-- Nur in dem einen Punct bin ich nicht über- zeugt worden, daß Sie den S. 134 angeführten Zweifelsgrund durch die nachstehende Gründe geho- ben hätten. Es scheint mir vielmehr, daß die Ju- den bey dem Ackerbau und Handwerken zu Grunde gehn müßten, wenn sie zwey Arbeitstage in der Wo- che verliehren sollten, die andern Festtage nicht ein- mal gerechnet. Die herrschende Religion und der Wohlstand können doch nicht verlangen, daß ein An- drer, der mit ihren Religionsbekennern gleiche Ge- wissensfreyheit haben soll, zu Grunde gehe, und et- was noch immer für eine Unbequemlichkeit seiner Re- ligion ansehe, die er doch nicht heben kann, so lange er seinem Glauben treu bleibt. Wie kann dieses mit der ihm gegebenen Gewissensfreyheit bestehn? Ich würde mich auch gar nicht ärgern, wenn ich einen Juden an unserm Sonntage arbeiten sähe; denn ich würde denken, er hat keinen Feyertag, nur würde ich die Policeyverfügung machen, daß ein Jude, der ein lärmendes Handwerk triebe, nicht gar zu nahe an einer christlichen Kirche wohnte. Diese kleine Unbe- quemlichkeit könnte der Jude leicht erdulden, und um ganz unpartheyisch zu seyn, würde ich der Synagoge
gern
9.
— Nur in dem einen Punct bin ich nicht uͤber- zeugt worden, daß Sie den S. 134 angefuͤhrten Zweifelsgrund durch die nachſtehende Gruͤnde geho- ben haͤtten. Es ſcheint mir vielmehr, daß die Ju- den bey dem Ackerbau und Handwerken zu Grunde gehn muͤßten, wenn ſie zwey Arbeitstage in der Wo- che verliehren ſollten, die andern Feſttage nicht ein- mal gerechnet. Die herrſchende Religion und der Wohlſtand koͤnnen doch nicht verlangen, daß ein An- drer, der mit ihren Religionsbekennern gleiche Ge- wiſſensfreyheit haben ſoll, zu Grunde gehe, und et- was noch immer fuͤr eine Unbequemlichkeit ſeiner Re- ligion anſehe, die er doch nicht heben kann, ſo lange er ſeinem Glauben treu bleibt. Wie kann dieſes mit der ihm gegebenen Gewiſſensfreyheit beſtehn? Ich wuͤrde mich auch gar nicht aͤrgern, wenn ich einen Juden an unſerm Sonntage arbeiten ſaͤhe; denn ich wuͤrde denken, er hat keinen Feyertag, nur wuͤrde ich die Policeyverfuͤgung machen, daß ein Jude, der ein laͤrmendes Handwerk triebe, nicht gar zu nahe an einer chriſtlichen Kirche wohnte. Dieſe kleine Unbe- quemlichkeit koͤnnte der Jude leicht erdulden, und um ganz unpartheyiſch zu ſeyn, wuͤrde ich der Synagoge
gern
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9.
— Nur in dem einen Punct bin ich nicht uͤber-
zeugt worden, daß Sie den S. 134 angefuͤhrten
Zweifelsgrund durch die nachſtehende Gruͤnde geho-
ben haͤtten. Es ſcheint mir vielmehr, daß die Ju-
den bey dem Ackerbau und Handwerken zu Grunde
gehn muͤßten, wenn ſie zwey Arbeitstage in der Wo-
che verliehren ſollten, die andern Feſttage nicht ein-
mal gerechnet. Die herrſchende Religion und der
Wohlſtand koͤnnen doch nicht verlangen, daß ein An-
drer, der mit ihren Religionsbekennern gleiche Ge-
wiſſensfreyheit haben ſoll, zu Grunde gehe, und et-
was noch immer fuͤr eine Unbequemlichkeit ſeiner Re-
ligion anſehe, die er doch nicht heben kann, ſo lange
er ſeinem Glauben treu bleibt. Wie kann dieſes mit der
ihm gegebenen Gewiſſensfreyheit beſtehn? Ich wuͤrde
mich auch gar nicht aͤrgern, wenn ich einen Juden
an unſerm Sonntage arbeiten ſaͤhe; denn ich wuͤrde
denken, er hat keinen Feyertag, nur wuͤrde ich die
Policeyverfuͤgung machen, daß ein Jude, der ein
laͤrmendes Handwerk triebe, nicht gar zu nahe an
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quemlichkeit koͤnnte der Jude leicht erdulden, und um
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/148>, abgerufen am 22.11.2024.
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