Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873.

Bild:
<< vorherige Seite

Mädchen auch an Ort und Stelle von ihrer Schand-
that überführen können, aber sie liebt es, der Dienst-
boten-Erziehung einen etwas melodramatischen Anstrich
zu geben.

Die gute Hausfrau horcht. Wie Argus hat sie
stets ein Auge offen, denn überall wittert sie Unrath.

Aus heimlichen Winkeln, aus dunklen Corridoren
bricht sie unversehens hervor, daß dem armen Mädchen
der Bissen, den sie gerade im Munde hat, vor Schrecken
in der Kehle stecken bleibt. Sie schielt durch Vorhänge,
sie schleicht auf Filzsohlen heran und überfällt hinter-
rücks den wehrlosen Feind.

Und was hat sie hören müssen!

"Ne, heut ist sie (Madame) wieder janz toll", und
"sie" klein geschrieben.

Am Vormittag erscheint die Frau alle Viertelstunde
in der Küche, macht die Deckel der Töpfe auf, rührt und
kostet und nascht und dreht sich hin und her und, je
nachdem ihre Stellung zu Augusten es mit sich bringt,
tauscht sie entweder freundliche gastronomische Gedanken
mit ihr aus, oder sie macht sich durch eine kleine Vor-
mittagskeiferei eine zuträgliche Motion.

Wird gewaschen, so erscheint sie in geeigneten Zwischen-
räumen, ganz in Dampf gehüllt, auf der obersten Stufe
der Kellertreppe, zuweilen auf dem Kothurn des Holz-

Mädchen auch an Ort und Stelle von ihrer Schand-
that überführen können, aber sie liebt es, der Dienst-
boten-Erziehung einen etwas melodramatischen Anstrich
zu geben.

Die gute Hausfrau horcht. Wie Argus hat sie
stets ein Auge offen, denn überall wittert sie Unrath.

Aus heimlichen Winkeln, aus dunklen Corridoren
bricht sie unversehens hervor, daß dem armen Mädchen
der Bissen, den sie gerade im Munde hat, vor Schrecken
in der Kehle stecken bleibt. Sie schielt durch Vorhänge,
sie schleicht auf Filzsohlen heran und überfällt hinter-
rücks den wehrlosen Feind.

Und was hat sie hören müssen!

„Ne, heut ist sie (Madame) wieder janz toll‟, und
„sie‟ klein geschrieben.

Am Vormittag erscheint die Frau alle Viertelstunde
in der Küche, macht die Deckel der Töpfe auf, rührt und
kostet und nascht und dreht sich hin und her und, je
nachdem ihre Stellung zu Augusten es mit sich bringt,
tauscht sie entweder freundliche gastronomische Gedanken
mit ihr aus, oder sie macht sich durch eine kleine Vor-
mittagskeiferei eine zuträgliche Motion.

Wird gewaschen, so erscheint sie in geeigneten Zwischen-
räumen, ganz in Dampf gehüllt, auf der obersten Stufe
der Kellertreppe, zuweilen auf dem Kothurn des Holz-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0071" n="63"/>
Mädchen auch an Ort und Stelle von ihrer Schand-<lb/>
that überführen können, aber sie liebt es, der Dienst-<lb/>
boten-Erziehung einen etwas melodramatischen Anstrich<lb/>
zu geben.</p><lb/>
            <p>Die gute Hausfrau horcht. Wie Argus hat sie<lb/>
stets ein Auge offen, denn überall wittert sie Unrath.</p><lb/>
            <p>Aus heimlichen Winkeln, aus dunklen Corridoren<lb/>
bricht sie unversehens hervor, daß dem armen Mädchen<lb/>
der Bissen, den sie gerade im Munde hat, vor Schrecken<lb/>
in der Kehle stecken bleibt. Sie schielt durch Vorhänge,<lb/>
sie schleicht auf Filzsohlen heran und überfällt hinter-<lb/>
rücks den wehrlosen Feind.</p><lb/>
            <p>Und was hat sie hören müssen!</p><lb/>
            <p>&#x201E;Ne, heut ist sie (Madame) wieder janz toll&#x201F;, und<lb/>
&#x201E;sie&#x201F; klein geschrieben.</p><lb/>
            <p>Am Vormittag erscheint die Frau alle Viertelstunde<lb/>
in der Küche, macht die Deckel der Töpfe auf, rührt und<lb/>
kostet und nascht und dreht sich hin und her und, je<lb/>
nachdem ihre Stellung zu Augusten es mit sich bringt,<lb/>
tauscht sie entweder freundliche gastronomische Gedanken<lb/>
mit ihr aus, oder sie macht sich durch eine kleine Vor-<lb/>
mittagskeiferei eine zuträgliche Motion.</p><lb/>
            <p>Wird gewaschen, so erscheint sie in geeigneten Zwischen-<lb/>
räumen, ganz in Dampf gehüllt, auf der obersten Stufe<lb/>
der Kellertreppe, zuweilen auf dem Kothurn des Holz-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0071] Mädchen auch an Ort und Stelle von ihrer Schand- that überführen können, aber sie liebt es, der Dienst- boten-Erziehung einen etwas melodramatischen Anstrich zu geben. Die gute Hausfrau horcht. Wie Argus hat sie stets ein Auge offen, denn überall wittert sie Unrath. Aus heimlichen Winkeln, aus dunklen Corridoren bricht sie unversehens hervor, daß dem armen Mädchen der Bissen, den sie gerade im Munde hat, vor Schrecken in der Kehle stecken bleibt. Sie schielt durch Vorhänge, sie schleicht auf Filzsohlen heran und überfällt hinter- rücks den wehrlosen Feind. Und was hat sie hören müssen! „Ne, heut ist sie (Madame) wieder janz toll‟, und „sie‟ klein geschrieben. Am Vormittag erscheint die Frau alle Viertelstunde in der Küche, macht die Deckel der Töpfe auf, rührt und kostet und nascht und dreht sich hin und her und, je nachdem ihre Stellung zu Augusten es mit sich bringt, tauscht sie entweder freundliche gastronomische Gedanken mit ihr aus, oder sie macht sich durch eine kleine Vor- mittagskeiferei eine zuträgliche Motion. Wird gewaschen, so erscheint sie in geeigneten Zwischen- räumen, ganz in Dampf gehüllt, auf der obersten Stufe der Kellertreppe, zuweilen auf dem Kothurn des Holz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-07-10T17:06:15Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-07-10T17:06:15Z)

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: keine Angabe; Druckfehler: keine Angabe; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/71
Zitationshilfe: Dohm, Hedwig: Der Jesuitismus im Hausstande. Berlin, 1873, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_jesuitismus_1873/71>, abgerufen am 04.12.2024.