Wie kann aber ihr Zustand verbessert werden? So herzlich ich ihnen auch ein besser Schicksal wün- sche; so find ichs doch nicht so leicht, als der würdige Herr Kriegesrath Dohm, der sie allen übrigen Bür- gern des Staats gleich gemacht haben mögte. Nicht als wenn ich 's nicht billig fände, nicht als wenn ich nicht mit der Zeit den besten Willen dazu von den gerechten Gesinnungen unserer Fürsten erwartete -- sondern ich finde die Hauptschwierigkeit in den Ju- den selbst. Ich kann sie in diesen Blättern nicht so weitläuftig auseinander setzen, als wenn ich ein Buch darüber schriebe; aber auch einige Einwürfe in der Kürze können den Patrioten schon zum Nach- denken bringen. Herr Dohm hat einige dieser Schwierigkeiten selbst gefühlt, und ich glaube nicht, daß er sie so gehoben hat, daß er selbst vollkommen damit zufrieden seyn könnte, und eine der wichtig- sten ist ihm sogar entwischt. Die Juden erhalten sich unter uns noch immer als eine völlig fremde Nation, ihre Lebhaftigkeit ist weit größer, als die unsrige, ihre Sitten und Gebräuche sind ganz andere, und lassen sich wirklich nicht so modificiren, daß sie mit uns füglich ein ganzes ausmachen könn- ten. Sie sind allerdings fähig, einen großen Theil der Pflichten der Bürger unserer Staaten auszu-
üben,
Wie kann aber ihr Zuſtand verbeſſert werden? So herzlich ich ihnen auch ein beſſer Schickſal wuͤn- ſche; ſo find ichs doch nicht ſo leicht, als der wuͤrdige Herr Kriegesrath Dohm, der ſie allen uͤbrigen Buͤr- gern des Staats gleich gemacht haben moͤgte. Nicht als wenn ich ’s nicht billig faͤnde, nicht als wenn ich nicht mit der Zeit den beſten Willen dazu von den gerechten Geſinnungen unſerer Fuͤrſten erwartete — ſondern ich finde die Hauptſchwierigkeit in den Ju- den ſelbſt. Ich kann ſie in dieſen Blaͤttern nicht ſo weitlaͤuftig auseinander ſetzen, als wenn ich ein Buch daruͤber ſchriebe; aber auch einige Einwuͤrfe in der Kuͤrze koͤnnen den Patrioten ſchon zum Nach- denken bringen. Herr Dohm hat einige dieſer Schwierigkeiten ſelbſt gefuͤhlt, und ich glaube nicht, daß er ſie ſo gehoben hat, daß er ſelbſt vollkommen damit zufrieden ſeyn koͤnnte, und eine der wichtig- ſten iſt ihm ſogar entwiſcht. Die Juden erhalten ſich unter uns noch immer als eine voͤllig fremde Nation, ihre Lebhaftigkeit iſt weit groͤßer, als die unſrige, ihre Sitten und Gebraͤuche ſind ganz andere, und laſſen ſich wirklich nicht ſo modificiren, daß ſie mit uns fuͤglich ein ganzes ausmachen koͤnn- ten. Sie ſind allerdings faͤhig, einen großen Theil der Pflichten der Buͤrger unſerer Staaten auszu-
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Wie kann aber ihr Zuſtand verbeſſert werden?
So herzlich ich ihnen auch ein beſſer Schickſal wuͤn-
ſche; ſo find ichs doch nicht ſo leicht, als der wuͤrdige
Herr Kriegesrath Dohm, der ſie allen uͤbrigen Buͤr-
gern des Staats gleich gemacht haben moͤgte. Nicht
als wenn ich ’s nicht billig faͤnde, nicht als wenn ich
nicht mit der Zeit den beſten Willen dazu von den
gerechten Geſinnungen unſerer Fuͤrſten erwartete —
ſondern ich finde die Hauptſchwierigkeit in den Ju-
den ſelbſt. Ich kann ſie in dieſen Blaͤttern nicht ſo
weitlaͤuftig auseinander ſetzen, als wenn ich ein
Buch daruͤber ſchriebe; aber auch einige Einwuͤrfe in
der Kuͤrze koͤnnen den Patrioten ſchon zum Nach-
denken bringen. Herr Dohm hat einige dieſer
Schwierigkeiten ſelbſt gefuͤhlt, und ich glaube nicht,
daß er ſie ſo gehoben hat, daß er ſelbſt vollkommen
damit zufrieden ſeyn koͤnnte, und eine der wichtig-
ſten iſt ihm ſogar entwiſcht. Die Juden erhalten
ſich unter uns noch immer als eine voͤllig fremde
Nation, ihre Lebhaftigkeit iſt weit groͤßer, als
die unſrige, ihre Sitten und Gebraͤuche ſind ganz
andere, und laſſen ſich wirklich nicht ſo modificiren,
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/106>, abgerufen am 24.11.2024.
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