Staat und die nur auf ihn sich beziehende Gesetze längst vergessen haben, wenn man sie den bürgerli- chen Gesellschaften, in denen sie lebten, völlig ein- verleibt und glücklich in denselben gemacht hätte; die Vorurtheile, die diese Drückung hervorgebracht hat, wären dann nie entstanden. Die Ge- schichte aller Zeiten beweißt, daß polltische oder religiöse Schwärmerey und Anhänglichkeit nur durch die Verfolgung verewiget werden, und daß Gleichgültigkeit, Duldung und Unaufmerksam- keit ihr sicherster Tod sind. Den Einwurf, daß die Juden hierinn eine ganz besondere Ausnahme ma- chen würden, kann ich wenigstens so lange nicht zu- geben, bis eine noch nie gemachte Erfahrung ihn bestätiget, oder bis man mir bis itzt un- möglich scheinende Beweise gegeben hat, daß die menschliche Natur in den Juden anders, als auf ihre sonst bekannte Art, wirke. Bis dahin wird man mir erlauben, an die allgemeine Regel zu glauben.
Dem Staate muß es genug seyn, wenn die Ju- den durch die bessere Behandlung dahin gebracht wer- den, ihre Vorurtheile abzulegen, sie mögen es nun übrigens mit ihren religiösen Meynungen halten wie sie wollen. Dieß war der Hauptgrundsatz meines bisher entwickelten Plans; aber da man nun über
dieses
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Staat und die nur auf ihn ſich beziehende Geſetze laͤngſt vergeſſen haben, wenn man ſie den buͤrgerli- chen Geſellſchaften, in denen ſie lebten, voͤllig ein- verleibt und gluͤcklich in denſelben gemacht haͤtte; die Vorurtheile, die dieſe Druͤckung hervorgebracht hat, waͤren dann nie entſtanden. Die Ge- ſchichte aller Zeiten beweißt, daß polltiſche oder religioͤſe Schwaͤrmerey und Anhaͤnglichkeit nur durch die Verfolgung verewiget werden, und daß Gleichguͤltigkeit, Duldung und Unaufmerkſam- keit ihr ſicherſter Tod ſind. Den Einwurf, daß die Juden hierinn eine ganz beſondere Ausnahme ma- chen wuͤrden, kann ich wenigſtens ſo lange nicht zu- geben, bis eine noch nie gemachte Erfahrung ihn beſtaͤtiget, oder bis man mir bis itzt un- moͤglich ſcheinende Beweiſe gegeben hat, daß die menſchliche Natur in den Juden anders, als auf ihre ſonſt bekannte Art, wirke. Bis dahin wird man mir erlauben, an die allgemeine Regel zu glauben.
Dem Staate muß es genug ſeyn, wenn die Ju- den durch die beſſere Behandlung dahin gebracht wer- den, ihre Vorurtheile abzulegen, ſie moͤgen es nun uͤbrigens mit ihren religioͤſen Meynungen halten wie ſie wollen. Dieß war der Hauptgrundſatz meines bisher entwickelten Plans; aber da man nun uͤber
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Staat und die nur auf ihn ſich beziehende Geſetze
laͤngſt vergeſſen haben, wenn man ſie den buͤrgerli-
chen Geſellſchaften, in denen ſie lebten, voͤllig ein-
verleibt und gluͤcklich in denſelben gemacht haͤtte;
die Vorurtheile, die dieſe Druͤckung hervorgebracht
hat, waͤren dann nie entſtanden. Die Ge-
ſchichte aller Zeiten beweißt, daß polltiſche
oder religioͤſe Schwaͤrmerey und Anhaͤnglichkeit
nur durch die Verfolgung verewiget werden, und
daß Gleichguͤltigkeit, Duldung und Unaufmerkſam-
keit ihr ſicherſter Tod ſind. Den Einwurf, daß die
Juden hierinn eine ganz beſondere Ausnahme ma-
chen wuͤrden, kann ich wenigſtens ſo lange nicht zu-
geben, bis eine noch nie gemachte Erfahrung
ihn beſtaͤtiget, oder bis man mir bis itzt un-
moͤglich ſcheinende Beweiſe gegeben hat, daß die
menſchliche Natur in den Juden anders, als auf ihre
ſonſt bekannte Art, wirke. Bis dahin wird man mir
erlauben, an die allgemeine Regel zu glauben.
Dem Staate muß es genug ſeyn, wenn die Ju-
den durch die beſſere Behandlung dahin gebracht wer-
den, ihre Vorurtheile abzulegen, ſie moͤgen es nun
uͤbrigens mit ihren religioͤſen Meynungen halten wie
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/185>, abgerufen am 21.11.2024.
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