müßte. Es läßt sich also wohl ohne alle Uebertrei- bung behaupten, daß wenigstens ein ansehnlicher Theil der Christen in den ersten Jahrhunderten die Pflich- ten guter Bürger zu erfüllen unfähig und also der Staat berechtigt war, gegen Menschen, die sich durch ihre göttliche Lehren so gewaltsam von ihm loßrissen, immer ein gewisses Mißtrauen zu nähren und ihre Vermehrung zu hindern. Dieses mißkennen oder be- streiten wollen, und doch noch immer den Juden ihre lange nicht so weit gehende, ungesellige trennende Grundsätze vorwerfen, würde eine Partheylichkeit an- zeigen, die eines philosophischen Untersuchers unwür- dig ist.
Aber bey allen diesen mit dem Wohl der Gesell- schaft durchaus unverträglichen ältern christlichen Leh- ren, haben doch nun schon seit Jahrhunderten die Chri- sten sich in Staaten vereinigt, ohne in ihren bürger- lichen Pflichten durch die Befolgung jener Lehren ge- hindert zu werden, die nur noch in der Dunkelheit einiger kleinen Secten *) sich erhalten haben, welche
auch
*) Der Quacker und Mennoniten, welche diese Lehren noch itzt in den heiligen Büchern aller Chri- sten finden und auch mit der angeführten Autorität der Kirchenväter unterstützen, und sich der Erhal- tung des ältesten christlichen Glaubens rühmen.
Bar-
muͤßte. Es laͤßt ſich alſo wohl ohne alle Uebertrei- bung behaupten, daß wenigſtens ein anſehnlicher Theil der Chriſten in den erſten Jahrhunderten die Pflich- ten guter Buͤrger zu erfuͤllen unfaͤhig und alſo der Staat berechtigt war, gegen Menſchen, die ſich durch ihre goͤttliche Lehren ſo gewaltſam von ihm loßriſſen, immer ein gewiſſes Mißtrauen zu naͤhren und ihre Vermehrung zu hindern. Dieſes mißkennen oder be- ſtreiten wollen, und doch noch immer den Juden ihre lange nicht ſo weit gehende, ungeſellige trennende Grundſaͤtze vorwerfen, wuͤrde eine Partheylichkeit an- zeigen, die eines philoſophiſchen Unterſuchers unwuͤr- dig iſt.
Aber bey allen dieſen mit dem Wohl der Geſell- ſchaft durchaus unvertraͤglichen aͤltern chriſtlichen Leh- ren, haben doch nun ſchon ſeit Jahrhunderten die Chri- ſten ſich in Staaten vereinigt, ohne in ihren buͤrger- lichen Pflichten durch die Befolgung jener Lehren ge- hindert zu werden, die nur noch in der Dunkelheit einiger kleinen Secten *) ſich erhalten haben, welche
auch
*) Der Quacker und Mennoniten, welche dieſe Lehren noch itzt in den heiligen Buͤchern aller Chri- ſten finden und auch mit der angefuͤhrten Autoritaͤt der Kirchenvaͤter unterſtuͤtzen, und ſich der Erhal- tung des aͤlteſten chriſtlichen Glaubens ruͤhmen.
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muͤßte. Es laͤßt ſich alſo wohl ohne alle Uebertrei-
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der Chriſten in den erſten Jahrhunderten die Pflich-
ten guter Buͤrger zu erfuͤllen unfaͤhig und alſo der
Staat berechtigt war, gegen Menſchen, die ſich durch
ihre goͤttliche Lehren ſo gewaltſam von ihm loßriſſen,
immer ein gewiſſes Mißtrauen zu naͤhren und ihre
Vermehrung zu hindern. Dieſes mißkennen oder be-
ſtreiten wollen, und doch noch immer den Juden ihre
lange nicht ſo weit gehende, ungeſellige trennende
Grundſaͤtze vorwerfen, wuͤrde eine Partheylichkeit an-
zeigen, die eines philoſophiſchen Unterſuchers unwuͤr-
dig iſt.
Aber bey allen dieſen mit dem Wohl der Geſell-
ſchaft durchaus unvertraͤglichen aͤltern chriſtlichen Leh-
ren, haben doch nun ſchon ſeit Jahrhunderten die Chri-
ſten ſich in Staaten vereinigt, ohne in ihren buͤrger-
lichen Pflichten durch die Befolgung jener Lehren ge-
hindert zu werden, die nur noch in der Dunkelheit
einiger kleinen Secten *) ſich erhalten haben, welche
auch
*) Der Quacker und Mennoniten, welche dieſe
Lehren noch itzt in den heiligen Buͤchern aller Chri-
ſten finden und auch mit der angefuͤhrten Autoritaͤt
der Kirchenvaͤter unterſtuͤtzen, und ſich der Erhal-
tung des aͤlteſten chriſtlichen Glaubens ruͤhmen.
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Dohm, Christian Conrad Wilhelm von: Über die bürgerliche Verbesserung der Juden. T. 2. Berlin u. a., 1783, S. 208. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/dohm_juden02_1783/216>, abgerufen am 16.02.2025.
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