreicher Pflege der Kinder pflegt man<lb/>
gemeinhin eine gewisse Dressur zur Artigkeit zu ver-<lb/>
stehen, zum Gehorchen, zum Stillsitzen, zu anständigen<lb/>
Lebensformen u. s. w.</p><lb/><p>Gewissenhaft werden diejenigen Eigenschaften erweckt<lb/>
und ausgebildet, die der Mutter <hirendition="#g">viel</hi> und dem Kinde<lb/><hirendition="#g">wenig</hi> nützen.</p><lb/><p>Eine gute Mutter und Hausfrau pflegt eine zer-<lb/>
brochene Tasse, eine Vergeßlichkeit, ein beschmutztes Kleid,<lb/>
ein Strampeln mit den Beinen, ein lebhaftes Hand-<lb/>
gemenge der Kinder untereinander, gewissenhaft abzu-<lb/>
prügeln. Auf spitzfindige Untersuchungen nach der Ver-<lb/>
anlassung dieser Schandthaten läßt sie sich natürlich nicht ein.</p><lb/><p>Der arme kleine Wilhelm, er hat vielleicht in seine<lb/>
schwärzlichen Gebilde von Erde, Lehm und Wasser, die<lb/>
ihn so arg beschmutzten, ein plastisches Genie hinein-<lb/>
geknetet, und die schlimme Mutter, mit ihrem Prügeln<lb/>
hat sie möglicherweise einen kleinen Michel Angelo im<lb/>
Keime erstickt.</p><lb/><p>Wenn Karlchen in seinen gewaltigen Armen ein paar<lb/>
Tassen und Töpfe zerdrückte, so geschah es vielleicht aus<lb/></p></div></body></text></TEI>
[44/0052]
Wie viel Frauen haben wohl eine Ahnung davon,
daß ihr Verhalten während der Schwangerschaft von un-
berechbarem Einfluß auf das neugeborene Kind ist?
Unter guter, geistreicher Pflege der Kinder pflegt man
gemeinhin eine gewisse Dressur zur Artigkeit zu ver-
stehen, zum Gehorchen, zum Stillsitzen, zu anständigen
Lebensformen u. s. w.
Gewissenhaft werden diejenigen Eigenschaften erweckt
und ausgebildet, die der Mutter viel und dem Kinde
wenig nützen.
Eine gute Mutter und Hausfrau pflegt eine zer-
brochene Tasse, eine Vergeßlichkeit, ein beschmutztes Kleid,
ein Strampeln mit den Beinen, ein lebhaftes Hand-
gemenge der Kinder untereinander, gewissenhaft abzu-
prügeln. Auf spitzfindige Untersuchungen nach der Ver-
anlassung dieser Schandthaten läßt sie sich natürlich nicht ein.
Der arme kleine Wilhelm, er hat vielleicht in seine
schwärzlichen Gebilde von Erde, Lehm und Wasser, die
ihn so arg beschmutzten, ein plastisches Genie hinein-
geknetet, und die schlimme Mutter, mit ihrem Prügeln
hat sie möglicherweise einen kleinen Michel Angelo im
Keime erstickt.
Wenn Karlchen in seinen gewaltigen Armen ein paar
Tassen und Töpfe zerdrückte, so geschah es vielleicht aus
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert.
Weitere Informationen …
Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-07-10T17:06:15Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-07-10T17:06:15Z)
Weitere Informationen:
Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.
Bogensignaturen: keine Angabe;
Druckfehler: keine Angabe;
fremdsprachliches Material: keine Angabe;
Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe;
Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage;
i/j in Fraktur: keine Angabe;
I/J in Fraktur: wie Vorlage;
Kolumnentitel: keine Angabe;
Kustoden: keine Angabe;
langes s (ſ): als s transkribiert;
Normalisierungen: keine Angabe;
rundes r (ꝛ): keine Angabe;
Seitenumbrüche markiert: ja;
Silbentrennung: wie Vorlage;
u/v bzw. U/V: keine Angabe;
Vokale mit übergest. e: keine Angabe;
Vollständigkeit: vollständig erfasst;
Zeichensetzung: wie Vorlage;
Zeilenumbrüche markiert: ja;
Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/52>, abgerufen am 16.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.