derten der Weg zum Throne war. Edelmüthi- ge und gelehrte Forscher der Kirchengeschichte, de- nen die Wahrheit lieber als irgend ein System ist (und wen könnte ich hier schicklicher nennen als den so ruhmvoll unpartheyischen Hrn. D. Semler?) ha- ben es schon lange eingestanden, daß ein ansehnli- cher Theil der ersten Christen sich dieses größten ge- sellschaftlichen Vergehens, -- der Auflehnung und Verbindung gegen die einmal eingeführte Verfassung des Staats, schuldig gemacht, und daß sie dieses als Christen, gethan haben, da sie von den Grund- sätzen ihrer ersten Lehrer so weit abwichen, daß sie die Herrschaft einer Regierung, die nicht ihres Glaubens war, für unrechtmäßig hielten, und durchaus die öffent- lich bürgerlich herrschende Parthey werden wollten.
Noch früher und allgemeiner wurde ihnen der Vor- wurf gemacht, daß sie sich weigerten, dem gemeinen Wesen zu dienen, und daß also ein aus lauter Chri- sten bestehender Staat sich nicht erhalten könne. Die Apologeten gestehen auch dieses als eine christliche Lehre, gerade ein. Nach ihnen, "müssen Christen "nur die Würden der Kirche bekleiden und auch so- "gar zu diesen, wegen ihrer bescheidenen Demuth, nur "sich zwingen lassen; sie werden durch bürgerliche "Gesetze befleckt, und wer nach einer bürgerlichen
"Ehre
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derten der Weg zum Throne war. Edelmuͤthi- ge und gelehrte Forſcher der Kirchengeſchichte, de- nen die Wahrheit lieber als irgend ein Syſtem iſt (und wen koͤnnte ich hier ſchicklicher nennen als den ſo ruhmvoll unpartheyiſchen Hrn. D. Semler?) ha- ben es ſchon lange eingeſtanden, daß ein anſehnli- cher Theil der erſten Chriſten ſich dieſes groͤßten ge- ſellſchaftlichen Vergehens, — der Auflehnung und Verbindung gegen die einmal eingefuͤhrte Verfaſſung des Staats, ſchuldig gemacht, und daß ſie dieſes als Chriſten, gethan haben, da ſie von den Grund- ſaͤtzen ihrer erſten Lehrer ſo weit abwichen, daß ſie die Herrſchaft einer Regierung, die nicht ihres Glaubens war, fuͤr unrechtmaͤßig hielten, und durchaus die oͤffent- lich buͤrgerlich herrſchende Parthey werden wollten.
Noch fruͤher und allgemeiner wurde ihnen der Vor- wurf gemacht, daß ſie ſich weigerten, dem gemeinen Weſen zu dienen, und daß alſo ein aus lauter Chri- ſten beſtehender Staat ſich nicht erhalten koͤnne. Die Apologeten geſtehen auch dieſes als eine chriſtliche Lehre, gerade ein. Nach ihnen, „muͤſſen Chriſten „nur die Wuͤrden der Kirche bekleiden und auch ſo- „gar zu dieſen, wegen ihrer beſcheidenen Demuth, nur „ſich zwingen laſſen; ſie werden durch buͤrgerliche „Geſetze befleckt, und wer nach einer buͤrgerlichen
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(und wen koͤnnte ich hier ſchicklicher nennen als den
ſo ruhmvoll unpartheyiſchen Hrn. D. Semler?) ha-
ben es ſchon lange eingeſtanden, daß ein anſehnli-
cher Theil der erſten Chriſten ſich dieſes groͤßten ge-
ſellſchaftlichen Vergehens, — der Auflehnung und
Verbindung gegen die einmal eingefuͤhrte Verfaſſung
des Staats, ſchuldig gemacht, und daß ſie dieſes als
Chriſten, gethan haben, da ſie von den Grund-
ſaͤtzen ihrer erſten Lehrer ſo weit abwichen, daß ſie die
Herrſchaft einer Regierung, die nicht ihres Glaubens
war, fuͤr unrechtmaͤßig hielten, und durchaus die oͤffent-
lich buͤrgerlich herrſchende Parthey werden wollten.
Noch fruͤher und allgemeiner wurde ihnen der Vor-
wurf gemacht, daß ſie ſich weigerten, dem gemeinen
Weſen zu dienen, und daß alſo ein aus lauter Chri-
ſten beſtehender Staat ſich nicht erhalten koͤnne. Die
Apologeten geſtehen auch dieſes als eine chriſtliche
Lehre, gerade ein. Nach ihnen, „muͤſſen Chriſten
„nur die Wuͤrden der Kirche bekleiden und auch ſo-
„gar zu dieſen, wegen ihrer beſcheidenen Demuth, nur
„ſich zwingen laſſen; ſie werden durch buͤrgerliche
„Geſetze befleckt, und wer nach einer buͤrgerlichen
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/209>, abgerufen am 21.11.2024.
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