die bessere Behandlung der Hebräer anfienge, und die Juden aus andern Ländern ihm zu häufig zu- strömten; so, glaube ich, würde er nicht Unrecht thun, auch die freywillig sich anbietenden abzuweisen, we- nigstens so lange, bis noch verschiedene Schwierig- keiten ihrer vollkomnen bürgerlichen Brauchbarkeit (besonders die von den Kriegsdiensten und der Colli- sion des Sabbaths mit den bürgerlichen Verhältnis- sen) völlig durch die Erfahrung (denn diese nur ver- mag es) gehoben seyn werden. Indeß schmeichle ich mir noch immer mit der angenehmen Aussicht, daß die Wahrheit, der ich Eingang zu verschaffen suche, vielleicht in nicht zu entfernter Zeit, in mehrern Lan- den sich verbreiten und eine bessere Behandlung der einheimischen Juden eines jeden bewirken, also den Fall einer zu grossen Auswanderung nach einem be- stimmten Lande verhindern werde. Auch kömmt hie- bey, wie Hr. Michaelis sehr richtig bemerkt, die Verschiedenheit der Länder und ihre größere oder ge- ringere Bevölkerung in Betrachtung. Eine halbe oder ganze Million Juden würde freylich in Frank- reich, das 26 Milllonen Einwohner hat, ganz andere Folgen hervorbringen, als in Schweden bey 2 und einer halben Million; auch andere in den noch mit wüsten und unurbarem Lande versehenen österreichi-
schen
die beſſere Behandlung der Hebraͤer anfienge, und die Juden aus andern Laͤndern ihm zu haͤufig zu- ſtroͤmten; ſo, glaube ich, wuͤrde er nicht Unrecht thun, auch die freywillig ſich anbietenden abzuweiſen, we- nigſtens ſo lange, bis noch verſchiedene Schwierig- keiten ihrer vollkomnen buͤrgerlichen Brauchbarkeit (beſonders die von den Kriegsdienſten und der Colli- ſion des Sabbaths mit den buͤrgerlichen Verhaͤltniſ- ſen) voͤllig durch die Erfahrung (denn dieſe nur ver- mag es) gehoben ſeyn werden. Indeß ſchmeichle ich mir noch immer mit der angenehmen Ausſicht, daß die Wahrheit, der ich Eingang zu verſchaffen ſuche, vielleicht in nicht zu entfernter Zeit, in mehrern Lan- den ſich verbreiten und eine beſſere Behandlung der einheimiſchen Juden eines jeden bewirken, alſo den Fall einer zu groſſen Auswanderung nach einem be- ſtimmten Lande verhindern werde. Auch koͤmmt hie- bey, wie Hr. Michaelis ſehr richtig bemerkt, die Verſchiedenheit der Laͤnder und ihre groͤßere oder ge- ringere Bevoͤlkerung in Betrachtung. Eine halbe oder ganze Million Juden wuͤrde freylich in Frank- reich, das 26 Milllonen Einwohner hat, ganz andere Folgen hervorbringen, als in Schweden bey 2 und einer halben Million; auch andere in den noch mit wuͤſten und unurbarem Lande verſehenen oͤſterreichi-
ſchen
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die beſſere Behandlung der Hebraͤer anfienge, und
die Juden aus andern Laͤndern ihm zu haͤufig zu-
ſtroͤmten; ſo, glaube ich, wuͤrde er nicht Unrecht thun,
auch die freywillig ſich anbietenden abzuweiſen, we-
nigſtens ſo lange, bis noch verſchiedene Schwierig-
keiten ihrer vollkomnen buͤrgerlichen Brauchbarkeit
(beſonders die von den Kriegsdienſten und der Colli-
ſion des Sabbaths mit den buͤrgerlichen Verhaͤltniſ-
ſen) voͤllig durch die Erfahrung (denn dieſe nur ver-
mag es) gehoben ſeyn werden. Indeß ſchmeichle ich
mir noch immer mit der angenehmen Ausſicht, daß
die Wahrheit, der ich Eingang zu verſchaffen ſuche,
vielleicht in nicht zu entfernter Zeit, in mehrern Lan-
den ſich verbreiten und eine beſſere Behandlung der
einheimiſchen Juden eines jeden bewirken, alſo den
Fall einer zu groſſen Auswanderung nach einem be-
ſtimmten Lande verhindern werde. Auch koͤmmt hie-
bey, wie Hr. Michaelis ſehr richtig bemerkt, die
Verſchiedenheit der Laͤnder und ihre groͤßere oder ge-
ringere Bevoͤlkerung in Betrachtung. Eine halbe
oder ganze Million Juden wuͤrde freylich in Frank-
reich, das 26 Milllonen Einwohner hat, ganz andere
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einer halben Million; auch andere in den noch mit
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/178>, abgerufen am 21.11.2024.
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