Sie scheinen noch immer etwas ungewiß, ob es billig sey, die Juden zu zwingen, die Freydenker zu ihrer Synagoge zuzulassen, und glauben daß dieses ein Eingriff in die gesellschaftliche Rechte sey? Geht der jüdische Freydenker in die Synagoge, um zu bespot- ten, was darinnen vorgenommen wird, oder beträgt er sich darinnen nicht friedfertig und vernünftig, so thut man recht ihn hinaus zu weisen, so wie den christlichen Freydenker, der die Predigt stöhren oder über dieses oder jenes spotten wollte; geht aber seine Freydenkerey nicht so weit daß er alles was in der Synagoge vorgenommen wird, als unnütz oder gar schädlich ansieht, sondern es ihm noch von den ein- geprägten Vorurtheilen der Jugend anhängt, daß er glaube sein Herz besser zu Gott zu erheben, wenn er in der Gemeine sich findet, also ein Vergnügen und Trost darinnen findet, warum wollte man ihm solches versagen? In den christlichen Gemeinen läßt es sich allenfals noch ehender rechtfertigen, den Ketzer und Freydenker nicht in der Gemeine dulden zu wollen. Denn die Christen haben ihre Sakramente, die sie für Perlen halten, die nicht anders als Rechtgläubigen mitgetheilt werden sollen, dem ungeachtet wird der Ein- gang in die Kirche und das Beten und Singen Nie- manden verwehrt, noch weniger das Anhören der
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Sie ſcheinen noch immer etwas ungewiß, ob es billig ſey, die Juden zu zwingen, die Freydenker zu ihrer Synagoge zuzulaſſen, und glauben daß dieſes ein Eingriff in die geſellſchaftliche Rechte ſey? Geht der juͤdiſche Freydenker in die Synagoge, um zu beſpot- ten, was darinnen vorgenommen wird, oder betraͤgt er ſich darinnen nicht friedfertig und vernuͤnftig, ſo thut man recht ihn hinaus zu weiſen, ſo wie den chriſtlichen Freydenker, der die Predigt ſtoͤhren oder uͤber dieſes oder jenes ſpotten wollte; geht aber ſeine Freydenkerey nicht ſo weit daß er alles was in der Synagoge vorgenommen wird, als unnuͤtz oder gar ſchaͤdlich anſieht, ſondern es ihm noch von den ein- gepraͤgten Vorurtheilen der Jugend anhaͤngt, daß er glaube ſein Herz beſſer zu Gott zu erheben, wenn er in der Gemeine ſich findet, alſo ein Vergnuͤgen und Troſt darinnen findet, warum wollte man ihm ſolches verſagen? In den chriſtlichen Gemeinen laͤßt es ſich allenfals noch ehender rechtfertigen, den Ketzer und Freydenker nicht in der Gemeine dulden zu wollen. Denn die Chriſten haben ihre Sakramente, die ſie fuͤr Perlen halten, die nicht anders als Rechtglaͤubigen mitgetheilt werden ſollen, dem ungeachtet wird der Ein- gang in die Kirche und das Beten und Singen Nie- manden verwehrt, noch weniger das Anhoͤren der
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Sie ſcheinen noch immer etwas ungewiß, ob es
billig ſey, die Juden zu zwingen, die Freydenker zu
ihrer Synagoge zuzulaſſen, und glauben daß dieſes
ein Eingriff in die geſellſchaftliche Rechte ſey? Geht
der juͤdiſche Freydenker in die Synagoge, um zu beſpot-
ten, was darinnen vorgenommen wird, oder betraͤgt
er ſich darinnen nicht friedfertig und vernuͤnftig, ſo
thut man recht ihn hinaus zu weiſen, ſo wie den
chriſtlichen Freydenker, der die Predigt ſtoͤhren oder
uͤber dieſes oder jenes ſpotten wollte; geht aber ſeine
Freydenkerey nicht ſo weit daß er alles was in der
Synagoge vorgenommen wird, als unnuͤtz oder gar
ſchaͤdlich anſieht, ſondern es ihm noch von den ein-
gepraͤgten Vorurtheilen der Jugend anhaͤngt, daß
er glaube ſein Herz beſſer zu Gott zu erheben, wenn
er in der Gemeine ſich findet, alſo ein Vergnuͤgen
und Troſt darinnen findet, warum wollte man ihm
ſolches verſagen? In den chriſtlichen Gemeinen laͤßt es
ſich allenfals noch ehender rechtfertigen, den Ketzer und
Freydenker nicht in der Gemeine dulden zu wollen.
Denn die Chriſten haben ihre Sakramente, die ſie fuͤr
Perlen halten, die nicht anders als Rechtglaͤubigen
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/150>, abgerufen am 22.11.2024.
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